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Wasserstoffbusse für Rhein-Main
Aufbruch ins H2-Zeitalter

Öffentlicher Nahverkehr ganz ohne Emissionen: Eine EU-Förderinitiative will bis 2020 mehr als 500 Brennstoffzellen-Busse europaweit auf die Straße bringen. Elf wasserstoff-getriebene Busse sollen sogar schon ab 2018 im Rhein-Main-Gebiet fahren. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.

Von Anke Petermann | 04.08.2017
    Birgit Scheppat,Professorin für Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie, begleitet das Projekt.
    Wasserstoff-betriebene Busse könnten eine langfristige Alternative zu Elektroautos sein, die mit herkömmlichen Batterien betrieben werden. (Deutschlandradio / Anke Petermann)
    "Sie hören jetzt das leichte Rauschen von den Lüftern."
    Nahezu lautlos kurvt Matthias Werner im offenen Brennstoffzellen-Zweisitzer über den Rüsselsheimer Campus rund ums Wasserstoff-Labor der Hochschule Rhein-Main.
    "Man hört die Dinger nicht mehr. Egal ob hier PKW oder Bus oder was auch immer - ein Bus ist nicht viel lauter als das", ergänzt Birgit Scheppat. Die Professorin für Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie begleitet das Projekt namens "H2-Bus Rhein-Main" wissenschaftlich. Und mit Euphorie. Denn im Wasserstoff sieht die Forscherin die Lösung für die Probleme der bisher üblichen Elektro-Fahrzeuge, die auf schwere Batterien angewiesen sind. Diese haben zu geringe Reichweiten, und müssen häufig und lange nachgeladen werden. Solche Probleme müssen die Verkehrsbetriebe von Mainz, Wiesbaden und Frankfurt beim Einsatz der elf H2-Busse ab 2018 nicht fürchten – obwohl auch sie mit einem Elektromotor fahren. Doch der Strom kommt hier aus einer Brennstoffzelle. Dort wird das klassische Elektrolyse-Verfahren, wie man es aus dem Chemieunterricht kennt, quasi umgekehrt. Der Wasserstoff, den die Busse künftig in Plastiktanks auf dem Dach mitführen, reagiert darin mit Sauerstoff aus der Luft. Der dabei entstehende Strom wird in einer Batterie zwischengespeichert und treibt dann den Elektromotor an.
    Deutliche Vorteile
    Im Vergleich zu rein batteriebetriebenen Elektromobilen ist die Batterie im H2 Bus nur ein Viertel so schwer.
    "Wir haben eine Batterie und eine Brennstoffzelle, und die werden miteinander verheiratet", kommentiert Birgit Scheppat. "Die Vorteile von beiden Technologien kommen zum Tragen. Die Batterie sorgt dafür, dass Sie immer eine Super-Mobilität haben. Die Batterie wird von der Brennstoffzelle immer voll gehalten. Denn wenn sie nicht voll ist, bedeutet das, dass sie Verluste hat und anfängt zu altern. Und hier können wir dafür sorgen, dass sie sich immer in ihrem Wohlfühlbereich befindet, dafür sorgt dann die Brennstoffzelle."
    Rund 350 Kilometer Reichweite
    Und garantiert damit, dass der H2-Bus auch im eisigsten Winter in Wiesbaden den steilen Taunushang hoch zum Bundeskriminalamt schafft. Dabei laufen Heizung und GPS, ohne dass ein Diesel-Aggregat zugeschaltet werden muss, wie bei manchen rein batterie-elektrischen Bussen. Der H2-Bus läuft abgasfrei,:
    "Da kommt nur Wasser hinten raus, und das sammelt man und kann es in den Ausguss kippen, mehr ist nicht."
    Rund 350 Kilometer Reichweite schafft ein Wasserstoffbus mit einer 35 Kilo-Tankfüllung. Birgit Scheppat greift nach dem Stutzen der Zapfsäule im Rüsselsheimer Wasserstofflabor, die Tank-Kühlung brummt.
    "Wenn Sie mit einem Fahrzeug an die Tankstelle fahren, sind Sie nach fünf Minuten betankt, wenn Sie mit einem Wasserstofffahrzeug an eine Tankstelle fahren, dann ist das genauso. Wenn Sie aber mit einem batteriebetriebenen Auto fahren, dann brauchen Sie bei einer Schnellladung ungefähr 20 Minuten."
    Mit Wasserstoff geht es zügiger. Doch weil das Gas leicht und reaktionsfreudig ist, muss es unter Druck und extrem kühl gelagert werden, das ist energie-aufwendig und teuer. Ein lösbares Problem, meint Professor Scheppat. Sauber, schnell zu betanken, große Reichweite – diese Vorzüge veranlassten die Städte Mainz, Wiesbaden und Frankfurt, sich um die EU-Förderung von 200.000 Euro pro H2-Bus zu bewerben. Beim Bund sind weitere Mittel beantragt, auch die Länder Hessen und Rheinland-Pfalz beteiligen sich an dem Projekt zum emissionsfreien Nahverkehr. Mit einem Preis zwischen 650.000 und 900.000 Euro je nach Größe ist ein Wasserstoffbus in etwa doppelt so teuer wie ein neuer Diesel, bedauert die Mainzer Verkehrsdezernentin Katrin Eder.
    "Wir hätten das nie finanzieren können als Stadt Mainz allein oder mit Wiesbaden zusammen. Und insofern: Auch noch mal mit Frankfurt zusammenzulegen und zu sagen, über eine größere Charge bekommt man da bessere Bedingungen, das ist natürlich ein modellhafter Weg."
    Modellhaft auch das sogenannte "Power to gas"-Projekt im Energiepark Mainz-Hechtsheim, wo "aus Windenergie Wasserstoff erzeugt wird. Insofern bietet sich das an: Regional gewonnener Strom wird dann für Fahrzeuge verwendet, die auch regional hier in der Stadt herum fahren", so die grüne Dezernentin. Nachhaltig erzeugter Wasserstoff aus Windkraft-Überschüssen – das ist in Deutschland einmalig. Die Rüsselsheimer Brennstoffzellen-Expertin Birgit Scheppat wünscht sich, dass H2 bald nicht nur Busse in Rhein-Main und bundesweit emissionsfrei antreibt, sondern auch den Schwerlast- und den Bahnverkehr.