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Internetprotokoll Version 4 soll (nicht) in Rente gehen

Das Internet Engineering Task Force (IETF) ist ein offener Zusammenschluss von rund 1.400 Netzwerkspezialisten weltweit. Nun traf man sich zur 96. Tagung. Ein Thema ist das Internetprotokoll Version 6, kurz IPv6. Das setzt sich nicht so recht durch, obwohl die Version 4 (IPv4) an seine Grenzen stoßen könnte. Aber nicht alle wollen IPv4 für historisch erklären.

Uli Blumenthal im Gespräch mit Manfred Kloiber | 22.07.2016
    Auf einem Computerbildschirm ist am Donnerstag (03.02.2011) in Berlin der Schriftzug "IP-Adresse" zu lesen.
    Weil die Anzahl der freien Adressen für Geräte mit Netzanschluss begrenzt und zu knapp war, wird das Internet-Protokoll auf eine breitere Basis gestellt: Aus IPv4 wird IPv6. (picture alliance / dpa / Franz-Peter Tschauner)
    Ein thematischer Dauerbrenner in diesem Gremium ist das Internetprotokoll Version 6, kurz IPv6. Schon 1998 wurde es von der IETF normiert, weil die Angst umgeht, dass das alte Protokoll IPv4 das Internet an Kapazitätsgrenzen bringen würde. Doch der Nachfolger stößt auf wenig Gegenliebe. Die Diskussion um IPv6 gegen IPv4 wurde nun in Berlin neu entfacht. Moderator Uli Blumenthal hat sich mit dem DLF-Computer-Experten Manfred Kloiber darüber unterhalten.
    Uli Blumenthal: Manfred Kloiber, worum geht es in der Diskussion?
    Manfred Kloiber: Es geht um das sogenannte Internetprotokoll, dass bestimmt, nach welchen Regeln das Netz technisch organisiert ist. Ein Kernelement darin ist die sogenannte IP-Adresse, die Rechner – vergleichbar mit den Telefonnummern – adressierbar macht. Zwei Versionen davon wurden standardisiert. Nämlich IPv4 im Jahre 1981 und IPv6 im Jahre 1998.
    Blumenthal: Und wo drüber wird gestritten?
    Kloiber: Über einen Vorschlag, den der amerikanische Netzwerkspezialist Lee Howard schon im Frühjahr gemacht hat: Die IETF möge doch endlich IPv4 offiziell als historisch erklären. Schließlich sei IPv6 jetzt lang genug auf dem Markt, es sei technisch das bessere Protokoll. Und wenn man es als Nachfolger von IPv4 ins Leben gerufen habe, dann müsse konsequenterweise der Vorgänger jetzt endlich abtreten. Gegen diesen konkreten Vorschlag gab es in Berlin Widerspruch und das wurde diskutiert.
    Blumenthal: Was sind die Argumente der Gegner einer Historien-Lösung?
    Kloiber: Geoff Houston, ein erfahrener australischer Internet-Ingenieur, sagte mir, es sei doch totaler Quatsch ein Protokoll, über das schätzungsweise 10 Milliarden PCs, Smartphones oder Tablets und an die 30 Milliarden sonstiger Geräte mit Netzwerkanschluss kommunizierten, für Tod zu erklären. Die Anhänger von IPv6 sollten einsehen, dass sie zwar die technisch bessere Lösung hätten, IPv4 aber immer noch gut sei und einfach stabil laufe.
    Blumenthal: Aber warum müssen sich die Experten überhaupt streiten? Bislang wurde doch immer behauptet, die rund 3,4 Milliarden Internet-Adressen Version 4 seien alle vergeben, deswegen müsse man früher oder später auf IPv6 mit seinen Trillionen an Adressen umschwenken. Alles nur eine Frage der Zeit…
    Kloiber: Ja, das dauert aber und die Anhänger von IPv6 erkennen wohl, dass das so verkürzt auch nicht stimmt. Und deshalb wollen sie mit Normierungstricks ihr neues Protokoll durchsetzen. Sie hoffen, wenn IPv4 für tot erklärt wird, dann wird es auch technisch abgehängt und dann entstehe wieder mehr Druck auf die Netzbetreiber, endlich IPv6 flächendeckend einzuführen.
    Blumenthal: Aber de facto sind die Internet-Adressen bei IPv4 doch alle vergeben und das Internet der Dinge, das ja Zahnbürsten, Autos oder Verkehrsampeln vernetzen soll, das schreit doch nach mehr. Daher kommt doch der Druck.
    Kloiber: Viele Dienstleistungen und Angebote im Internet der Dinge, etwa die vielen Smart-Home Lösungen, die funktionieren am lukrativsten für die Anbieter über sogenannte Service-Plattformen. Und in diesem Kommunikationsmodell brauchen die Dinge keine eigene öffentliche Internetadresse. Das ist sogar eher störend, weil IPv6 für den normalen User viel zu komplex ist. Da fehlt also der Druck. Und auch die Netzbetreiber sehen in vielen Ländern – Deutschland ist hier übrigens eine Ausnahme – keinen großen Anreiz, das viele Geld für die Umstellung auf IPv6 zu investieren. Auf der anderen Seite entsteht ein lukratives Nebengeschäft. Denn IPv4-Adressen sind zum Spekulationsobjekt geworden. Als Mangelware werden sie jetzt an elektronischen Börsen gehandelt. Auch diese Kreise zählen darauf, dass IPv4 noch lange am Leben bleibt.
    Blumenthal: Auf der Tagung der Internet Ingenieure diese Woche in Berlin wurde wieder einmal über IPv6 diskutiert. Manfred Kloiber war das. Und mehr zu dieser Tagung hören sie morgen um 16:30 Uhr in Computer und Kommunikation.