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Wegweisender Künstler
Vor 175 Jahren wurde der russische Komponist Modest Petrowitsch Mussorgsky geboren

Mit seinen Opern und Orchesterstücken gilt er als Begründer einer originären russischen Musik des 19. Jahrhunderts. Er war Autodidakt, die Mutter hatte ihn am Klavier unterrichtet. Die Gegner kreideten ihm das als Dilettantismus an.

Von Georg-Friedrich Kühn | 21.03.2014
    "Die Hütte der Baba Yaga", ein Stück aus dem Klavier-Zyklus "Bilder einer Ausstellung". 1874 komponierte Modest Mussorgsky das Werk, kurz nachdem er mit der Oper "Boris Godunow" seinen größten Erfolg gefeiert hatte. Die Baba Yaga ist eine Hexe, und ihre Hütte ein Mörser, mit dem sie durch die Luft segelt und in dem sie Kinderknochen zerstößt. Mussorgskys Njanja, seine Kinderfrau, erzählte dem kleinen Modest derlei Horrorgeschichten.
    Als Komponist war Mussorgsky Autodidakt. Beim Orchestrieren half ihm oft Nikolai Rimski-Korsakow. Seine und später Maurice Ravels Instrumentierung machten die "Bilder einer Ausstellung" weltbekannt. Am 21. März 1839 wurde Mussorgsky in dem Dorf Karewo geboren. Früh unterrichtete ihn die Mutter am Klavier. Seine pianistische Technik verfeinern konnte er in Sankt Petersburg parallel zur vor-militärischen Schulausbildung. Mit 12 trat er erstmals öffentlich auf.
    Die Frauen umschwärmen ihn
    Mit 17 begann er eine militärische Laufbahn. In den Kasinos rühmte man ihn als glänzenden Tänzer und Pianisten, dandyhaft im Auftreten, umschwärmt von Frauen. In Petersburg lernte er auch einen Kreis von Künstlern kennen, die sein musikalisches Weltbild veränderten. Der Komponist Alexander Dargomyschski scharte sie um sich. Nicht den Stimmenglanz der italienischen Oper solle man nachahmen, dozierte er, sondern Kraft schöpfen aus dem russischen Volkslied.
    Der Bruch im persönlichen Umfeld Mussorgskys kam 1862 mit der Aufhebung der Leibeigenschaft in Russland. Die Eltern mussten das kleine Gut, das ihm finanzielle Unabhängigkeit erlaubt hatte, aufgeben. Zeitweilig zog er mit Freunden in eine Art Kommune. Einen "vernünftigen Egoismus", Emanzipation der Frau und libertäre Sexualmoral propagierte man dort. Und der Kunstkritiker Wladimir Stassow forderte: Realismus statt L'art pour l'art.
    Eine Gruppe von fünf Komponisten sammelte Stassow um sich mit Mussorgsky als Galionsfigur und Rimski-Korsakow als musiktheoretischem Fundament. Propagandistisch nannte er sie das "Mächtige Häuflein". Ihr Motto formulierte Mussorgsky so:
    "Wo es sich um Menschen, um Leben handelt, da ist kein Platz für vorgefasste Paragrafen und Gesetze."
    "Eine gemeine, niederträchtige Parodie auf die Musik"
    Dass die Gruppe angefeindet wurde, verwundert nicht. Mussorgskys "Boris Godunow" (nach Puschkin) kam erst nach mehrmaliger Ablehnung durch die Leitung des Petersburger Mariinsky Theaters und dann in veränderter Form dort auf die Bühne – nötigte aber doch auch den Gegnern Hochachtung ab. Peter Tschaikowsky freilich beschied der Oper:
    "Sie ist eine gemeine, niederträchtige Parodie auf die Musik."
    Schnell stürzte Mussorgsky sich in weitere historisierende Opernprojekte wie "Die Chowanschtschina" oder "Der Jahrmarkt von Sorotschinzy". Vieles aber blieb Fragment. Zur Erholung komponierte er Klavierlieder.
    Sein Leben wurde nach dem Ausscheiden aus dem Militärdienst immer unsteter. Mit kleinen Ministerialposten hielt er sich über Wasser. Die Nächte allerdings verbrachte er in Kneipen beim Cognac. Nach einem Schlaganfall starb Modest Mussorgsky 1881, gerade 42-jährig, unbehaust – ein Bettler.
    Obwohl Mussorgsky fundierten Kompositionsunterricht nie genossen hatte, ist seine Bedeutung für die Musik nicht zu unterschätzen: für die russische wie insbesondere für die der französischen Impressionisten. Irritierend seine schroffe, gelegentlich modal-altertümlich anmutende Harmonik.
    Die Gegner kanzelten sie ab als "dilettantisch". Schon sein frühestes Orchesterwerk "Eine Nacht auf dem kahlen Berge" – ein Märchenstoff über einen Hexensabbat – verfiel diesem Verdikt.