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Wasser marsch, wo Moor war

Die Torfböden von Mooren sind üppige CO2-Speicher. Trocken gelegte Moore aber setzen erhebliche Mengen des Treibhausgases in die Atmosphäre frei. Wissenschaftler prüfen deshalb, ob man den Spieß nicht umdrehen kann: Sie wollen Moore regenerieren, indem sie frühere Standorte wieder unter Wasser setzen. Die Hoffnung: Die Moore könnten wieder Torf bilden und so große Mengen Kohlendioxid aus Atmosphäre einlagern.

Von Volker Mrasek | 15.08.2007
    "Bernd, ich bring jetzt mal die Sonden. Bleib mal da, ich möchte in der Nähe der Dialyse-Sammler an der Probestelle messen."

    Ein flacher, ruhiger See in Mecklenburg-Vorpommern. Jörg Gelbrecht und sein Kollege Bernd Schütze müssen ein Stück raus ins Wasser. Der eine bevorzugt die dichte Anglerhose, der andere - Gelbrecht - schreitet barfuß zur Tat:

    "Sie müssen sich bei diesem Geräusch vorstellen: Vor drei Jahren waren hier noch Kühe und haben das Gras gefressen."

    Der See liegt im Peenetal und steht unter Dauerbeobachtung der Forscher. Gelbrecht und Schütze nehmen hier regelmäßig Proben. Beide arbeiten am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin:

    "Und wo vor drei Jahren noch Kühe drauf waren auf der Wiese, die ich selber noch gesehen habe, haben wir jetzt einen halben Meter Wasser. Und Wasserpflanzen, die wir sonst in Seen finden. "

    An diesem Standort an der Peene läuft ein besonderes Langzeitexperiment. Die frühere Viehweide liegt unter dem Meeresspiegel, ein Pumpwerk hielt sie einst trocken. Mittlerweile ist es abgestellt, die Fläche steht wieder unter Wasser. So wie früher, als hier noch ein Niedermoor existierte, gespeist vom Grundwasser. Dorthin wollen die Forscher zurück. Ihr Ziel: Aus dem trockengelegten Moor soll wieder ein intaktes werden:

    " "Das ist jetzt diese Entwicklung bei der Wiedervernässung von Mooren, die wir haben, dass sich erstmal Flachseen bilden. Zunächst erst tiefes Wasser, dann Flachgewässer, dann sehr viel Schlammbildung, und auf diesem Schlamm wachsen dann Moorpflanzen. Und dann etabliert sich ein neues Moor. Und dann kriegen wir eigentlich die Funktion zurück, die wir haben möchten."

    Bessere Verbündete im Kampf gegen den Klimawandel kann man sich kaum vorstellen: Naturmoore entziehen der Atmosphäre große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid, wenn sie intakt sind und wachsen. Denn dann wird ständig kohlenstoffreicher Torf neu gebildet. Umgekehrt entwickeln sich Moore zu starken CO2-Quellen, wenn man sie trockenlegt. Zusätzlich geht dann auch noch Lachgas in die Luft, ein weiteres Treibhausgas, das aus dem Stickstoff im Torfboden entsteht.

    "Unter entwässerten Zuständen kann ein solches Moor acht bis zehn Tonnen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr freisetzen. Und dadurch sind die deutschen Moore zu ungefähr zwei bis vier Prozent an der Gesamtemission Deutschlands beteiligt."

    So Jürgen Augustin vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg bei Berlin.

    Auch der Agrar-Ingenieur befasst sich mit Mooren. Sein Untersuchungsgebiet sind die Flusstäler Brandenburgs. Neuerdings gibt es sogar ein bundesweites Forschungsprojekt, in dem man sich die Frage stellt: Wie kann man Moore dazu bringen, dass sie wieder mehr CO2 aufnehmen statt es freizusetzen:

    "Jede Maßnahme der Wiedervernässung führt prinzipiell zu einer Verringerung des Treibhauseffektes. Das ist bei Hochmooren und inzwischen auch bei Niedermooren durch unsere eigenen Untersuchungen nachgewiesen. Kohlenstoff wird sehr schnell wieder gespeichert."


    "So, wir haben jetzt geprüft und kontrolliert, wie in diesem flachen See die Sauerstoff-Konzentrationen sind. Jetzt riechen wir aber auch schon richtigen Faulschlamm. Acht ... - das dauert noch: Acht Prozent Sauerstoff. Das ist natürlich sehr schlecht. Aber das kommt daher, dass wir hier auch lang gelaufen sind, den Schlamm aufgewirbelt haben."

    Es tauchen aber auch Probleme bei der Renaturierung auf. Nach den Analysen quillt sehr viel Phosphor ins Wasser, wenn die ausgetrocknete Moor-Deckschicht wiedervernässt wird. Angrenzende Bäche und Flüsse könnten durch den erhöhten Nährstoffeintrag umkippen. Im Faulschlamm entsteht zudem Methan, ein Treibhausgas. Für Wasserchemiker Gelbrecht sind aber schon Lösungen in Sicht:

    "Das ist eine neuere Überlegung, dass wir diese Bodenschicht, die jetzt diese vielen Nährstoffe hat, die auch die Fähigkeit hat, bei der Wiedervernässung so viel Methan freizusetzen, dass man die entfernt und das vielleicht auch ökonomisch nutzen kann."

    Welche Moore in Deutschland revitalisiert werden können, wo überhaupt die Grundwasserstände noch hoch genug sind - das wollen Jürgen Augustin und seine Kollegen in dem laufenden Klimaforschungsprojekt genau überprüfen:

    "Wir können das heute noch nicht sagen, aber wir meinen schon, dass wir einen erheblichen Anteil dieser zwei bis vier Prozent an der deutschen Treibhaus[gas]-Emission mit Hilfe dieser Maßnahmen verringern können."

    Gelbrecht: "Bernd, mir ist das Wasser hier eben ausgeschwabbelt. Haben wir noch was mit?"