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Weihnachtsmarkt Uelzen
Der übergroße Adventskalender

Weihnachtsmärkte gibt es zur Zeit in jeder Stadt und in jedem Stadtteil. Ein ganz besonderer, kleiner Weihnachtsmarkt steht in der Kleinstadt Uelzen, im nordöstlichen Niedersachsen, am Rande der Lüneburger Heide. Hier erleuchtet jeden Abend das Alte Rathaus als übergroßer Adventskalender. Bevor hier allabendlich ein Fenster geöffnet wird, strömen die Besucher in die benachbarte St.-Marien-Kirche.

Von Margret Bielenberg | 20.12.2015
    Wir sitzen in der St.-Marien-Kirche. Zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert wurde sie im Stil der norddeutschen Backsteingotik gebaut. Die Bänke sind besetzt bis auf den letzten Platz. Heute versprüht der Gesangsverein "Frohsinn" aus dem benachbarten Hösseringen vorweihnachtliche Atmosphäre. Allabendlich singen hier Chöre aus der Region und begeistern das Publikum. Nach einer halben Stunde Besinnlichkeit bei adventlichen Klängen zieht es die Menschen wieder hinaus.
    "Fast jeden Abend gehen wir hier her und stimmen uns schon auf die vorweihnachtliche Zeit ein. Ganz toll, gefällt mir sehr, sehr gut. Wir sind extra von Bienenbüttel hergekommen, um das mitzuerleben. Also ich mag am meisten dieses Singen und die Fensteröffnung und eine Bratwurst essen und Glühwein trinken."
    Bratwurst essen und Glühwein trinken – typisch für Weihnachtsmärkte. Aber Fenster öffnen? Die Kirchenbesucher schieben sich der Kirchmauer entlang über den Weihnachtsmarkt.
    Märchenmotive und Trompetenklänge
    Vorbei an einem Kinderkarussell, Buden mit gebrannten Mandeln und Lebkuchenherzen. Nur wenige stehen am Glühweinstand oder bestellen sich Würstchen. Dieser Besucher bringt es auf den Punkt.
    "Gehen wir mal darüber und horchen, wenn das Fensterchen aufgemacht wird. Der Herr Schulz, der trompetet."
    Die Uelzener kennen Horst Schulz. Seit 14 Jahren spielt der Hobbymusiker hier in der Adventszeit Trompete. Mittlerweile stehen wir alle auf der Straße vor dem Alten Rathaus. Über 1000 Menschen haben sich hier versammelt und schauen auf das Gebäude. Ursprünglich war es im 14. Jahrhundert aus Ziegelstein. Ende des 18. Jahrhunderts wurde es dann verputzt und später in hellem Gelb gestrichen. Seitliche Treppengiebel, das Eingangsportal mit rahmenden Pilastern und Kapitellen und auch die Beleuchtung lassen das Alte Rathaus feierlich erstrahlen. Rechts und links stehen beleuchtete Weihnachtsbäume. Die Länge des Alten Rathauses wird von kleinen Tannen gesäumt. Das Besondere sind die bedeckten, aber mit Zahlen beleuchteten 24 Fensterbilder, die Abend für Abend geöffnet werden. Die Fenster, die schon von ihren Zahlen befreit wurden, strahlen in Märchenmotiven. Es ist 18 Uhr.
    Ganz oben öffnet sich ein kleines Dachfenster. Wir können Horst Schulz nicht sehen, aber seine Trompetenklänge legen sich wie eine warme Mütze über unsere Köpfe.
    Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern
    Drei Mädchen in weißen weiten Kleidern und aufgenähten Flügeln schreiten aus dem Portal, klettern die beiden Leitern zum 1. Stock hinauf und ziehen die Abdeckung des heutigen Fensters ab.
    Und wieder wird ein Märchenmotiv sichtbar, heute von dem Künstler Wilhelm B. Tarnow: Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern von Hans Christian Andersen.
    "Guten Abend meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste der Stadt Uelzen, liebe Kinder."
    Citymanager und Verantwortlicher des Uelzener Weihnachtszaubers Joachim Lotz steht auf dem kleinen Holzpodest und kündigt die erste Lesung des Abends an: die Grundschüler Jala und Lennart.
    Jala: "Sie strich wieder ein Schwefelhölzchen gegen die Mauer. Es leuchtete ringsumher und in dem Glanz stand die alte Großmutter, so klar, so schimmernd, so mild und lieblich."
    Lennart: "Großmutter rief die Kleine, oh nimm mich mit, ich weiß du bist fort, wenn das Schwefelhölzchen ausgeht, fort, ebenso wie der warme Ofen, der herrliche Gänsebraten und der große gesegnete Weihnachtsbaum."
    "Besinnliche Aktion"
    Traurig ist die Geschichte, die mit dem Tod des Mädchens endet. Stimmungsvoll wird sie von den beiden vorgetragen. Jeden Abend lesen Grundschulkinder, erzählt Joachim Lotz, aber auch Personen des öffentlichen Lebens kommen täglich zu Wort und erzählen ihre Lieblingsweihnachtsgeschichte. Doch die Kinder mögen am liebsten, wenn andere Kinder vorlesen und wenn die Engel Süßigkeiten verteilen, erzählen sie.
    "Ich find das Vorlesen. Die Geschichte war gut. Ich fand die Geschichte von den Kindern am besten."
    Langsam lichtet sich die Menge vor dem Alten Rathaus. Ein paar Grüppchen stehen noch zusammen.
    "Ich find den Uelzener Weihnachtsmarkt deswegen ganz schön, weil es eine schöne besinnliche Aktion ist mit den Bildern, man kommt zusammen. Mit der Musik, mit den Märchen passend dazu."
    "Alles um einen Tag vorgezogen"
    Andere zieht es jetzt zu den Würstchen und zum Glühwein um die Ecke. Eine Frage bleibt noch. Warum wird immer das Fenster des folgenden Tages geöffnet?
    "Hat den Grund, dass am 24. niemand mehr kommt, ist alles um einen Tag vorgezogen. Aber das ist auch eine gute Idee."
    Das findet auch Horst Schulz, der Trompeter. Obwohl er mit Leib und Seele Musik macht, möchte er Heiligabend auch daheim sein. Bis dahin freut er sich jeden Abend auf seinen Auftritt, am Fenster des Alten Rathauses in Uelzen.
    "Der Applaus ist toll. Die Leute, das ist toll. Um 5 Uhr fällt die Kelle und dann muss man sehen, dass man sich vorbereitet, einbläst, hierher fährt, Noten hinlegt, abwartet den Glockenschlag und 5 Minuten später geht es dann los."