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Wasser aus dem Wald

Der Wald bietet Raum zur Erholung und verbessert Luft und Wasser. Für den Besitzer ist diese Idylle aber oft ein Verlustgeschäft, weil er zwar das Holz verkaufen kann, für die Trinkwasserqualität aber meist gratis sorgen muss. Der Deutsche Forstwirtschaftsrat schlägt deshalb einen finanziellen Ausgleich in Form eines "Wassercents" vor.

Von Eva Bahner | 11.10.2006
    "Das Wasser, das über die Kronen hier auf den Boden gelangt, durchsickert zunächst die Humusschicht, es werden organische Säuren hier aus der Humusschicht gelöst, die dann in den Mineralboden eingewaschen werden. Diese Säuren führen im Oberboden zu diesen Bleichungsprozessen. Wenn ich hier unten Bodenmaterial herausnehme, dann ist dieses wesentlich bindiger. Ich kann hier zum Beispiel eine kleine Wurst draus formen."

    Jürgen Schäffer, Bodenkundler an der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, untersucht in regelmäßigen Abständen den Waldboden im Einzugsbereich der Trinkwassertalsperre Kleine Kinzig im Kreis Freudenstadt. Der ganze Raum zwischen Villingen-Schwenningen und Offenburg wird von hier aus mit Wasser versorgt, Wasser, das aus dem Waldboden gewonnen wird.

    Durch Säure- und Stickstoffeinträge aus der Luft hat der Boden allerdings in den vergangenen Jahrzehnten viel von seiner Filter- und Pufferfähigkeit verloren. Im Wassereinzugsgebiet Kleine Kinzig ist der Boden dafür bereits zu stark übersäuert:

    "Ein ganz typisches Geräusch, das man aus dem Sandkasten kennt. Das ist ein sehr saurer Sand in dem Oberboden, den wir hier vorfinden. Die PH-Werte liegen sicherlich im Bereich von drei. Vom Versauerungsgeschehen ein Boden, der dringend kalkungsbedürftig ist."

    Während Bodenschutzkalkungen in den frühen achtziger Jahren allein zur Mobilisierung von Nährstoffreserven dienten, als Wachstumsförderer sozusagen, werden diese heute zunehmend eingesetzt, um die Qualität des Trinkwassers zu verbessern, vorgeschriebene PH-Werte, Aluminium- und Mangankonzentrationen langfristig einzuhalten.
    Grundsätzlich kann ein Waldboden Wasser viel länger speichern als ein landwirtschaftlicher Boden beispielsweise, Schadstoffe werden also sorgfältiger gefiltert, die Qualität des Grundwassers steigt. Zudem verzichten Forstwirte - im Gegensatz zu Landwirten weitestgehend auf den Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln.

    Die Filterfähigkeit des Waldbodens hängt allerdings nicht nur von den Einträgen aus der Luft, sondern auch von der Mischung der Baumarten. Eine naturnahe Waldbewirtschaftung, also eine natürliche Mischung aus Laub- und Nadelwald, macht die Bäume nicht nur stressresistenter, zum Beispiel bei extremer Trockenheit oder eine Borkenkäferplage, sie fördert auch die Filtereigenschaften des Waldbodens, erklärt Walter Trefz, der 36 Jahre lang als Förster im Schwarzwald tätig war:

    "Diese Ausbreitung der Fichte, die eine extreme Flachwurzel hat, verringert diese Speicherfähigkeit des Bodens, weil bevor der Sturm diesen flach wurzelnden Baum umwirft, verringert die Wurzel durch Stampfbewegungen das Bodenvolumen, so dass der Boden gar nicht so viel Wasser aufnehmen kann. Die abfallenden Nadeln tragen zusätzlich zur Versauerung bei, so dass das eine Spirale ist."

    Und diese Spirale gelte es aufzuhalten, und die Fehler der langjährigen Geschichte des Schwarzwaldes zu korrigieren, sagt Trefz, nämlich den massiven Anbau der Nadelhölzer. Deshalb seien die Schutzkalkungen mit einer naturnahen Anbauweise zu kombinieren:

    "Die biologischen Maßnahmen müssen zwingend sein, sonst komme ich in einen Reparaturmechanismus hinein, ich repariere immer nur den Schaden. Das ist ja keine Vorbeugung des Schadens. Die Vorbeugung des Schadens liegt in dem Bereich, dass wir in den Luftkreislauf eingreifen, dass wir weniger und regenerative Energie verbrauchen."

    Auch die Waldbesitzer haben die Notwendigkeit einer naturnahen Waldbewirtschaftung inzwischen erkannt, nicht zuletzt für Grundwasserqualität. Gleichzeitig sehen sie darin auch eine potentielle zusätzliche Einnahmequelle. Die Kassen der Forstbetriebe sind leer, die Holzpreise im Keller.

    Da Waldbesitzer mit ihren Investitionen, zum Beispiel für Bodenschutzkalkungen, nicht nur zur Luftreinhaltung beitragen sondern auch zur Qualität des Allgemeingutes Wasser, sei ein finanzieller Ausgleich für die Bemühungen der Waldbesitzer also angemessen, meint der Deutsche Forstwirtschaftsrat - entweder in Form eines "Wassercent", den jeder Verbraucher beizusteuern habe oder durch Gelder, die ohnehin bereits in zehn Bundesländern erhoben würden für die Wasserentnahme, sagt Werner Erb:

    "Diese Wasserentnahmeentgelte versickern zum Teil in einigen Bundesländern in den allgemeinen Haushalten, und das kann nicht sein, solange Waldbesitzer, die mit Mühe gerade immer an der Grenze der roten Zahlen agieren, solange die Mehrkosten und Mindererlöse zu tragen haben oder zum Beispiel Kompensationskalkungen wegen Immissionseinflüssen finanzieren müssen, dass die davon nichts haben.

    Da müssen die Wasserentnahmeentgelte einer Zweckbindung zugeführt werden und dann ist das Problem gelöst. Solange so was nicht stattfindet, ist die Forderung nach einem Wassercent als zusätzliche Abgabe zur Lösung der Problem unverändert aktuell und gerechtfertigt."