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Wasserflöhe als Chemikalientester

Nanopartikel sind 1000-mal dünner als ein Menschenhaar. Kleinste chemische Teilchen, die Hersteller von Kosmetik, Farben oder auch Lebensmitteln einsetzen, um ihre Produkte zu verbessern. Sie sind jedoch nicht unproblematisch. Umweltwissenschaftler haben Wasserflöhe als Testobjekte eingesetzt.

Von Ludger Fittkau | 19.11.2012
    Wasserflöhe sind bedeutend für die Nahrungskette von Seen und Teichen, sind einfach zu züchten und reagieren empfindlich auf Schadstoffe. Deshalb werden sie routinemäßig in Tests eingesetzt, mit denen die Giftigkeit neuer künstlicher Stoffe geprüft wird. Mögliche Auswirkungen dieser Stoffe lassen sich einfach und schnell über die Bewegungsfähigkeit der Wasserflöhe feststellen. Beim Nanopartikel Titandioxid wurden solche Tests aber bisher in der Regel lediglich in einer Generation von Wasserflöhen durchgeführt, so Prof. Ralf Schulz vom Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. Sein Team testete nun die Auswirkungen des Stoffes auch auf nachfolgende Wasserfloh-Generationen.

    "Ja, wir haben eine Studie durchgeführt und haben dort für Wasserflöhe, das ist eine bekannte Testart für die Untersuchung von Gewässern und Chemikalien. Da haben wir Untersuchungen gemacht und haben die Elterntiere mit Titandioxid behandelt. Und haben dann festgestellt, dass die Jungtiere dieser Elterntiere, die selber nie mit Titandioxid in Berührung waren, dort eine höhere Empfindlichkeit gegenüber diesen Nanopartikeln dann haben."

    Die Wasserflöhe häuteten sich nicht mehr wie sonst oder starben. Und dies, obwohl sie anders als ihre Eltern niemals jemals direkt mit den Nanopartikeln in Berührung gekommen waren. Es müsse also eine Übertragung der Schädigung von den Eltern auf die nachfolgenden Generationen stattgefunden haben, so Umweltwissenschaftler Ralf Schulz. Auch wenn man wissenschaftlich noch nicht sagen könne, ob und wie sich das über die Nahrungskette auf den Menschen auswirke: Bedenklich sei dieser Befund schon, weil Titandioxid in der Industrie breit eingesetzt werde, so der Landauer Biologe.

    "Es ist eines der am häufigsten eingesetzten Nanopartikel – oder synthetischen, anorganischen Nanopartikel. Es findet in ganz vielen Bereichen wie Farben oder Kosmetika Anwendung. Im Endeffekt, alles was weiß sein soll, ist ganz häufig mit Titandioxid versetzt. Damit ein weißer, strahlender Glanz vorhanden ist."

    Die Landauer Umweltwissenschaftler glauben, dass nach ihren Befunden die bisherigen Standard-Testverfahren im Hinblick auf die Giftigkeit von Nanopartikeln überprüft werden müssten. Die Zulassungsbehörden sollten sich zügig für eine Weiterentwicklung und Einführung angepasster Tests einsetzen, um auch langfristige Risiken zuverlässiger bewerten zu können, fordert Ralf Schulz. Schließlich gelangten Nanopartikel dauerhaft in die Umwelt. An ein grundsätzliches Verbot von Titanoxid denke er bisher nicht, so Schulz. Eher schon an mögliche Vorkehrungen, um zu verhindern, dass der Stoff in Gewässer gelangt.

    "Nein, an ein Verbot würde ich auf keinen Fall auf der Basis jetzt dieser Ergebnisse denken wollen. Aber man müsste sicherlich zum einen sagen, man muss in der Zukunft vielleicht bei der Testung und Risikobewertung von Nanomaterialien solche Mehrgenerationen-Tests einbeziehen und schauen, was die Effekte in der nächsten Generation sind. Und man muss auf der anderen Seite jetzt doch konkret für Titandioxid schauen, ob diese Effekte, die wir gefunden haben, die schon in relativ geringen Konzentrationen waren, dazu führen, dass man dort zu einer Beurteilung kommt, dass ein Umweltrisiko vorliegt und man eventuell weitere Maßnahmen vorbereiten müsste, um Gewässer vor den Einträgen zu schützen."