Donnerstag, 28. März 2024

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Weggelöscht und abgedreht

Internet.- Nach der Veröffentlichung von Unterlagen aus dem US-Außenministerium gerät die Enthüllungsplattform WikiLeaks unter Druck. Auf Verlangen der US-Regierung wurden sogar die besagten Dokumente von den Servern gelöscht, die WikiLeaks bei Amazon angemietet hatte.

Von Peter Welchering | 04.12.2010
    In nur wenigen Sekunden verbreitet sich am Donnerstagabend via Twitter, Mailinglisten und auf vielen sozialen Netzwerken die Eilmeldung des amerikanischen Nachrichtensenders CNN: Amazon habe die Nutzung seiner Cloud-Computing-Server durch WikiLeaks mit sofortiger Wirkung untersagt. Die WikiLeaks-Dokumente aus dem US-Außenministerium seien bei Amazon nicht mehr verfügbar. Amerikanische Journalisten berichten, dies sei auf direkte Intervention des amerikanischen Senators Joe Lieberman erfolgt. Amazon selbst begründet die sofortige Kündigung der Verträge mit WikiLeaks unter Hinweis auf mögliche Urheberrechtverstöße.

    Nur wenige Stunden später kursieren Meldungen im Netz, die Web-Adresse wikileaks.org sei nicht mehr erreichbar. Es stellt sich heraus, dass der amerikanische Netzwerkdienstleister Everydns die WikiLeaks-Adrese aus seiner Datenbank des sogenannten Name-Servers gelöscht hat. Name-Server sind eine Art Adressverzeichnis, die eine namentliche Webadresse wie zum Beispiel "Wikilekas.org" in Internet-Protokolladresse aus Zahlen umwandeln. Wer in seinem Browser fortan wikileaks.org eingibt, wird nicht mehr auf die Server von WikiLeaks gelangen, weil die URL nicht mehr in der Datenbank des Dienstleisters Every-DNS mit einer "Internet-Telefon-Nummer" verbunden ist. Every-DNS begründet die Löschung mit seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Jeder Kunde müsse sich so verhalten, dass er die Dienste von Every-DNS nicht gefährde. Durch die Veröffentlichungen habe es aber Hackerattacken auf Every-DNS gegeben. Deshalb: Kündigung, fristlos.

    Dann gibt die Schweizer Piratenpartei bekannt, dass die WikiLeaks-Plattform in die Schweiz umgezogen sei. Die Web-Adresse wikileaks.ch hatte die Schweizer Piratenpartei bereits vor einigen Monaten registrieren lassen. Doch auch diese Adresse wird aus den Datenbanken des Domain-Name-Systems, das weltweit verteilt von unterschiedlichen Netzdienstleistern betrieben wird, im Laufe des gestrigen Tages immer wieder gelöscht. So ist auch Wikileaks.ch immer wieder über einige Stunden nicht erreichbar. Die Schweizer-Registrierungsstelle switch trifft Vorsorgemaßnahmen gegen Denial-of-Service-Attacken gegen ihre Name-Server.

    Am Freitagabend sperrt zudem der Internet-Bezahldienst Paypal das Konto von WikiLeaks. Das teilt die Tochtergesellschaft von Ebay in ihrem unternehmenseigenen Blog mit. Paypal begründet die Kontensperrung: Der Bezahldienst dürfe nicht für illegale Aktivitäten verwendet werden. Mittlerweile nehmen die Denial-of-Service-Attacken auf die Name-Server von Switch in der Schweiz zu. Gleichzeitig werden die IP-Adressen der weltweit verteilten WikiLeaks-Server durch regelrechte Bombardements mit Datenpäckchen heftig angegriffen. Noch vor wenigen Stunden war der WikiLeaks-Server unter der IP-Adresse 46.59.1.2 über längere Zeit nicht erreichbar.