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"Was verabredet ist, muss auch gelten"

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ralf Brauksiepe wertet die Einigung auf einen Mindestlohn für Briefzusteller als einen großen Erfolg der Union. Was weitere Branchen angehe, habe man eine klare Verabredung: Wo ein Tarifbindung von über 50 Prozent bestehe, könnten Arbeitgeber und Gewerkschaften auf Wunsch einen Mindestlohn-Tarifvertrag abschließen. Einen einheitlichen, flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland werde es aber nicht geben, betonte Brauksiepe.

Moderation: Bettina Klein | 30.11.2007
    Bettina Klein: Die Tarifparteien der Postbranche haben sich in dieser Woche auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt, in einer Weise, dass nun auch die Union beim Mindestlohn zustimmen wollte und den Vertrag allgemeinverbindlich für die Branche gelten lassen will. Der große Zankapfel Mindestlohn schien damit zunächst vom Tisch zu sein. Beide Regierungspartner haben jeweils das Gefühl, sie hätten sich durchgesetzt. Gar nicht zufrieden jedenfalls sind die neuen Konkurrenten der Post, für die der Mindestlohn nun auch gelten wird. Sie haben heute noch mal eindringlich davor gewarnt, dass Arbeitsplätze unter diesen Bedingungen verloren gehen werden.

    Beide Parteien in der Großen Koalition hatten die Entwicklung zunächst als Ihren Erfolg verkauft. Beide haben nicht nur Unrecht: Die SPD ist ihrem grundsätzlichen Ziel näher gekommen, die Union sieht die Bedingungen für den Postmindestlohn in ihrem Sinne abgewandelt. Ralf Brauksiepe ist nun am Telefon, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der Fraktion. Herr Brauksiepe, die SPD freut sich und hofft, das ist erst der Anfang, weitere Branchen werden folgen. Hofft sie zu Recht?

    Ralf Brauksiepe: Ich freue mich auch, dass diese Regelung für die Briefdienstleister jetzt gelungen ist. Es ist in der Tat ein großer Erfolg für CDU und CSU, denn es hat ja gemeinsame Vereinbarungen in der Großen Koalition, in der Regierung gegeben, dass wir bereit sind, einen Mindestlohn für Briefdienstleister auch mit einer entsprechenden Änderung des Entsendegesetzes zu flankieren. Wir haben gesagt, das muss für diejenigen gelten, die überwiegend Briefdienstleistungen erbringen. Dazu war die SPD vor Wochen noch nicht bereit. Jetzt haben die Tarifvertragsparteien sich genauso verständigt, wie wir das vor Wochen vorgeschlagen haben. Über diesen Erfolg freuen wir uns. Was weitere Branchen angeht, haben wir eine genauso klare Verabredung. Wir haben gesagt, die Branchen, die eine Tarifbindung von über 50 Prozent haben und wo Arbeitgeber und Gewerkschaften dies wollen, die können sich bis Ende März melden und einen Mindestlohn-Tarifvertrag abschließen. Und da wären wir auch bereit, diese Branchen ins Entsendegesetz aufzunehmen. Es ist eine klare Vereinbarung. Da hat auch nicht der eine den anderen übern Tisch gezogen, sondern die haben wir gemeinsam getroffen. Wir als CDU/CSU haben immer gesagt, die Lohnfindung soll bei den Tarifparteien liegen. Wir sind bereit, als Staat die Tarifautonomie durch entsprechende entsendegesetzliche Regelungen zu flankieren, und dabei bleibt es.

    Klein: Sie sprechen von großem Erfolg, Herr Brauksiepe. Nicht alle in Ihrer Partei und Ihrer Fraktion sehen das so, etwa der CDU-Wirtschaftsrat und die Politiker der Mittelstandsvereinigung verstehen die Welt nicht mehr und auch Ihre Partei nicht mehr. Werden Sie noch mal eine einheitliche Linie in Ihrer Partei denn hinbekommen?

    Brauksiepe: Ich gehe davon aus, dass wir hier, was diese Frage Postmindestlohn angeht, das in der nächsten Sitzungswoche im deutschen Bundestag verabschieden und dass wir auch ansonsten selbstverständlich zu dem stehen, was wir mit den Sozialdemokraten vereinbart haben. Wir sind natürlich keine Fusion mit den Sozialdemokraten eingegangen. Wir sind eine breit aufgestellte Volkspartei, und da gibt es natürlich zu verschiedenen Fragen auch unterschiedliche Akzente und Auffassungen. Entscheidend ist, dass das, was verabredet ist, dann auch für alle gelten muss. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht beim Thema Postmindestlohn. Die Tarifvertragsparteien haben sie nun mit Verzögerung auch gemacht, das ist gut. Und wir stehen auch zu den Verabredungen, die wir generell zum Thema Mindestlohn getroffen haben, wozu ja auch gehört, dass es keinen einheitlichen, flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland geben wird.

    Klein: Weshalb zählen denn nun die Argumente der Postmitbewerber nicht mehr, hier werden Arbeitsplätze vernichtet?

    Brauksiepe: Wissen Sie, wenn ich mir diese Szenarien alle ansehe, dann weiß ich nicht, was ich da jetzt glauben soll. Da wird von den Postkonkurrenten mal von 50.000, mal von 20.000 verloren gehenden Arbeitsplätzen gesprochen, wenn der Postmindestlohn kommt. Die gelbe Post wiederum sagt, es gehen 32.000 Arbeitsplätze verloren, wenn er nicht kommt. Was soll man da glauben? Ich kann nur sagen, wir müssen eine vernünftige Politik betreiben. Wir müssen den Ordnungsrahmen in der sozialen Marktwirtschaft richtig setzen, und wir glauben, dass wir das mit den Vereinbarungen, die wir geschlossen haben, auch erreichen.

    Klein: Ich weiß auch gar nicht, Herr Brauksiepe, ob es so sehr um Glaubensfragen dabei geht. Man kann doch wohl auch feststellen, dass diejenigen vielleicht ein bisschen Recht haben, die sagen, das ist die Verlängerung des Postmonopols mit anderem Mittel, wenn diese Löhne für die Mitkonkurrenten festgeschrieben werden?

    Brauksiepe: Wissen Sie, es geht hier gar nicht drum, hier Königswege einzuschlagen. Man muss nur sehen, dass die Löhne bei der Post natürlich noch deutlich höher sind als die, die in diesem Tarifvertrag jetzt vereinbart worden sind. Wir hätten uns natürlich gewünscht als CDU und CSU, dass sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite möglichst alle Beteiligten in eine freiwillige Vereinbarungs- und Verhandlungslösung eingebunden worden wären. Das ist auf Gewerkschaftsseite zum Glück gelungen, nicht nur ver.di, sondern auch die entsprechenden Fachgewerkschaften im Deutschen Beamtenbund und im Christlichen Gewerkschaftsbund haben diese Vereinbarungen mitgetragen auf Arbeitgeberseite. Es ist in der Tat nicht optimal gelaufen, da sind nicht alle mit ins Boot gekommen. Jetzt hilft es aber auch nichts, darüber zu urteilen, woran das gelegen hat, wer da mehr oder weniger schuld dran war. Es hat nun Monate gegeben, in denen die Gelegenheit bestanden hat, da auch noch zusammenzukommen. Am Ende muss Politik entscheiden, und wir entscheiden auf der Basis dessen, was wir miteinander vereinbart haben. Und wir gehen davon aus, dass das, was in der Großen Koalition politisch vereinbart ist, dass wir eine Mindestlohnregelung dann machen, wenn die Tarifbindung beim Tarifvertrag mindestens 50 Prozent steht, dann gehen wir davon aus, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn wir ihn erstrecken auf diejenigen, die überwiegend Briefdienstleistung erbringen. Was verabredet ist, muss auch gelten.

    Klein: Sie haben auch gesagt, verabredet ist, dass andere Branchen die Möglichkeiten haben, sich noch bis Ende März zu melden, um diesem Beispiel zu folgen. Nun haben sich heute wiederum einige Ministerpräsidenten auch zu Wort gemeldet, Günther Oettinger etwa aus Baden-Württemberg, auch der CSU-Vorsitzende Huber, die ganz klar sagen: Ausdehnung auf weitere Branchen ist mit der Union nicht zu machen, ist nicht verhandelbar, und das möge die Kanzlerin und Parteivorsitzende beim bevorstehenden Parteitag der CDU auch ganz klar machen. Haben die die Vereinbarung nicht richtig gelesen?

    Brauksiepe: Ich kenne niemanden, der sagt, dass wir die mit der SPD getroffenen Vereinbarungen aufkündigen sollten.

    Klein: Ja, aber wenn führende CDU-Politiker sagen, für sie ist das undenkbar, auch nicht verhandelbar, dass es den Mindestlohn bei anderen Branchen gibt, dann ist das noch eine klare Aussage?

    Brauksiepe: Ich kann mich nur wiederholen, Frau Klein, mehr kann ich dazu nicht sagen.

    Klein: Das heißt, die Kollegen Oettinger und Huber müssen damit leben, dass die CDU da nicht ihren Wünschen folgt?

    Brauksiepe: Ich kann mich ein drittes Mal wiederholen: Wir haben Vereinbarungen miteinander getroffen, und ich kann im Übrigen nur sagen, dass ich die von Ihnen genannten Kollegen so in der Form, wie Sie das hier zitieren, auch nicht verstanden und nicht gelesen habe.

    Klein: Ralf Brauksiepe, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Danke Ihnen für das Gespräch.

    Brauksiepe: Danke auch.