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Wasser-Kunst
Pimp my Vogeltränke

Brunnen auf öffentlichen Plätzen haben oftmals etwas gemeinsam: Sie sind eher langweilig. Das Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe zeigt mit seiner Werkschau "Digitale Wasserspiele", dass das keinesfalls so sein muss.

Von Christoph Ohrem | 25.07.2016
    Paul DeMarinis (vorne) in seiner Installation "Rain Dance"
    Paul DeMarinis (vorne) in seiner Installation "Rain Dance" (Foto: Deutschlandradio - Christoph Ohrem )
    Den Regenschirm aufklappen. Rein in die Installation "RainDance". Düsen sprühen dünne Wasserstrahlen auf den durchsichtigen Regenschirm. Der wird zum Lautsprecher und spielt Mozart und Gene Kelley's "Singing in the rain". Zugegeben: Es klingt ein bisschen nach altem C64-Sound. Die Installation "RainDance" des Künstlers Paul DeManiris ist ein mit Kunstefeu verzierter fünf Meter langer Tunnel. Unter jeder der Wasser-Düsen an der Decke warten die Teilnehmer einen Moment und lauschen.
    "Diese Arbeit, anders als meine Anderen, möchte Menschen auf der Straße zufällig erreichen."
    Paul DeManiris schaut auf die lange Schlange der Wartenden auf dem betonlastigen Karlsruher Marktplatz. Ein ironisches Lächeln umspielt seine Lippen.
    "Es geht darum, Passanten für Kunst zu öffnen. Mit bekannten Melodien, die verschiedene Generationen für sich einnehmen. Die Bekanntheit hilft auch, über Fehler in der Wiedergabe hinwegzusehen."
    Der voll kontrollierbare Brunnen
    Die Düsen beeinflussen die Tropfgeschwindigkeit der Wasserstrahlen. Treffen 440 Tropfen pro Sekunde auf den Regenschirm, erklingt Kammerton A. Der Regenschirm vibriert in der Frequenz von 440 Hertz. Variiert die Geschwindigkeit, entstehen Tonabfolgen.
    Teil zwei der Werkschau "Digitale Wasserspiele" in Karlsruhe gibt sich avancierter. Im Foyer des Zentrums für Kunst und Medientechnologie, ZKM, steht ein riesiger schwarzer Kubus. Darin: die sogenannte "3D Wassermatrix".
    "So wie Künstler darauf gewartet haben, mit Licht arbeiten zu können. Wir müssen den Künstlern die Chance geben, mit Wasser arbeiten zu können."
    Kurator Peter Weibel sieht in dieser Apparatur den Brunnen 2.0. Jeder Wassertropfen ist exakt kontrollierbar. 900 Elektroventile steuern die Wasserbewegung. Von oben mit Licht und Stroboskop angestrahlt, unten in einem tischhohen Bassin aufgefangen. Es entsteht ein dreidimensionaler Wasservorhang. Dieses komplexe System ermöglicht faszinierende visuelle Effekte. Zum Beispiel, dass Wasser in Zeitlupe nach oben fließt. Richard Castelli hat diesen Wasserroboter konzipiert.
    "Das ist kein Kunstwerk, es ist nur ein Interface. Die vom Künstler programmierte Sequenz, wie das Wasser fällt, ist die Kunst."
    Zwei Werke existieren bislang für diese 3D-Wassermatrix. Shiro Takatani und Christian Partos heißen die Pioniere. Takatani hat in seiner Arbeit "Still" eine beeindruckend schöne sich stetig verändernde Skulptur geschaffen. Mal stürmisch, mal fein. Mal glitzernd wie ein Sternenhimmel erscheinen die einzelnen Tropfen, um am Ende des Stücks als glitzernder Vorhang gleißend aufzuleuchten.
    Bei Christian Partos "The Sorcerer's Apprentice" gab es technische Schwierigkeiten, weshalb die Installation abgebrochen wurde. Bei Prototypen sind technische Schwierigkeiten schwerer zu meistern. Solche kleinen Schwierigkeiten einmal beiseite gelassen. Ist das der Brunnen der Zukunft? Ein ästhetisches und technisches Konzept, dass wir unter Umständen bald auf den Marktplätzen der Welt antreffen werden?
    "Jede Stadt hat Hunderte Brunnen. Und die sind so langweilig, dass man sie gar nicht mehr sieht. Wir sind im 21. Jahrhundert dabei, eine neue Form von Brunnen zu erfinden. Die sind lebendig, die sind beweglich. Keine steinernen Monumente für die Ewigkeit, sondern hoch wartungsintensive lebende Wesen."
    Francis Castelli sieht das allerdings nicht für die Wassermatrix.
    "Es ist schwierig, das außen umzusetzen. Der Wind zerstört die meisten Formen. Außerdem muss es dunkel sein für das Stroboskop. Wir konzentrieren uns auf den Kunst-Aspekt. Und rufen jetzt nicht alle Welt an: Wollen Sie diesen neuen Brunnen?"
    Neue digitale Technologien machen es möglich, Wassertropfen sehr genau zu steuern. Seien es Soundspielereien wie bei DeManiris oder die Wasserskulpturen der "3D Wassermatrix". Daraus ergeben sich theoretisch für den öffentlichen Raum ganz neue Möglichkeiten, das ästhetisch so anspruchsvolle wie ergiebige Medium Wasser zu nutzen. In Zeiten knapper werdender Kassen allerdings dürfte praktisch die Installation eines sehr teuren Gerätes mit hohem Wartungsaufwand kaum realisierbar sein. Schade. Der Brunnen 2.0 wird wohl noch einige Zeit sein Dasein in Museen und Galerien fristen.
    Die digitalen Wasserspiele in Karlsruhe können noch bis zum 24. September besucht werden. Weitere Infos auf www.zkm.de