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"Weckruf für alle Liberalen"

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Holger Zastrow macht das Wahlsystem und die Person Horst Seehofer für das schlechte Wahlergebnis der FDP in Bayern verantwortlich. Es sei schwer, gegen einen so "talentierten Populisten" wie Seehofer anzutreten. Bei der Bundestagswahl sei aber wieder alles "auf Null" gesetzt.

Holger Zastrow im Gespräch mit Bettina Klein | 16.09.2013
    Bettina Klein: Und wir schauen gleich um 6:49 Uhr hier im Deutschlandfunk noch einmal auf die Reaktionen nach dem gestrigen Wahltag in Bayern. Die CSU hat mit 47,7 Prozent dort wieder die Möglichkeit, allein zu regieren.
    Am Telefon begrüße ich Holger Zastrow, er ist stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP und Landeschef in Sachsen. Guten Morgen!

    Holger Zastrow: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Die FDP ist gestern nicht nur aus der Regierungsverantwortung in Bayern herausgewählt worden, sondern raus aus dem Landtag. Wie groß ist der Schaden für die FDP, Herr Zastrow?

    Zastrow: Das ist auf jeden Fall unendlich traurig. Gerade als Landespolitiker weiß ich, wie unsere bayerischen Freunde gekämpft haben. Die haben eine gute Politik gemacht. Dass Bayern so gut dasteht, hat auch was mit der FDP-Regierungsbeteiligung zu tun. Dass Martin Zeil und Thomas Hacker dann die Früchte nicht ernten konnten, ist schon dramatisch und das ist ein schlechter Tag für die FDP gewesen.

    Klein: Woran hat es denn gelegen, nicht die Erfolge der Landespolitik, die ja offenbar aus Sicht der Wähler vorhanden waren, auch der FDP anschreiben zu lassen?

    Zastrow: In Bayern, wie hat Philipp Rösler so schön gesagt, ticken die Uhren offensichtlich ein bisschen anders.

    Klein: Aber was heißt das, Herr Zastrow?

    Zastrow: Ich bin kein Bayer, da müsste man mal einen Bayern fragen.

    Klein: Das klingt ein bisschen nach Ausrede: In Bayern ist sowieso was anderes und da müssen wir gar nicht so traurig sein.

    Zastrow: Es ist für einen kleineren Koalitionspartner immer ein bisschen schwer, das kenne ich auch, die eigenen Erfolge und den eigenen Anteil an einem guten Ergebnis eines Landes herauszustellen, und das ist umso schwerer, wenn man es mit so einem talentierten Populisten wie Herrn Seehofer zu tun hat. Unsere Leute dort sind einfach zu anständig.

    Klein: Aber war es denn nur ein Personalproblem?

    Zastrow: Nein. Wir haben ein richtig gutes Team dort, das ist gar keine Frage. Aber man muss sehen: Ich glaube, man muss mehr angreifen, man muss dort auch über Grenzen hinausgehen. Das macht eine FDP traditionellerweise nicht. Wir sind halt eine Partei, die auf Vernunft und auf Argumente setzt, und das hat diesmal leider nicht so richtig funktioniert.

    Klein: Aber, Herr Zastrow, eines stimmt ja, was Peer Steinbrück gestern Abend gesagt hat: Es ist die 13. Landtagswahl, bei der das Regierungsbündnis aus Union und FDP nicht bestätigt wurde. Ist das nicht ein lauter Warnschuss für Sie?

    Zastrow: Wir haben als FDP mit Sicherheit darunter gelitten, dass es in Bayern ein ganz anderes Wahlsystem gibt. Das kann man auch mit der Bundestagswahl am Sonntag nicht vergleichen. Das ist eine neue Wahl, da wird wieder alles auf null gesetzt und genau für diese Wahl haben wir Chancen, weil ich glaube schon, dass es ein Weckruf für alle Liberalen in Deutschland ist und jeder überlegen wird, ob er am Montag in dem Land, was das erfolgreichste in Europa ist, aufwachen will, oder in einer anderen Republik, und das droht, wenn die FDP die Zweitstimmen nicht bekommt.

    Klein: Dann bleiben wir bei diesem Stichwort Zweitstimmen-Kampagne. Die Union reagiert darauf in der Weise, dass sie sagt, bitte reagiert darauf nicht, liebe Wählerinnen und Wähler, sondern gebt uns, der Union, euere Stimme, eure Zweitstimme, die ja letztendlich über die Zusammensetzung des Parlamentes entscheidet. Wie erfolgreich ist diese Idee?

    Zastrow: Wir werden das machen, wir werden eine deutschlandweite Zweitstimmen-Kampagne machen, ganz klar, und das, was die Union da tut, ist natürlich nicht besonders schlau, denn in Berlin ist die Union meilenweit von einer absoluten Mehrheit entfernt. Und wenn Frau Merkel weiterregieren will, wenn die Union weiter auf dem erfolgreichen Kurs Deutschland halten will, dann braucht sie dazu die FDP, und das geht eben nur, wenn wir mit einem starken Ergebnis im Bundestag und in der nächsten Regierung vertreten sind. Gott sei Dank haben wir in Deutschland schlaue Wähler. Die wissen schon auch, wie man taktisch wählt. Das haben sie in Niedersachsen gemacht und ich glaube, dass es diesen niedersächsischen Effekt auch bei der Bundestagswahl am nächsten Sonntag geben wird.

    Klein: Das heißt, dass Union und FDP aus der Regierung rausfliegen, oder wie?

    Zastrow: Nein, dass es ein sehr, sehr gutes Ergebnis für CDU und FDP geben wird, dass wir viele, viele Zweitstimmen bekommen. Denn wir dürfen ja nicht vergessen: Wenn das nicht passiert, dann leben wir in einer anderen Republik. Dann sind die ganzen Steuererhöher, Umverteiler und Bevormunder an der nächsten Regierung beteiligt. Dann droht sogar Rot-Rot-Grün. Und ich will auch eins sagen: Auch die CDU ist eine andere Partei, wenn die FDP nicht dabei ist. Die Union braucht eben dieses Korrektiv, braucht auch diesen Impulsgeber wie eine FDP. Sie wissen das alle: Gerade was steuerliche Entlastung betrifft, da ist die Union oft sehr bärbeißig. Das haben wir selbst schmerzlich erlebt. In ihrem Kontrollwahn ist sie auch dabei und ich glaube, wenn es die FDP in der Bundesregierung nicht gegeben hätte, hätten wir längst die Vergemeinschaftung der Schulden Europas gehabt. Es ist also wichtig, dass wir …

    Klein: Aber, Herr Zastrow, um beim Thema Zweitstimmen noch mal kurz zu bleiben. Gerade Niedersachsen hat doch gezeigt, dass das ganze ein Nullsummenspiel ist. Das heißt, dass die CDU-Wähler der FDP ihre Stimme geben und am Ende reicht es für beide nicht. Ist das nicht ein großes Risiko, dass Sie für sich selbst und auch für Ihren Wunschkoalitionspartner damit eingehen?

    Zastrow: In Niedersachsen hat es ja eigentlich ganz gut funktioniert. Wir haben einen gewaltigen Rückstand aufgeholt, gemeinsam mit der Union, und es hat am Ende an einem Sitz gelegen und das war ein Direktmandat, was verloren gegangen ist bei der Union selbst.

    Klein: Aber das Ergebnis war - Ende der Regierung!

    Zastrow: Ja, das war in Niedersachsen so. Aber wir haben halt den großen Abstand aufgeholt und ich glaube, das wissen doch alle: Die Union kann in Berlin am nächsten Wochenende keine absolute Mehrheit erreichen. Das weiß jeder. Und wer wirklich will, dass Deutschland das erfolgreichste Land in Europa bleibt, der muss die Koalition wählen, die es zum erfolgreichsten Land in Europa gemacht hat. Das ist Schwarz-Gelb. Da ist es eben wichtig, dass man auch schaut, na ja, wie kann ich das am besten machen. Von mir aus können die Wählerinnen und Wähler ja die Erststimme gern dem CDU-Kandidaten geben. Zuerst können sie an Frau Merkel denken, das hat sie sich verdient, sie ist eine respektable Bundeskanzlerin. Aber die Zweitstimme, als zweites muss man an die FDP denken, und ich denke, das werden sehr viele machen. Die Bayernwahl hat dazu beigetragen.

    Klein: Wir merken schon: Der Wahlkampf nimmt noch mal richtig Fahrt auf für diese Woche, nicht nur bei Ihrer Partei, Herr Zastrow. Aber abschließend Hand aufs Herz: War der Ausschluss einer Ampelregierung am Ende ein Fehler?

    Zastrow: Nein, auf keinen Fall. Um Gottes Willen! Wir als FDP stehen dafür, dass wir klare Positionen haben, und wir halten auch Wort und das gilt auch jetzt. Es ist leider so, das ist unser Schicksal, dass im Moment nur die CDU für uns als Koalitionspartner infrage kommt. Wir würden es uns vielleicht manchmal auch anders wünschen, aber es geht nicht. Wenn man für marktwirtschaftliche Werte steht, für Freiheit, für Wettbewerb, dafür, dass auch Leistung sich lohnt, dann geht es eben nur mit diesem Koalitionspartner. Aber dieser Koalitionspartner braucht die FDP auch als marktwirtschaftliches Korrektiv an ihrer Seite. Ansonsten fängt auch die Union schnell mal an zu irrlichtern. Das kennen wir noch aus Zeiten der Großen Koalition, wo es dann Steuererhöhungen und alles mögliche gegeben hat. Deswegen ist das schon wichtig. Wir bekennen uns zur Union, aber ich glaube auch, wir vertrauen auf die Wähler. Die wissen schon, was sie machen, und die werden sich auch zu uns bekennen.

    Klein: In der Tat, und die entscheiden am kommenden Sonntag bei der Bundestagswahl. Das war Holger Zastrow, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP und Landeschef in Sachsen. Ich bedanke mich für das Interview heute Morgen, Herr Zastrow.

    Zastrow: Danke schön!


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