Donnerstag, 25. April 2024

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Weihnachtsempfehlungen
Schmökerstoff für die Festtage

Ob für Groß oder Klein, mit einem Buch unter dem Weihnachtsbaum liegt man immer richtig. Die Büchermarkt-Redaktion gibt jährlich mit einer persönlichen Auswahl Tipps zum Verschenken - oder für die eigene Wunschliste. Dieses Jahr mit dabei: hässliche Tiere, wundersame Reisen, unsichtbare Freunde und fliegende Sterne.

Ute Wegmann und Tanya Lieske im Gespräch mit Jan Drees | 09.12.2017
    Tanya Lieske, Ute Wegmann und Jan Drees sitzen in einem Aufnahmestudio an einem Tisch und haben Bücher in der Hand.
    Tanya Lieske (l.) und Ute Wegmann (Mitte) im Gespräch mit Jan Drees (Deutschlandradio / Nina Carbonetti)
    Ute Wegmann empfiehlt:
    Die hässlichen Fünf
    Im afrikanischen Busch leben sehr unterschiedliche Tiere: scheue, schöne, gefährliche, große, kleine und hässliche. Fünf sind besonders auffällig: das breitschnauzige Gnu, die höhnische Hyäne, das borstige Warzenschwein, der kahlköpfige Geier und der dürre Marabu. Sie alle finden nach und nach zusammen, ziehen gemeinsam durch die Buschlandschaft und singen ein Lied über ihre Hässlichkeit. Das hören ihre Kinder und sind damit gar nicht einverstanden. Der afrikanische Busch wird hier mit seiner Artenvielfalt spielerisch in Szene gesetzt. Und so respektvoll und liebenswert wie von Axel Scheffler wurden die hässlichen Fünf noch nie bebildert.
    Axel Scheffler/Julia Donaldson: "Die hässlichen Fünf"
    Aus dem Englischen von Salah Naoura, 32 Seiten, Beltz & Gelberg Weinheim, 13,95 Euro. Ab 4 Jahre.
    Einmal schwarzer Kater
    Ein unsichtbarer Freund in Form eines löwengroßen schwarzen Katers, ist man dafür in der 4. Klasse nicht schon zu groß? Crenshaw heißt er und hat sich plötzlich wieder ins Haus geschlichen, schamponiert sich in der Badewanne, beobachtet Jackson, der in anfangs wegschicken will. Aber Crenshaw behauptet, Jackson habe ihn gerufen. Ob das Erscheinen des Katers etwas damit zu tun hat, dass es der Familie finanziell nicht gut geht, es manchmal nichts Richtiges zu essen gibt? Eine Situation, die Jackson und seine Schwester kennen. Schon einmal mussten sie das Haus aufgeben und in einem Van leben. Sollte sich eine solche schreckliche Situation wieder anbahnen? Ein Roman über einen Jungen, der - dank seiner Phantasie und mit einem imaginären Freund – eine schwierige Situation meistert. Mit Humor und Leichtigkeit thematisiert Applegate ein großes Thema.
    Katherine Applegate: Crenshaw. "Einmal schwarzer Kater"
    Aus dem Amerikanischen von Brigitte Jakobeit, 212 Seiten, Sauerländer im Fischer Verlag, Frankfurt/M. , 11,99 Euro. Ab 9 Jahre
    Der Riss
    Der Fotograf Carlos Spottorno und der Journalist Guillermo Abril bereisten die Grenzen Europas. Sie sprachen mit Polizisten, Grenzsoldaten, Mitarbeitern der Operation Mare Nostrum und vielen anderen, vor allem aber mit Flüchtlingen aus verschiedenen Ländern. Ihre erste Reise führte sie in die spanische Enklave Melilla in Marokko, sie fuhren an die türkisch-bulgarische Grenze, nahmen an einer Rettungsaktion im italienischen Mittelmeer teil und dokumentieren in der Graphic Novel die Grenzen Europas, die alten und die neu geschaffenen, Zäune und Wachtürme, Auffanglager. Sie zeigen deutlich "La Grieta" - den Graben, die Spalte, den Riss, der sich in den letzten Jahren aufgetan hat. Vor allem aber zeigen sie Menschen: junge schwarze Männer, Kinder, Mütter und Väter. Menschen, die eine gefährliche Reise hinter sich haben und nicht wissen, was ihnen noch bevorsteht, die aber alle trotz Verzweiflung und unmenschlicher Bedingungen die Hoffnung nicht aufgeben und von einem Glauben an ein besseres, sicheres Leben in Europa geprägt sind. Spottorno hat seine Bilder bearbeitet, nachkoloriert, wollte sie nicht 1:1 wiedergeben, und hat aus dem immensen Bildmaterial eine großartige Graphic Novel zusammengestellt, ein Zeitdokument. Ein Dokument, das nicht nur interessante Fakten liefert, sondern vor allem durch die einzigartigen Fotos den einzelnen Menschen in seiner schicksalhaften Situation in den Mittelpunkt stellt. Informativ und sehr berührend!
    Carlos Spottorno/Guillermo Abril: "Der Riss"
    Aus dem Spanischen von André Höchemer, avant Verlag Berlin, 176 Seiten, 32 Euro. Ab 13 Jahre.
    Tanya Lieske empfiehlt:
    Die Rückkehr, Die Reise, Die Suche
    Eine Stück roter Kreide öffnet die Tür ins Abenteuer. Ein Mädchen zeichnet ein Tür in die Wand, findet sich wieder in einem Reich der Farben und des Abenteuers. Ein guter König kommt darin vor, ihm haben graue Soldaten alle Farben gestohlen. Mit Hilfe der jungen Heldin und seiner Begleiter wird die schöne Stadt des Königs wieder bunt - und unterwegs erfahren wir, dass man mit einem Zeichenstift die Welt bewegen kann. Aaron Beckers Bilderbuchtrilogie regt zum Erzählen an, denn sie kommt ganz ohne Worte aus: Für junge BetrachterInnen ab 5 Jahren.
    Aaron Becker: "Die Rückkehr", "Die Reise", "Die Suche"
    Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 2015 - 2017. Je Band 40 Seiten 14,95 Euro.
    Fliegender Stern
    Fliegender Stern will endlich zu den Großen gehören. Er ist sechs Jahre alt, besteht tapfer alle Mutproben, die die älteren Kinder ihm auflegen, und darf endlich sein eigenes Pferd reiten. Dann wird seine Welt sehr schnell sehr groß. Fliegender Stern erfährt, dass sein Volk hungert, weil der weiße Mann alle Büffel vertrieben hat. Zusammen mit seinem Freund Grasvogel macht er sich auf den Weg, um den weißen Mann zu finden, und ihn zur Rede zu stellen. Eine Geschichte über Mut, Wahrheit und Verzicht, in der Ursula Wölfel auch die Weihnachtsbotschaft versteckt hat. Neu illustriert von Regina Kehn, die mit großer Ausdruckskraft die Kunst der amerikanischen Ureinwohner zitiert. Zum Vorlesen und Lesen ab ca. acht Jahren.
    Ursula Wölfel, Regina Kehn (Illustration): "Fliegender Stern"
    Thienemann Verlag, Stuttgart, 2017 96 Seiten gebunden, 11,95 Euro.
    Cavaliersreise. Die Bekenntnisse eines Gentlemans
    Ein Adeliger auf Bildungsreise im 18. Jahrhundert. Mit dem etwas schnöseligen Henry Montague unterwegs sind sein Jugendfreund Percy und seine Schwester Felicity. Ein Aufsehen erregendes Trio, Percy ist schwarz, Henry und Percy lieben sich, und Felicity liest lieber Medizinbücher als Liebesromane. Ihren langweiligen Mentor hängen die drei schnell ab und finden alleine ihren Weg durch ein Europa der Fürstenhöfe und Puderzöpfe, der Schnallenschuhe und Postkutschenräuber. Die junge amerikanische Autorin Mackenzie Lee spielt mit dem alten Genre des Bildungsroman und dem neuen der Genderliteratur. Ihr gelingt ein großer Lesespaß, einfallsreich bei großer historischer Detailfülle. Für erfahrungshungrige LeserInnen ab 16 Jahren.
    Mackenzie Lee, Gesine Schröder (Übersetzung): "Cavaliersreise. Die Bekenntnisse eines Gentlemans"
    Königskinder Verlag Hamburg, 2017, 496 Seiten gebunden, 19,99 Euro.
    Jan Drees empfiehlt:
    Borst vom Forst
    Hyperaktiv ist der kleine Frischling dieses liebevollen Bilderbuchs von Yvonne Hergane und Wiebke Rauers: "Während seine Geschwister wie am Spinnfaden hinter Mama hertrotten, hufelt Borst ständig aus der Reihe." Borst vom Forst verletzt sich beim Stöbern an einer Muschel, die aus unerklärlichen Gründen im Wald gelandet ist. Dieses Ding verstört, weil es der Frischling nicht einordnen und nur "Tutweh" nennen kann. Er macht sich auf die Suche nach der Herkunft dieses für ihn gefährlichen Objekts und fragt verschiedene Tiere, die ihm allerdings nicht weiterhelfen können; bis er eine Robbe trifft. Die einfallsreiche Sprache von Yvonne Hergane korrespondiert mit der kulleräugigen Figur und den schreiend komischen Bilderbuchszenen Wiebke Rauers’. Eine Geschichte, mit der sich auch die Großen beschenken.
    Yvonne Hergane (Autorin),‎ Wiebke Rauers (Illustratorin) "Borst vom Forst"
    Magellan Verlag, 32 Seiten, 14 Euro
    Wenn du eine Sternschnuppe siehst, wünscht dir was
    Wie hingetupft sind die weißräumigen Bilder von Sang-Keun Kims melancholischem Bilderbuch "Wenn du eine Sternschnuppe siehst, wünsch dir was", das im Schneegestöber spielt und von einem kleinen, pudelmützigen Maulwurfkind erzählt. Dieses Maulwurfskind hat von der Oma gelernt, dass man Sorgen in Schneebälle einrollen kann. Der Kleine baut sich aus dieser Kugel einen imaginären Freund, einen Bären, der aber zu groß geraten ist, um in den Omnibus mitgenommen zu werden. Die dann stetig traurigere Geschichte hat zum Glück ein helles Ende – und rührt, als Story, als Bilderreigen und als Meditation über das Poetische.
    Sang-Keun Kim: "Wenn du eine Sternschnuppe siehst, wünscht dir was"
    Aus dem Koreanischen von Kyong-Hae Flügel, Beltz & Gelberg, 48 Seiten, 13,95 Euro