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"Was wir nicht möchten, ist eine völlig neue Verhandlung"

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, zeigt sich zuversichtlich, dass die geplante Hartz-IV-Reform bald beschlossen werden kann. Er könne sich eine Lösung bis Ende Februar vorstellen, sagte Altmaier.

Peter Altmaier im Gespräch mit Martin Zagatta | 12.02.2011
    Martin Zagatta: In der Nacht auf Mittwoch hat die Arbeitsministerin von der Leyen die Verhandlungen mit der Opposition für gescheitert erklärt. Das gilt nun nicht mehr, seit Kurt Beck, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und SPD-Politiker gestern eine Ablehnung der Regierungspläne zur Hartz-IV-Reform im Bundesrat verhindert und für eine neue Verhandlungsrunde gesorgt hat. Wie jetzt auf einmal ein Kompromiss gefunden werden kann, wollen wir uns von Peter Altmaier erklären lassen, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag. Guten Morgen, Herr Altmaier!

    Peter Altmaier: Guten Morgen, Herr Zagatta!

    Zagatta: Herr Altmaier, wenn sich Kurt Beck da nicht in letzter Minute noch eingeschaltet hätte, wäre die Neuregelung im Bundesrat gestern gestoppt worden. Haben Sie sich bei Kurt Beck schon bedankt, dass nun doch wieder nach einem Kompromiss gesucht werden kann?

    Altmaier: Nun, es war ja nicht nur Kurt Beck, sondern es waren Ministerpräsidenten von der CDU/CSU, von der SPD, darunter auch Kurt Beck, die gesagt haben, wir wollen dieses Paket, das von der SPD im Bundestag so heftig kritisiert worden ist, wir wollen dieses Paket vielleicht doch noch einmal retten, weil man inzwischen auch erkannt hat, dass das Paket viel interessanter für die Kommunen ist, als viele zu Anfang gedacht haben.

    Zagatta: Können die Ministerpräsidenten Beck und Seehofer, der war ja da auch maßgeblich beteiligt angeblich gestern, die sich da gestern hervorgetan haben, können ältere Herren jetzt schaffen, was den Blondinen von der Leyen und Schwesig nicht gelungen ist?

    Altmaier: Nun ich glaube, dass wir zunächst einmal drei Phasen haben. Das eine war die Phase der Verhandlungen, wo man sich angenähert hat von sehr weit entfernten Positionen; das Zweite war dann, dass man irgendwann einmal Bilanz ziehen musste, deshalb zunächst einmal beendet diese Verhandlungen und die Beschlussfassung im Vermittlungsausschuss; und jetzt ist es so, dass es eine neue Chance, ein neues Zeitfenster gibt zueinanderzukommen, wenn man sich auf punktuelle Änderungen verständigt. Es wäre im Übrigen gut für die Demokratie und für das Ansehen der Politik insgesamt. Ich glaube auch, dass eine solche Einigung bei gutem Willen aller Beteiligten innerhalb von relativ kurzer Zeit möglich ist, denn die Vorarbeiten sind gemacht und es geht jetzt darum zu schauen, wo man an der ein oder anderen Stelle noch etwas ergänzen oder verbessern kann. Es geht ganz sicherlich nicht mehr darum, dieses Paket von Grund auf neu zu verhandeln.

    Zagatta: Relativ kurze Zeit, was schwebt Ihnen da in etwa vor?

    Altmaier: Nun, wir müssen ja sehen, dass die Betroffenen darauf warten, dass Rechtssicherheit eintritt. Deshalb könnte ich mir vorstellen, wenn sich alle bemühen, wenn wir intensiv verhandeln und sprechen, dass wir dann bis Ende des Monats Februar zu einer Lösung kommen. Wir haben die nächste Sitzungswoche des Bundestages in etwa zehn Tagen, ich glaube, dass man bis dahin die Weichen stellen kann, um dieses Paket dann endgültig für alle Beteiligten zustimmungsfähig zu machen.

    Zagatta: Alle Beteiligten sind von Horst Seehofer dazu aufgerufen worden, jetzt auf Rituale, auf gegenseitige Vorwürfe zu verzichten. Wo könnten Sie denn ganz konkret, können Sie uns da einen Punkt nennen, wo könnten Sie denn irgendwo der Opposition jetzt entgegenkommen?

    Altmaier: Nun wir haben das ja in dem Anrufungsbeschluss auch deutlich gemacht, den wir gestern gemeinsam gefasst haben: Es gibt sicherlich in der Austarierung des Paketes noch Möglichkeiten zu Veränderungen, etwa bei den sogenannten Sonderbedarfen. Man kann sicherlich auch noch einmal schauen, ob alle Formulierungen und Regelungen im Hinblick auf die Kommunen und die Trägerschaft bereits wasserdicht sind. Wir glauben, dass dies der Fall ist, sind aber gerne bereit, Herrn Beck zu folgen und das noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Was wir nicht möchten, ist eine völlig neue Verhandlung. Wir sind auch sehr skeptisch bei den sogenannten Regelsätzen, weil wir glauben, dass die verfassungsfest berechnet worden sind und weil wir auch glauben, dass es falsch ist, mit der Gießkanne Leistungen zu verteilen, sondern uns kommt es darauf an, zielgerichtet den Menschen zu helfen, die diese Leistungen brauchen. Deshalb haben wir gesagt: Wenn es Personengruppen gibt, die besondere Bedarfe haben, dann muss man darüber noch einmal reden.

    Zagatta: Also eine Mobilitätszulage oder Ähnliches?

    Altmaier: Ja ich will das jetzt nicht auf einzelne Komponenten zurückführen, weil wir ja die Verhandlungen abwarten sollten ...

    Zagatta: ... aber das wäre so in etwa der Kompromiss, dann könnten Sie sagen, es ist bei den Regelsätzen geblieben und die SPD beziehungsweise die Opposition könnte sagen, wir haben noch was zusätzlich herausgeholt. Ging es in diese Richtung?

    Altmaier: Ja, ich glaube, dass dies eine der Perspektiven ist, weil wir ja gesehen haben, dass es sehr schwer ist zueinanderzukommen, wenn man alles infrage stellt. Und deshalb habe ich das Angebot der Ministerpräsidenten der A- und der B-Seite gestern so verstanden, dass sie sagen, eigentlich ist nicht mehr alles offen, sondern wir halten das Paket, das vorliegt, für eine gute Ausgangsposition. Das gibt mir die Hoffnung, dass wir dann gemeinsam, Bundesrat und Bundestag, in vertraulichen Gesprächen, in schnellen Gesprächen dann zu einer Lösung kommen, die wir dann von den Gremien des Vermittlungsausschusses des Bundestages und des Bundesrates verabschieden. Es wäre glaube ich ein gutes Signal, wenn wir dieses Thema vor den Landtagswahlen abräumen können gemeinsam. Mit Abräumen meine ich, dass wir eine Lösung vorlegen, die dann auch in der Öffentlichkeit Bestand hat und deren Überzeugungskraft anerkannt ist.

    Zagatta: Herr Altmaier, die Union hat ja wochenlang der Opposition vorgeworfen, diese Verhandlungen zu überfrachten mit Forderungen nach Mindestlöhnen, die Leiharbeit anders zu organisieren. Dann haben Sie selbst aber jetzt den Kommunen zusätzliche Millionen angeboten, in Aussicht gestellt für die Grundsicherung im Alter aufzukommen ... Ist das nicht auch ein Kuhhandel?

    Altmaier: Nun, das war ja auch eine alte Forderung der SPD, dass wir Kommunen überfrachten, und es ist ja nicht so, dass Herr Beck etwa dieses Angebot zurückweist. Uns ging es darum, dass wir dieses Hartz-IV-Paket wie von den Kommunen gewollt in der Trägerschaft der Kommunen organisieren. Die Städte und Gemeinden sind näher an den Problemen der Betroffenen als beispielsweise eine bundesweite Organisation wie die BA. Zweiter Punkt war, dass wir gesagt haben, wir wollen den Kommunen die Konten alle ersetzen. Und weil es Befürchtungen und Vermutungen gab, dass dies vielleicht in dem ein oder anderen Fall doch nicht so zielgenau sein könnte, waren wir dann bereit zu sagen, okay, lasst uns ein Element aus der Kommunalfinanzreform vorziehen, und das ist die Übernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund.

    Das wäre eine Entlastung der Kommunen in der Endphase um über dreieinhalb Milliarden Euro. Und wenn Sie die Reaktionen der Kommunen anschauen, in den letzten Tagen sind die immer positiver geworden, gestern hat sich ja Dupprè vom Landkreistag entsprechend geäußert. Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten Tagen von den Kommunen auch einigen Druck verspüren werden, dass wir nun dies nicht alles wieder aufschnüren, sondern auf der Basis der vorgelegten Entlastungsangebote zu konkreten, belastbaren Ergebnissen kommen.

    Zagatta: Und dennoch, wenn Sie da die Schwierigkeiten bei den Verhandlungen der letzten Wochen noch im Ohr haben, Sie haben das ja alles hautnah miterlebt: Sind Sie heute Morgen da noch skeptisch, oder sind Sie jetzt eher optimistisch, dass es zu einer Lösung kommt?

    Altmaier: Nun, ich bin optimistisch, weil die Anrufung des Vermittlungsausschusses so schnell nach einem Vermittlungsergebnis macht ja nur Sinn, wenn bei allen Beteiligten der Wille zur Einigung vorhanden ist. So habe ich die Ministerpräsidenten der SPD verstanden. Die Debatte im Bundesrat war ja auch wohltuend sachlich. Und nun müssen wir – da bin ich ganz im Übrigen bei Horst Seehofer und bei Herrn Beck –, nun müssen wir auf die alten Rituale verzichten, es kommt jetzt nicht darauf an, vor den Kameras Erklärungen abzugeben, sondern darauf, dass wir in gemeinsamen Gesprächen versuchen unter Zurückstellung von Eitelkeiten, unter Zurückstellung von ideologischen Positionen zu Lösungen zu kommen, die dann den Betroffenen auch tatsächlich weiterhelfen.

    Zagatta: Peter Altmaier, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Herr Altmaier, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Altmaier: Ich danke Ihnen!