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Wasserstandsmeldung aus dem All

Hydrologie. - Rund ein Fünftel der weltweiten Süßwasservorräte stecken in der Erde. Hydrologen schätzen die Menge des Grundwassers global auf 10 Millionen Kubikkilometer. Sie genau zu erfassen ist allerdings sehr schwer. Zumindest die großräumigen Veränderungen der Grundwasserstände lassen sich seit rund zehn Jahren anhand von Satellitenmessungen erkennen. Die Bilanz fällt negativ aus.

Von Lucian Haas | 14.06.2013
    Seit 2002 kreist die Satellitenmission Grace über der Erde. Sie vermisst die regionalen Schwankungen der Erdanziehungskraft. Da diese von den lokal vorhandenen Massen abhängt, erlaubt Grace auch Rückschlüsse auf steigende oder fallende Grundwasserpegel. Dort wo Wasser in größeren Mengen aus dem Untergrund verloren geht, nimmt die Schwerkraft nachweisbar ab. Die bisher aufgenommenen Langzeit-Messreihen verheißen nichts Gutes.

    "Ich denke die Menschen verstehen noch gar nicht, in welcher unheilvollen Situation sich die Welt befindet. Die Grace-Mission zeigt, dass sinkende Grundwasserspiegel heute ein globales Phänomen darstellen. Grundwasser geht überall auf der Welt verloren, vor allem in den trockenen und semiariden Regionen. Wir müssen so schnell wie möglich aktiv werden, um die Grundwasserreserven langfristig zu erhalten."

    James Famiglietti ist Hydrologe an der University of California. Er war einer der ersten, der schon vor Jahren den Wert der Grace-Daten für das Wassermanagement erkannte. Denn durch die großräumigen Messungen aus dem All lassen sich die Wassermassen im Untergrund viel besser bilanzieren.

    "Aus erdgebundenen Messdaten allein lässt sich kaum ein genaues Bild der Grundwasserverluste gewinnen. Meistens werden Grundwasserdaten von unterschiedlichen Behörden zu unterschiedlichen Zeiten erfasst und an unterschiedlichen Stellen archiviert. Deshalb ist es selbst an vielen Orten, von denen wir wissen, dass dort die Grundwasserspiegel sinken, sehr schwer, den Verlust zu quantifizieren."

    Anhand der Analyse von zehn Jahren Grundwasserdaten aus dem All kommt James Famiglietti zu dem Schluss: In vielen Regionen der Erde liegen die Wasserverluste deutlich höher als das, was offizielle Statistiken bisher ausweisen. Besonders betroffen sind der Nordwesten Indiens, der Norden Chinas, der Mittlere Osten, Südspanien und einige Regionen der USA. Dort wird Grundwasser für die Bewässerung der Landwirtschaft eingesetzt. Es sei wichtig, bessere Managementsysteme für die Grundwassernutzung aufzubauen, die auch die Grace-Messungen mit einbeziehen, so Famiglietti. Die Satellitendaten könnten aber noch andere hydrologische Hilfestellungen bieten.

    "Grace hat eine große Vorhersagekraft. Grundwasserstände verändern sich eher langsam. Darum sind sie leichter berechenbar. Wenn wir Grace-Daten in die Modelle für Flut- und Dürreprognosen integrieren würden, gäbe uns das einen größeren Vorlauf. Wir könnten uns besser Vorbereiten auf zu erwartende Überschwemmungen oder Trockenheit."

    Bisher geben die Grace-Daten solche Analysen allerdings nur in Ansätzen her. Die räumliche Auflösung ist zu grob.

    "Es wäre ein Segen für die Wasserwirtschaft, wenn künftige Grace-Missionen ihre Informationen in höherer räumlicher und zeitlicher Auflösung liefern könnten. Etwa Messdaten im Bereich von zehntausenden anstatt den hunderttausenden Quadratkilometern wie wir sie derzeit bekommen. Und wöchentliche Daten wären besser als die aktuellen monatlichen Werte."

    Bis es soweit ist, wird sich James Famiglietti noch etwas gedulden müssen. 2017 will die Nasa Grace-FO starten. FO steht für Follow-On-Mission. Technisch entspricht sie aus Kostengründen weitgehend dem Vorgängermodell. Frühestens in den 2020er Jahren könnte ein aufgerüsteter Grace-Nachfolger im Orbit den Hydrologen die erhofften feineren Abschätzungen der Wassermassen im Untergrund ermöglichen.