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Was kommt nach der Staatspleite?

Im Bundeswirtschaftsministerium arbeitet man bereits an Plänen für eine geordnete Insolvenz Griechenlands. Andere Experten plädieren jedoch eher für eine Durchfinanzierung per EFSF und wirtschaftliche Quarantäne. Eine Staatspleite könnte ansteckend sein, meinen sie.

Von Brigitte Scholtes | 04.10.2011
    Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler möchte klare Regeln für eine geordnete Insolvenz hoch verschuldeter Staaten im Euroraum. Es gehe vor allem darum, wie man ein Land wieder fit, also wettbewerbsfähig machen könne. Eine Staatsinsolvenz müsse geordnet stattfinden, das meinen auch Finanzexperten wie Holger Bahr, Volkswirt der Dekabank:

    "Eine Staatspleite ist immer eine sehr schwierige Geschichte, insbesondere nicht nur für die Banken in dem Land, sondern auch für Banken in anderen Ländern und auch für Ausstrahleffekte. Was bedeutet das letztendlich für die Eurozone? Insofern ist das sehr komplex."

    Nach den Vorstellungen des Bundeswirtschaftsministers müsse zunächst nach objektiven Kriterien die Zahlungsunfähigkeit festgestellt werden, danach dann ein festgelegtes Verfahren beginnen, das von einem unabhängigen Gremium geführt und überwacht werde. Eine Sanierung der Staatsfinanzen und der Wirtschaft ist wesentliches Ziel, ein Schuldenschnitt wäre unausweichlich. Uwe Angenendt, Chefvolkswirt der BHF-Bank, erläutert, was das für den griechischen Haushalt bedeuten würde:

    "Man kann natürlich die Schulden in Form von Bonds, die ausstehen, nicht zurückzahlen, also einen Schuldenschnitt machen, das würde natürlich im jeweiligen Haushalt dazu führen, dass die Zinszahlungen nicht mehr zu leisten wären, die erheblich sind – fast sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Griechen müssen für Zinsen aufgewendet werden."

    Staatsinsolvenzen hat es schon einige gegeben. Die größte Schwierigkeit aber ist, dies innerhalb der Währungsunion zu handhaben. Denn im Vorfeld dürfte es schon zu Kapitalflucht kommen, die man wegen des gemeinsamen Währungsraums wohl nicht stoppen könnte. Und anders als etwa im Fall Argentinien wäre die Ansteckung für die anderen Krisenländer im Euroraum gigantisch, meint Angenendt:

    "Damals in Argentinien sind solche Bonds nur als Risikobemischung in den internationalen Portefeuilles dabei gewesen. Hier im Falle Griechenland haben Investoren diese Papiere im Bestand, die risikoavers investiert haben, also wie Versicherungen, wie Banken, und wenn die in großem Stil diese Anleihen verkaufen, nicht nur die griechischen, sondern die italienischen, die spanischen, die französischen, die belgischen, dann verlieren diese Ländern den Kapitalmarktzugang und sind von heute auf morgen pleite."

    Banken und womöglich Versicherungen müssten also parallel gestützt werden, denn sie seien nicht in der Lage, einen Schuldenschnitt auszuhalten – zumal auch die griechischen Banken und der Privatsektor sich bei den anderen Banken in Euroland verschuldet haben. Für Angenendt birgt deshalb ein Schuldenschnitt eine zu große Ansteckungsgefahr für die anderen Krisenländer. Er plädiert für eine andere Lösung:

    "Mein Weg wäre, Griechenland in Quarantäne zu packen, voll durchzufinanzieren aus dem EFSF, und dann über viele Jahre zehn, zwanzig Jahre Strukturreformen in diesem Land zu erzwingen, die dann langfristig dazu führen, dass wir da wieder eine ordentliche wirtschaftliche Entwicklung bekommen. Und wir kennen das ja mit Ostdeutschland, da ist es uns auch schon einmal gelungen."

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