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Wassermangel
Tunesien kämpft gegen die Trockenheit

Monatelang hat Tunesien auf Regen gewartet. Jetzt schüttet es zwar in manchen Regionen ohne Ende, aber der Schaden auf den Feldern ist längst entstanden. Und nicht nur dort: Auch in den Städten macht sich die Wasserknappheit bemerkbar. Der Wassermangel trifft dort auf eklatante Mängel in der Infrastruktur.

Von Jens Borchers | 29.09.2016
    Eine Olivenplantage bei Siliana in Tunesien.
    Eine Olivenplantage bei Siliana in Tunesien. (imago/Herb Hardt)
    Die Region zwischen den Orten Jendouba und Kef galt einmal als die Kornkammer Tunesiens. Jetzt stehen die Bauern dort im Nordosten Tunesiens vor trockenen Feldern. Der Stausee in der Nähe hat kaum noch Wasserreserven und auf den gut 100 Hektar Feldern, die Bauer Ali bewirtschaftet, kommt Wasser nur noch sporadisch an: "Die Wasserzufuhr ist unterbrochen. Dahinten ist der Stausee und der ist auch am Ende. Da ist auch kein Wasser mehr drin."
    Sein Nachbar, der Bauer Moncef Abidi, versucht aus seinen 60 Hektar Anbaufläche, irgendwie noch eine vernünftige Ernte rauszuholen. Viel Hoffnung hat Abidi nicht mehr. Das Problem mit der Wasserversorgung ist nicht neu in dieser Gegend, sagt Bauer Abidi. Aber der Staat investiere nicht. Wenn überhaupt Wasser komme, dann sei es verdreckt.
    In der Hauptstadt Tunis sagt der zuständige Staatssekretär, das Land erlebe in diesem Jahr eine ungewöhnliche Trockenheit. Die Wasserreserven seien im Vergleich zum Vorjahr 40 Prozent niedriger. So etwas habe Tunesien zuletzt Anfang der 90er-Jahre erlebt.
    Der Wassermangel hat konkrete Folgen: Die Gewerkschaft für Landwirtschaft und Fischerei hat errechnet, dass sich die Verluste der tunesischen Landwirtschaft auf wahrscheinlich 800 Millionen Euro summieren werden. Viele Bürger klagen darüber, dass sie zeitweise überhaupt kein Wasser mehr bekommen. Der zuständige Staatsbetrieb kappt die Zufuhr: Mal für Stunden, mal für mehrere Tage.
    Die Landwirtschaft verbraucht 80 Prozent des Wassers
    Dass es zu wenig regnet, ist ein Grund dafür. Der allmähliche Klimawandel vielleicht ein weiterer. Aber die wichtigsten Ursachen liegen im Umgang mit dem Wasser und in der maroden Infrastruktur Tunesiens. Zehn bis 30 Prozent des Wassers gehen im überalterten staatlichen Leitungssystem verloren. Gleichzeitig steigt der Wasserverbrauch pro Kopf in Tunesien jedes Jahr um durchschnittlich vier Prozent.
    Safouene Alayet arbeitet bei einer tunesischen Umweltorganisation, die sich seit Jahren mit dem Wasserproblem befasst. Regenmangel, Klimawandel, marode Infrastruktur – alles gut und schön, sagt Alayet: "Man kann die Verantwortung wohl aufteilen. Es gibt große Verluste im Wassernetz, aber die Bürger sparen auch kein Wasser. Es gibt keine Strategie für sparsamen Umgang mit Wasser, keine Kampagnen in den Medien, die sich mit diesem Problem befassen."
    Verschwenderischer Umgang mit dem Wasser - das gilt in Tunesien wohl für viele Verbraucher. Die Landwirtschaft konsumiert 80 Prozent des jährlichen Wasserverbrauchs. Dort sind effiziente Tröpfchen-Bewässerungsanlagen die Ausnahme und nicht die Regel. Etwa 15 Prozent Wasser verbrauchen die privaten Haushalte. Da gäbe es viel Einsparpotenzial.
    Im Nordosten, in der Region zwischen den Orten Jendouba und Kef, rufen die Bauern aber vor allem nach staatlichen Investitionen. In Pumpen, ins Leitungssystem. Und in den Städten pochen viele auf die Verfassung des Landes: Da steht drin, dass die Tunesier ein Recht auf Wasser haben. Das wird gerne betont. In der Verfassung ist aber noch etwas zu lesen: Dass sowohl die Regierung als auch die Bürger sparsam mit Wasser umgehen sollen.