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"Was machen Sie in Schwerin?"

Vier Jahre stand Reinhard Bütikofer mit an der Spitze der Grünen. Nun ist er zuständiger Europaabgeordneter für Mecklenburg-Vorpommern. Mit Schwerin bringen ihn viele Landsleute nicht in Verbindung. Er sieht sich dagegen in der Rolle eines Türöffners.

Von Peter Marx | 01.09.2011
    Reinhard Bütikofer strahlt. Und wie Bei jedem Schritt auf dem Werksgelände des Windkraft-Anlagenbauers Nordex fühlt sich der 58-Jährige bestätigt und freut sich über den Erfolg des Unternehmens:

    "Begeistert, nicht dass wir alles für uns reklamieren würden. Aber ich glaube schon, dass wir sagen können, wir haben Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass das so boomen kann."

    Werksleiter Rolf Büthje führt den prominenten Besucher durch die modernen Werkshallen, und Bütikofer macht den Eindruck, als würde er gerne jedes der 50 Meter langen Rotorblätter streicheln wollen.

    Im Gefolge des Europaabgeordneten befindet sich Jürgen Suhr, einer der Spitzenkandidaten der Grünen für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. Aufmerksam hört er zu, schweigt, beobachtet nur den Auftritt von Bütikofer, einer seiner politischen Mentoren:

    "Ich habe schon versucht, aus meiner Erfahrung in der Kommunalpolitik in Heidelberg hier was zu vermitteln. Ich erinnere mich, dass ich mit Jürgen Suhr viel diskutiert habe, wie man erfolgreich damals in Stralsund eine kommunale Liste aufbaut, und habe versucht, aus meiner Erfahrung zu vermitteln, weil ich eben noch gut weiß, wie wichtig glaubwürdige Kommunalpolitik dafür ist, dass Grüne auch als ernst zu nehmender Faktor anerkannt werden."

    Inzwischen sind die Grünen in den meisten Stadt- und Kreisparlamenten des Landes vertreten. Nach Ansicht von Bütikofer ist die kommunale Ebene eine wichtige Etappe auf dem Weg in ein Landesparlament. Sein Blick zurück:

    "Ich fand einen schwachen Landesverband vor. Ich glaube, wir hatten damals noch keine 400 Mitglieder landesweit, das war weniger als im Kreisverband Stuttgart. Wir liegen jetzt bei über 500 junge Leute."

    Als für Mecklenburg-Vorpommern zuständiger Europaabgeordneter hat Bütikofer zwar ein Büro in Schwerin, wird jedoch kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen.

    "Ich kenne Sie, was machen Sie in Schwerin?"

    Und so wie dieser Frau geht es vielen in der Landeshauptstadt, die Bütikofer immer noch in Berlin oder Brüssel verorten, aber nicht in Schwerin. Am Info-Stand der Grünen direkt am Schweriner Pfaffenteich muss Bütikofer deshalb mehr über sich erzählen als über die Ziele der Landespartei. Was der gebürtige Mannheimer gerne macht, viel dabei lacht und dabei nicht immer von den Einheimischen verstanden wird. Nur deswegen plattdeutsch lernen will er nicht mehr:

    "Da sollte man nicht anfangen mit der Verstellerei. Erstens bekomme ich meinen Sound nicht mehr raus, den Süddeutschen hört man mir einfach an. Und ich glaube, es ist ehrlicher, wenn man dazu steht."

    Gelegentlich hält der Sprecher der grünen Europagruppe Vorträge, besucht Unternehmen und Häfen, taucht unregelmäßig bei Delegiertentreffen des Landesverbandes auf. Sein Wissen über die Bundespartei, über die Strukturen, über die Machtkämpfe hinter den Kulissen, daran lässt der einstige Parteivorsitzende teilhaben, wenn er gefragt wird. Aber nur dosiert. Nichts, so scheint es, fürchtet Bütikofer mehr als eine tragende Rolle im Landesverband, dem er sich bestenfalls "zugehörig" fühlt:

    "Ich bin hier ganz freundlich aufgenommen worden, von Anfang an. Es war ganz wenig an Vorbehalten zu spüren. Ich glaube, es haben sich einfach viele gefreut, dass einer signalisiert, ich helfe hier mit, ich stehe hier als Gesprächspartner zur Verfügung, der jetzt gar nicht unbedingt muss. Es ist ein Angebot, das ist auch deutlich, von meiner Seite aus, ein Angebot."

    Bütikofer ist entrückt, nach Brüssel, nach Europa. Als stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Europäischen Parlament sieht er dort die Schwerpunkte seiner politischen Arbeit. Vielleicht spielt er deshalb, ganz bewusst, seine Rolle in Mecklenburg-Vorpommern herunter:

    "Ich versuche dem Landesverband zu einer gewissen Sichtbarkeit zu verhelfen, aber ich bin weder der Strippenzieher im Hintergrund noch der Ziehvater, noch der, der über allem schwebt."

    Nur Promi-Faktor? Nur diese Rolle für einen Mann, der seit 1984 für die Grünen kämpft und ganz selten in einer Nebenrolle? Immerhin stand er bis 2008 vier Jahre lang mit an der Spitze der Öko-Partei. Bütikofer lächelt, bleibt stehen, schaut an sich runter, zieht am Ärmel seines grauen Anzuges, als bereite er sich auf einen Fernsehauftritt vor und gibt dann zu:

    "Ein bisschen vielleicht, ein bisschen Türöffner. Das mach ich jetzt sehr intensiv."

    So wie bei Nordex. Seine Rolle als Wirtschaftsfachmann soll im Land künftig Spitzenkandidat Jürgen Suhr übernehmen, dessen politische Schwerpunkte die Energie- und Wirtschaftspolitik sind. Suhr und Bütikofer spielen sich die Bälle zu. Beide machen sich schon länger Gedanken darüber, wie sich die Grünen im Landtag präsentieren sollen: Für den Europa-Abgeordneten ist eines klar: keine Fundamental-Opposition, sondern engagierte Mitarbeit. Wieder greift er auf seine Erfahrungen zurück. Dann widmet sich Bütikofer wieder den Windanlagen-Propellern, die gerade lackiert werden. Für ihn leider mit der falschen Farbe: Nicht grün, sondern rot-weiß.