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Web-Index
Das Netz schaut zu

Die Online-Zensur ist auf dem Vormarsch. Das Risiko, überwacht zu werden, nimmt zu. Mehr als 60 Prozent der Weltbevölkerung haben noch keinen Internet-Zugang: Das stellt der "Web-Index 2014-15" fest. Aber: Vielerorts fördert das Web trotz allem die Zivilgesellschaft.

11.12.2014
    Eine Minifigur eines Polizisten auf der Tastatur eines Rechners
    Staatliche Zensur: Der Web-Index bringt ernüchternde Ergebnisse (picture-alliance / dpa / Jens Büttner)
    Der "Web-Index" wird von der "World Wide Web Foundation" herausgegeben. Dahinter steht einer der Erfinder des Internets, Tim Berners-Lee. Der Index schildert die Lage in 86 Ländern weltweit. In der Pressemitteilung der Stiftung finden sich fast ausnahmslos mahnende Worte.
    Demnach ist die rechtliche Lage bedenklich: In den meisten Ländern sind die Gesetze für einen Schutz vor Massenüberwachung "sehr schwach" oder schlicht gar nicht vorhanden. Auch die Zensur hat zugenommen - betroffen von "moderater oder umfangreicher" Zensur sind inzwischen fast 40 Prozent der Länder (vor einem Jahr waren es noch weniger als ein Drittel).
    Netzneutralität? Fehlanzeige.
    Ebenso unerfreulich: Dem Index zufolge ist das Ideal der Netzneutralität bislang noch ein schöner Traum. Nur ein Viertel der Länder setzt demnach klare Regeln, um kommerzielle und politische Diskriminierung im Netz zu unterbinden. Nicht viel besser sieht es aus bei geschlechtsbezogener Gewalt: In drei Viertel aller Länder (und nicht nur in den ärmeren) "versagen die Exekutivorgane und Gerichte", effektiv gegen diese Form von Gewalt vorzugehen.
    Und noch eine Botschaft, die nicht gerade Freude macht: Fast 60 Prozent der Weltbevölkerung kann das Internet nicht nutzen, das sind 4,3 Milliarden Menschen. Weitere 1,8 Milliarden müssen mit Einschränkungen leben, was ihr Recht auf Meinungsfreiheit und Privatsphäre angeht.
    Skandinavien ganz vorn, Deutschland nicht
    Deutschland liegt im Webindex auf Platz 14. Ganz vorn bei den Ländern mit hohen Einkommen sind fast alle skandinavischen Staaten: Dänemark, Finnland und Norwegen stehen an der Spitze. Sie haben es am besten geschafft, das Netz für den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Fortschritt zu nutzen.
    Bei den mittleren Einkommen liegen Ungarn, Argentinien und Costa Rica vorn, in den ärmeren Ländern steht Kenia vor Bangladesch und Uganda.
    Das Internet als Menschenrecht
    Tim Berners-Lee selbst hat zu den Ergebnissen eine Stellungnahme abgegeben, die seine Vision vom Netz in Worte fasst.
    "Es ist an der Zeit, das Internet als ein grundlegendes Menschenrecht anzuerkennen. Dies bedeutet, einen garantierten und preiswerten Zugriff für alle; die Sicherstellung, dass Internetpakete ohne kommerzielle oder politische Diskriminierung bereitgestellt werden und den Schutz der Privatsphäre sowie der Meinungsfreiheit aller Webbenutzer unabhängig von ihrem Wohnort."