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Wasserversorgung
Der Durst des Keltischen Tigers

Als Folge der Wirtschaftskrise zentralisierte die Regierung die bisher lokal verwaltete Wasserversorgung in einem nationalen Wasserwerk namens Irish Water. Das war 2010. So entstand ein übergroßer Betrieb, der sich wie ein Elefant im Porzellanladen benahm - und Proteste provozierte.

Von Martin Alioth | 19.11.2014
    Wir werden nicht bezahlen, skandieren aufgebrachte Demonstranten gegen die geplante Abgabe auf Trinkwasser. Und das im bisher duldsamen, ja lammfrommen Irland. Schon zum Ausklang des letzten Jahrhunderts hatte eine irische Regierung versucht, Gebühren für Trinkwasser zu erheben. Einige Grafschaften taten das auch für ein paar Jahre, dann blieben die bescheidenen Rechnungen aus. Erst unter dem Einfluss der internationalen Gläubiger, der Troika, die dem Land Ende 2010 riesige Notstandskredite gewährten, kam das Thema wieder auf die Tagesordnung. Die Regierung zentralisierte die bisher lokal verwaltete Wasserversorgung in einem nationalen Wasserwerk namens Irish Water und begann, Wasseruhren in Privathäusern einzubauen.
    Premierminister Enda Kenny rechtfertigte den Schritt im Parlament: Es gelte in allen Landesteilen. Irgendjemand müsse für das Wasser bezahlen.
    Doch die irische Bevölkerung hat die Nase voll. Nach sieben Jahren Sparpolitik, Steuererhöhungen, Lohnsenkungen und Leistungsabbau war das buchstäblich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Über Hunderttausend gingen zu Beginn dieses Monats auf die Straße, um gegen die zusätzliche Abgabe zu protestieren. Manche beriefen sich auf Prinzipien, viele machten schlicht geltend, sie hätten nichts mehr zu geben.
    In den letzten Tagen allerdings nahm der Widerstand hässliche Züge an. Ein Minister erhielt eine Bombendrohung, die Mannschaften von Irish Water wurden bedroht, die Vizepremierministerin Joan Burton von der Labour-Partei beschimpft: Burtons Dienstwagen wurde in einer Dubliner Vorstadt zwei Stunden lang festgenagelt – mit der Ministerin an Bord. Sie selbst erhielt einen mit Wasser gefüllten Luftballon ins Genick.
    Die Ministerin beschrieb am letzten Sonntag – am Tag danach – wie die Demonstranten versucht hätten, ihr Auto umzukippen. Sie beschuldigte einen neuen sozialistischen Abgeordneten, die Menge angefeuert zu haben. Der ließ das nicht auf sich sitzen: Die Ministerin lüge. Sie versuche, friedfertige Proteste zu dämonisieren, weil sie nicht verstehe, wie aufgebracht die Bewohner der Arbeiterviertel seien.
    Niemand – nicht einmal die Regierung – bestreitet, dass das Vorhaben so ungeschickt wie möglich angegangen wurde. Im Verlauf der Zentralisierung des Wasserwerks wurden sämtliche bisherigen Angestellten übernommen; so entstand ein übergroßer Betrieb, der sich wie ein Elefant im Porzellanladen benahm. Erst gestern gab Irish Water bekannt, die geplanten Bonus-Zahlungen für ihre Angestellten seien erst mal gestrichen worden. Das ist Teil des hastigen Rückzugs der Regierung.
    Heute wird das Kabinett diese Kehrtwende besiegeln. Die ersten Rechnungen kommen nicht im Januar, sondern im April, die Gebühr bleibt drei oder gar vier Jahre lang pauschal, also nicht verbrauchsabhängig. Und jede Haushaltung erhält hundert Euro Rabatt. Die Rechnung für ein Einfamilienhaus soll sich auf netto 176 Euro pro Jahr belaufen.