Freitag, 19. April 2024

Archiv


"Weg mit dem Parteiengezänk"

"Klassischer CDU-Kurs und eine vernünftige, verlässliche Zusammenarbeit mit einem Partner wie den Grünen schließt sich keinesfalls aus." Christoph Ahlhaus will das konservative Profil der Hamburger CDU stärken, setzt aber auch auf Kompromissbereitschaft in der schwarz-grünen Koalition.

Christoph Ahlhaus im Gespräch mit Gerwart Herter | 16.09.2010
    Gerwald Herter: Anders als viele Grüne wissen nicht alle Hamburger schon, was sie vom neuen Ersten Bürgermeister Christoph Ahlhaus halten sollen. Das kann nicht verwundern, denn das Bild, das er in der Öffentlichkeit abgibt, hat sich erstaunlich rasch verändert.
    Nun bin ich mit dem Ersten Bürgermeister von Hamburg, mit Christoph Ahlhaus (CDU), verbunden. Guten Morgen!

    Christoph Ahlhaus: Guten Morgen, Herr Herter.

    Herter: Herr Ahlhaus, denken Sie gelegentlich daran, wieder in die Turnerschaft Ghibellinia einzutreten, ob nun als Gast, oder als Vollmitglied?

    Ahlhaus: Also da ist viel Unsinn in den letzten Wochen geschrieben worden. Richtig ist, dass ich Gastmitglied war. Das heißt, ich war eingeladen zu verschiedenen Veranstaltungen. Ich war aber nun einige Jahre nicht mehr da, weil ich gar nicht mehr in Heidelberg wohne, und deswegen habe ich gesagt, dann braucht ihr mir keine Einladung mehr zu schicken, weil ich sowieso nicht mehr kommen kann. Also es ist keine inhaltliche Distanzierung, das ist mir ganz wichtig. Ich bleibe meiner Linie treu. Und dass das auch mit Schwarz-Grün funktioniert, das haben ja gerade die letzten Wochen gezeigt.

    Herter: Also Ihnen liegt nicht daran, das konservative Profil der CDU zu stärken, indem Sie da wieder eintreten?

    Ahlhaus: Mir liegt sehr viel daran, das konservative Profil der CDU zu stärken. Nur ich glaube nicht, dass das was mit einer Mitgliedschaft in einer Turnerschaft zu tun hat.

    Herter: Wie können Sie einer schwarz-grünen Regierung angehören und das konservative Profil der CDU stärken wollen?

    Ahlhaus: Das ist ja gerade die Aufgabe, die vor mir liegt, und bereits die vergangenen Jahre, in denen ich als Innensenator tätig war, haben ja gezeigt, dass es möglich ist, sehr wohl pointiert CDU-Politik auf der einen Seite zu machen, gerade in einem Feld, was, sage ich mal, politisch ziemlich vermint ist, nämlich die Innenpolitik, und auf der anderen Seite trotzdem durch Verlässlichkeit und durch gute Zusammenarbeit zu zeigen, dass Schwarz-Grün eben auch bei schwierigen Themen funktionieren kann.

    Herter: Die Grünen stehen aber nicht rechts von der CDU, die stehen viel weiter links. Also da scheint mir doch ein Widerspruch zu sein?

    Ahlhaus: Das ist kein Widerspruch, sondern das ist eine zutiefst demokratische Aufgabe. Ich glaube, die Zeiten von absoluten Mehrheiten sind vorbei. Das heißt, alle Parteien müssen versuchen, Kompromisse zu machen, und das ist genau auch das, was die Menschen in diesem Land erwarten: weg mit dem Parteiengezänk, weg mit dem Streit, sondern Politiker müssen sich zusammensetzen und Lösungen für die Probleme in diesem Land suchen. Und genau das machen wir in Hamburg und das gelingt!

    Herter: Sehen Sie sich als Pionier, der der Bundes-CDU oder der CDU in anderen Landesverbänden eine Option für künftige Wahlen erhält?

    Ahlhaus: Ich sehe mich nicht unbedingt als Pionier, aber mit Sicherheit ist Schwarz-Grün eine Option und angesichts der Tatsache, dass wir eine Veränderung der Parteienlandschaft erleben, glaube ich, tut man gut daran, Optionen anzuschauen und zu prüfen, ob sie funktionieren – allerdings nicht um jeden Preis. Das muss auch klar sein. Für die CDU ist es immer wichtig, dass sie in ihrem Markenkern erkennbar bleibt.

    Herter: Sie hatten ja gar keine andere Wahl gehabt. Die FDP ist nicht in der Bürgerschaft und mit der SPD wollen Sie auf keinen Fall zusammengehen.

    Ahlhaus: Wie gesagt, das Entscheidende ist die Frage, ob es inhaltlich passt und funktioniert, und Schwarz-Grün hat in Hamburg gezeigt, dass wir gute Politik für diese Stadt machen können, ohne dass der jeweilige Partner seine Leitlinien der Politik verwischen muss.

    Herter: Was machen Sie denn jetzt zum Beispiel bei der Elbvertiefung? Das ist ja gut für die Wirtschaft, aber schlecht für die Elbe.

    Ahlhaus: Da gibt es eine klare Vereinbarung. Wir haben uns zu einigen umweltpolitischen Ausgleichsmaßnahmen entschlossen, aber die Elbvertiefung kommt und sie kommt so, dass die großen Containerschiffe Hamburg auch künftig anlaufen können. Das ist eine Frage von nationalem Interesse, sonst werden wir vom Welthandel abgehängt.

    Herter: 18 Monate bleiben Ihnen Zeit, um Ihre konservativen Wähler zu mobilisieren. Werden Sie da nicht doch auf einen klassischen CDU-Kurs gehen in den nächsten Monaten, nachdem Sie sich etabliert haben als Bürgermeister zum Anfassen?

    Ahlhaus: Klassischer CDU-Kurs und eine vernünftige, verlässliche Zusammenarbeit mit einem Partner wie den Grünen schließt sich keinesfalls aus. Sicherlich sind Kompromisse nötig, aber meine Aufgabe und auch mein Herzensanliegen liegt darin zu zeigen, dass konservative CDU-Politik eben auch mit anderen Partnern zusammen funktionieren kann.

    Herter: In Hamburg hat es eine Partei gegeben rechts von der CDU. Das zeigt auch, welche Gefahren da sind. Sind Sie deswegen besonders gewappnet?

    Ahlhaus: Ich glaube, die CDU ist als Volkspartei immer gut damit gefahren, wenn sie ihr konservatives Profil auch nach außen deutlich zeigt. Das gilt nicht nur für Hamburg, sondern für den Bund. In der Tat muss die CDU aufpassen, dass sie sich nicht in einer Art und Weise in ihrem Wertesystem verrückt, dass irgendwo Lücken entstehen, die andere füllen können. Das ist sicherlich richtig. Die Gefahr sehe ich aber auch nicht.

    Herter: Der Fehler ist aber in der Vergangenheit gemacht worden, sonst hätte es diese Schill-Partei gar nicht gegeben.

    Ahlhaus: Richtig ist, dass es offensichtlich der CDU damals als Oppositionspartei nicht gelungen ist, sich auf einem wichtigen Gebiet, nämlich dem Thema der inneren Sicherheit, in einer Millionenmetropole als wirklich fachlich kompetenter Partner zu zeigen. Die Zeiten sind aber vorbei. Wir haben in Hamburg nun neun Jahre sehr, sehr erfolgreiche Innenpolitik in Hamburg hinter uns. Hamburg ist heute auf Platz 7 der Liste mit der meisten Kriminalität der Städte, im Jahr 2001 war sie auf Platz 1.

    Herter: Sie waren Innensenator. Sind Sie ein "Law and Order"-Politiker?

    Ahlhaus: Ich bin ein Politiker, der für den Rechtsstaat steht, denn der Rechtsstaat ist in Deutschland demokratisch legitimiert. Das sind Spielregeln für das Zusammenleben der Menschen und die müssen eingehalten werden. Wer das als "Law and Order"-Politik versteht, dem kann ich nur sagen, ja, dann bin ich ein "Law and Order"-Mann.

    Herter: Und das haben Sie den Grünen auch gesagt?

    Ahlhaus: Das wissen die Grünen, denn die haben mich ja aus der Zusammenarbeit sehr intensiv erlebt.

    Herter: Der Erste Bürgermeister Hamburgs, Christoph Ahlhaus (CDU), im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr Ahlhaus, vielen Dank für das Gespräch.

    Ahlhaus: Vielen Dank, Herr Herter!