Dienstag, 23. April 2024

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Wasser ist da, nur die Infrastruktur fehlt

Eine kurze Ortsbestimmung vorweg: Tadschikistan ist ein junger Staat in Zentralasien, nördlich von Afghanistan gelegen - zwischen Usbekistan im Westen und China im Osten. Tadschikistan, das ist die Bergregion mit dem Pamir und seinen Ausläufern und Wasser gibt es in dem Land reichlich. Nur, die Nutzung ist unzureichend entwickelt, nicht zuletzt aufgrund eines fünfjährigen Bürgerkrieges, der das Land in den 90er Jahren erschütterte und durch den die Infrastruktur vielfach zerstört wurde. Mit deutscher Hilfe soll jetzt die Frischwasserversorgung neu erschlossen und sichergestellt werden.

Von Andrea Reischies | 04.01.2005
    Wir haben das Problem, dass der Weg zum Wasser zu weit ist. Wir holen das Trinkwasser vom Bach, aus dem auch die Tiere trinken. Deswegen haben wir Probleme mit Infektionen.

    Jumabek Dodarbekov hat sich im Namen seines Dorfes an die seit langem in Tadschikistan tätige Deutsche Welthungerhilfe gewandt. Sein Antrag hatte Erfolg, Unterstützung beim Bau einer Wasserleitung wurde zugesagt.

    Nimichak ist ein Ort mit 64 Haushalten im Karategintal, wo in den 90er Jahren die Clans und Mitglieder der Islamischen Partei einen blutigen Bürgerkrieg austrugen. Die Menschen sind sehr arm, 80 Prozent der ländlichen Bevölkerung leben unter dem Existenzminimum. Ihre Häuser sind aus Lehm. Strom haben sie nur im Sommer, im Winter ist das Tal oft von der Außenwelt abgeschnitten, dann sind die hohen Pässe tief verschneit.

    Durch schmutziges Wasser verursachte Infektionen wie Typhus sind noch sehr häufig. In der Sowjetzeit wurden sie durch Impfkampagnen in Schach gehalten. – Damals gab es in dem Dorf Chorvodor auch noch eine Wasserleitung, erzählt Gijiessidoim Abdurachmonov:

    Wir hatten eine Wasserleitung nur für 1-2 Jahre. Dann kam die Asphaltierung der Straße. Sie haben die Straße ca. 2 Meter höher gelegt und die Wasserrohre zugeschüttet. Seitdem haben wir kein Wasser mehr.

    Danach fehlte das Geld, um die Rohrleitungen zu erneuern. 5o cm tief werden nun die neuen Gräben ausgehoben, 1 Meter tief, wo Erdrutsche und Erdbeben zu erwarten sind. Jetzt werden die Baumaterialen von der Deutschen Welthungerhilfe gestellt und die Rohre für Trinkwasser endlich verlegt. Und die Kanäle für die Feldbewässerung werden auch gleich repariert oder neugebaut. Da eine Landreform geplant, aber noch nicht durchgeführt wurde, wissen die Bauern nicht, ob sie ihre Felder behalten werden, und warten ab. In beiden Fällen übernimmt die Nichtregierungsorganisation, zusammen mit der dörflichen Selbsthilfe-Initiative, die Aufgabe des Staates. Der konzentriert seine mageren Ressourcen auf Vorhaben von nationaler Bedeutung. Die Bauern gehen leer aus.

    Oft holen wir Wasser aus dem Kanal. Wenn er geschlossen ist oder wenn es technische Probleme gibt, holen wir Wasser aus dem Tümpel. Das bringen die Kinder mit Eimern. Und manchmal holen wir Wasser aus dem Fluss. Aber es gibt immer wieder Probleme. Meine zwei Kinder waren krank, hatten Bauchschmerzen, Durchfall und Typhus.

    Das Tümpelwasser schillert in allen Farben und riecht modrig. Machbua sagt, dass sie das Wasser zweimal abkochen muss bevor sie es benutzten kann. Und trotzdem werden die Dorfbewohner krank, vor allem die Kinder. Seit drei Jahren gibt es eine Gesundheitsstation, aber heute müssen sie für die Behandlung bezahlen. Die Kosten für die Ärztin, für Medizin und Diät übersteigen die Ersparnisse vieler Familien. Deshalb ist der vordringlichste Wunsch in fast allen Dörfern der nach sauberem Trinkwasser. Über die Auswahl der Projekte entscheiden die Dörfer selbst, sagt Parriz Bazarov, tadschikischer Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe:

    Wenn wir ein Budget haben, dann fährt unser Repräsentant in die Dörfer und wir rufen die Leute zusammen und die Leute entscheiden dann, welches Projekt sie wollen und welche Probleme sie lösen wollen in diesem Rahmen.

    Genug Wasser gibt es, ein bisschen knapp vielleicht im Hochsommer, aber dann führen die Flüsse hoch oben in den Bergen durch die Schneeschmelze immer noch Wasser. Eine Frage ist eben die Reinheit des Wassers.


    Der Landwirt Hans-Jörg Müller, verantwortlich für die nördliche Region, bezieht sich auf die Gipfel des Pamirgebirges, einige über 7000 m hoch. Das Wasser ist da, aber es muss zu den Haushalten, zu den Feldern hingeleitet werden. Wenn es ankommt ist es oft nicht mehr rein.

    Was die Qualität angeht, wenn man das nicht direkt an der Quelle einfasst, man kann sich das ja nicht vorstellen wie in Europa, wo man Kläranlagen hat. Die wären hier viel zu aufwendig und technisch gar nicht machbar. Man fasst gleich die Quelle ein und führt Rohre ins Dorf und hat dann mehrere Wasserzapfstellen im Dorf. Das ist der höchste Luxus, den man hier erwarten darf.