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Weder Star noch Statist

Als die Beatles sich 1960 im Rotlichtmilieu der Hamburger Reeperbahn jenen musikalischen Biß und Schmiß erspielten, dem sie kurz darauf ihre beispiellose Karriere verdanken sollten, wurde die damals noch völlig unbekannte Band von einigen existentialistisch angehauchten Hamburger Kunststudenten entdeckt. Astrid Kirchher gehörte dazu, die den Beatles die Pilzkopf-Frisur verordnete und berühmte Schwarz-Weiß-Fotos der Gruppe aufnahm; und Klaus Voormann gehörte dazu, damals Astrid Kirchhers Freund.

Von Klaus Modick | 02.02.2004
    Voormann, geboren 1938 als Sohn einer großbürgerlichen Berliner Arztfamilie, war von der zupackenden Beat-Musik und dem unkonventionellen Lebensstil derart fasziniert, dass er den Beatles nach England folgte. Während die Fab Four zu Weltstars aufstiegen, gelang in ihrem Dunstkreis auch Klaus Voormann eine bescheidene, doch solide Karriere im Spannungsfeld von bildender Kunst und Rockmusik. Als Bassist spielte er in verschiedenen Bands und war in England und in den USA ein gefragter Studiomusiker, später auch bei den diversen Soloprojekten der Beatles, mit denen er stets eng befreundet blieb. Als Grafiker schuf er unter anderem das Cover der Beatles-LP Revolver , für das er einen Grammy erhielt. In der internationalen Rock- und Popszene war Klaus Voormann also eine Art weltbekannter Unbekannter; kaum ein Deutscher hat in dieser anglo-amerikanisch dominierten Szene so viele Spuren hinterlassen wie er.

    Voormann war kein Star, aber er war doch auch mehr als bloßer Statist. Er war professioneller Insider einer kulturprägenden Szene. Und als Insider dieser Szene hätte Klaus Voormann durchaus etwas zu erzählen gehabt, aber seine Erinnerungen zeigen leider nur sehr nachdrücklich, dass jemand, der als Insider dabei war, noch lange kein Analytiker, Diagnostiker oder Chronist dessen sein muss, woran er beteiligt war. Voormann gibt allerlei Anekdoten zum besten, am liebsten aus dem Dunstkreis der Beatles, die aber fast alle auf dem Niveau pubertärer Pop-Hagiografie versanden: Wie John Lennon Reis kochte, warum Ringo Starr gern Fish’n Chips aß, wie George Harrison Bäume pflanzte und so weiter und so fort.

    Der Titel von Voormanns Buch, Warum spielst du Imagine nicht auf dem weißen Klavier, John , macht deshalb neugierig, weil man erwarten könnte, dass ein Profi wie Voormann hier illusionslos Details und Innenansichten über die Entstehungs- und Produktionsbedingungen der Rockmusik schildert. Zwar werden solche Themen gelegentlich angerissen, wenn Voormann beispielsweise die schlechte Bezahlung der Studiomusiker erwähnt; detailliert ausgeführt oder kritisch hinterfragt werden solche Themen aber nie. Was empfindet beispielsweise ein Rockmusiker während eines Konzerts? Klaus Voormann muß es wissen – aber er weiß nicht, wie er es sagen soll und rettet sich in die Formulierung: "auf alle Fälle spielt sich da etwas ab, was mit Worten schwer zu erklären ist".

    Von solchen verbalen Hilflosigkeiten wimmelt das gesamte Buch. Wer wie Voormann als Bassist einer Rockband Musik macht, der muß das nicht auch noch beschreiben können; wer wie Voormann als Grafiker eindrucksvolle Bilder produziert, der muß diese Bilder nicht auch noch verbal interpretieren. Wer sich aber wie Klaus Voormann dazu überreden läßt, derlei zu Papier und unter die Leute zu bringen, dem sei gesagt, dass er besser bei Bass und Zeichenstift geblieben wäre. Dies Erinnerungsbuch eines nicht unsympathischen, bescheidenen Manns ist leider so überflüssig wie uninteressant. Es endet mit einer Danksagung an seine Frau, die, so wörtlich, "es geschafft hat, meine Gedanken zu sortieren, und das Manuskript geschrieben hat". Diese Danksagung ist wahrlich kein Kompliment an Frau Voormann.

    Klaus Voormann
    Warum spielst du Imagine nicht auf dem weißen Klavier, John? Erinnerungen an die Beatles und viele andere Freunde
    Heyne, 328 S., EUR 24,-