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Wasser in Einwegflaschen
Umweltschädlicher und unnützer geht es kaum

Anfang 2019 startet das neue Verpackungsgesetz in Deutschland, dann sollen innerhalb von drei Jahren mindestens 70 Prozent der Getränke in Mehrwegflaschen verkauft werden. Doch momentan trinken die deutschen immer mehr Mineralwasser aus Plastikflaschen. Eine "Mehrweg-Allianz“ will sich nun dafür einsetzen, dass die Vorgabe des Gesetzes auch eingehalten wird.

Von Anja Nehls | 21.11.2017
    Ein Meer aus gebrauchten, blauen Plastikflaschen, die alle bereit für die Wiederverwertung sind.
    Derzeit sind wir von 70 Prozent Mehrweg weiter entfernt als noch vor 20 Jahren (imago / imagebroker / theissen)
    21 Milliarden Einwegflaschen werden in Deutschland jedes Jahr gekauft, die meisten gefüllt mit Mineralwasser. Von 30 Litern Wasser im Jahr pro Kopf in den 70er Jahren auf jetzt 150 Liter ist der Wasserverbrauch angestiegen – und da ist das Wasser, das direkt aus der Leitung getrunken wird noch nicht mal mitgerechnet:
    "Ich mache mein Mineralwasser selber, weil ich die PET-Flaschen nicht mag, und deshalb Glasflaschen besser sind und die mir aber zu schwer sind zum Tragen. - Gerolsteiner, weil da unheimlich viel Kalzium drin ist, mein Mann braucht das, gibt es in Mehrweg-Flaschen, in diesen PET-Flaschen. Wir holen immer zwei Kästen Plastikflaschen, also Mehrweg-Ein-Liter-Flaschen."
    Leitungswasser 0,2 Cent, Mineralwasser 13 Cent pro Liter
    Die Qualität des Leitungswassers in Deutschland ist hervorragend, und sie wird gut überwacht. Ob nun das Leitungswasser auch noch gesünder ist als das Wasser aus Flaschen, darüber gehen die Meinungen der Experten auseinander. Ein Liter Leitungswasser kostet bei uns laut statistischem Bundesamt 0,2 Cent, für Mineralwasser in Flaschen sind zwischen 13 Cent und mehr als ein Euro pro Liter fällig. Außerdem ist das Wasser aus dem Hahn gegenüber der Flasche ökologischer, zumal auch noch der Anteil der Mehrwegfalschen aus Glas oder dickwandigem Plastik in diesem Bereich stark gesunken ist: von über 90 Prozent in den 90er Jahren auf jetzt gerade mal 40 Prozent. Und das hat Folgen für unser Klima, warnt Thomas Fischer von der deutschen Umwelthilfe. 1,25 Millionen Tonnen CO2 könnten durch wiederbefüllbare Flaschen eingespart werden.
    "Mehrweggetränkeverpackungen haben ja die Eigenschaft, dass sie stabil verarbeitet sind und sehr häufig wiederverwendet werden können, bis zu 60 mal, beispielsweise bei Glasmehrwegflaschen. Und der Spülprozess einer Mehrwegflasche verbraucht deutlich weniger Ressourcen und Energie im Vergleich zur Neuherstellung von Plastikflaschen oder Getränkedosen. Und bei Mehrwegflaschen ist es so, dass sie überwiegend in regionalen Kreisläufen verkauft werden und so viel weniger Wegstrecke zurücklegen und deshalb sind Mehrwegflaschen deutlich ökologischer."
    Preispolitik der Discounter
    Das neue Verpackungsgesetz hat das Ziel die Mehrwegquote insgesamt auf 70 Prozent zu erhöhen. Beim Bier, das meist regional verkauft wird, liegt sie jetzt schon deutlich höher, das Problem sei die Preispolitik der Discounter im Wasserbereich so Günther Geuder vom Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels:
    "2003 ist das Pflichtpfand auf Einwegverpackungen eingeführt worden, aber dann haben die Discounter reagiert, sie haben die Preise damals runtergesetzt für eine 1,5 Liter Einweg-PET-Flasche mit Wasser gefüllt auf 19 Cent und dieses Preisniveau haben wir noch heute."
    Rücknahme von Mehrwegflaschen
    Und das sei für die Verbraucher eben ein unschlagbares Kaufargument, so Geuder. Die Einwegplastikflaschen werden zentral produziert und meist über lange Strecken transportiert. Aldi und Lidl verkaufen inzwischen jede zweite Wasserflasche in Deutschland, ausschließlich im Einwegsystem, Coca-Cola ist dabei das Mehrwegsystem in Deutschland abzuschaffen, kritisiert Thomas Fischer:
    "Und diese Akteure wollen mit der Rücknahme von Mehrwegflaschen und der dahinter stehenden Logistik nichts zu tun haben, die wollen Flaschen verkaufen aber danach nichts mehr mit ihnen zu tun haben."
    Und vielen Verbrauchern seien diese Tatsachen einfach gar nicht bewusst, weil Einwegflaschen nicht deutlich genug als solche gekennzeichnet seien, so Günther Geuder:
    "Diese Haltung finden sie heute noch bei 50% ungefähr aller Endverbraucher, dass die sagen, wieso, ich zahle doch Pfand, ist doch Mehrweg."
    Staatlich geförderter Verpackungsmüll
    Über die bessere Kennzeichnung hinaus, sei es aber wichtig, die Einwegproduzenten an den Umweltkosten zu beteiligen und eine klimaschädliche Produktion nicht noch zu fördern, betont Thomas Fischer von der deutschen Umwelthilfe:
    "Im Übrigen werden diese sehr energieintensiven Abfüllungs- und Herstellungsprozesse von den Einwegplastikflaschen sogar noch von der EEG Umlage befreit und damit wird die Herstellung von viel Verpackungsmüll sogar noch staatlich gefördert. Und hier muss energisch dagegen gesteuert werden."
    Zum Beispiel durch die Einführung einer Abgabe von 20 Cent pro Einwegflasche, die der Hersteller zahlen müsste und an die Verbraucher weitergeben würde, damit sich die negativen Umweltauswirkungen auch im Produktpreis wiederspiegeln:
    "Dadurch wird Mehrweg im Vergleich zu Einweg bei Discountern auch wieder eine ökonomisch interessante Alternative und das führt wiederum dazu, dass Mehrweg wieder den Weg in die Verkaufsregale bei Discountern finden wird:"
    Und das sei wirtschaftlich auch interessant, weil am über 100 Jahre alten Mehrwegsystem in Deutschland 150.000 Arbeitsplätze hängen. Eine 20 Cent Abgabe auf Einwegflaschen sei deshalb ein geeignetes Steuerungsinstrument.