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Weinanbau
Mit Rotoren und Öl gegen den Spätfrost

Der Klimawandel hat auch Folgen für den Weinanbau. Viele Reben treiben immer früher im Jahr aus, werden dann jedoch durch plötzlichen Spätfrost oft schwer geschädigt. 2011 bedeutete das für die Winzer extrem hohe finanzielle Verluste. Neue Verfahren sollen nun helfen, Pflanzen vor Spätfrost zu schützen - unter anderem mit Wärme und Öl.

Von Volker Mrasek | 07.05.2015
    Trauben der Sorte Müller-Thurgau hängen im Weinberg in Hohberg-Diersburg (Baden-Württemberg) vor Beginn der Weinlese am Rebstock.
    Trauben an einem Rebstock (picture alliance / Patrick Seeger)
    "Sollen wir hier halten? Oder wollen wir weiterfahren? Mir ist das egal." - "Bleiben wir doch mal hier."
    "Wir sind jetzt genau hier, wo die neuen Windmaschinen erstmalig zum Einsatz gekommen sind."
    Eine Weinanlage in Neustadt-Duttweiler in der Pfalz. Nicht weit entfernt von der früheren Staatlichen Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau, die sich heute DLR Rheinpfalz nennt. Neun kleine Windkraftanlagen stehen inmitten der Rebzeilen, aufgereiht über Hunderte von Metern. Alle mit einem Erdgas-Tank. Jede von ihnen überragt den Agrar-Ingenieur Mathias Petgen um gut zehn Meter.
    "Die haben mit einem normalen Windrad für die Stromerzeugung nichts zu tun. Da ist auch ein Frostwächter drin. Ab einer bestimmten Temperatur laufen die automatisch an. In der Hoffnung, dass dann Schäden vermieden werden."
    Der Weinbauexperte vom DLR Rheinpfalz meint damit Spätfrostschäden an den Reben.
    "Da gibt's auch ein Kabel. Der Frostwächter sitzt genau in den Reben drin. Da die Temperatur ist natürlich entscheidend. Da können wir mal hingehen."
    Die Frostschäden können auftreten, wenn die Temperaturen im April oder Mai noch einmal auf null Grad Celsius oder darunter sinken und die Weinpflanzen dann schon Blätter ausgetrieben haben.
    "Es sind in der Regel die Lagen betroffen, wo sich die Kaltluft ansammeln kann. Also so klassische Mulden, wo die Kaltluft, weil die Kaltluft schwerer ist als die warme Luft, sich ansiedelt. Und dann eben punktuell Schäden verursachen kann."
    Das Horror-Jahr 2011
    Nur ungern erinnert sich Matthias Petgen an das Horror-Jahr 2011:
    "Das war verheerend. Es gibt da Luftaufnahmen. Die niedrig gelegenen Flächen - fast wie Mondlandschaften. Nicht nur hier bei uns in der Pfalz, sondern in vielen anderen deutschen Anbaugebieten. Und das waren große ökonomische Schäden für die Betriebe."
    Das Risiko dafür ist gestiegen. Weil der Klimawandel und steigende Temperaturen dafür sorgen, dass die Reben immer früher im Jahr austreiben. Spätfröste treten aber nach wie vor bis zu den Eisheiligen Mitte Mai auf.
    "Also, wir hatten zum Beispiel letztes Jahr den frühesten Austriebsbeginn unserer Aufzeichnungen - das sind fast 100 Jahre - am 7. April. Wenn dieser Trend weiter geht, steigt auch die Spätfrostgefahr."
    Deshalb die Windräder in der Weinanlage in Duttweiler. Es sind die ersten dieser Art in Deutschland. Sie stammen von einem Hersteller in den USA. Ansonsten sei noch ein mobiles Gerät in Franken im Einsatz, sagt Petgen.
    Laufen die Rotoren, wird die bodennahe Luft durchmischt. Das schafft einen Temperaturausgleich und verhindert, dass Kälte-Seen in den Rebanlagen entstehen. Das DLR Rheinpfalz untersucht, wie gut das funktioniert. Jedes Windrad deckt fünf Hektar ab, also eine Fläche von rund 220x220 Metern ...
    "Die sind letztes Jahr mehrmals angelaufen. Und es gab auch tatsächlich keine Schäden."
    Den gleichen Effekt kann man mit Hubschraubern erzielen, was im Obstbau auch gelegentlich gemacht wird. Doch solche Charter-Flüge sind teuer. Genauso wie die Windräder. Mehrere zehntausend Euro kostet so eine Anlage. Getestet wurden auch schon Heizdrähte in den Rebzeilen. Oder sogenannte Frostkerzen, die im Weinberg verteilt werden und in denen Paraffinwachse abbrennen. Doch auch das ist sehr kostspielig für den Winzer.
    Balsam für die Rebe
    In Neustadt und in anderen Weinbau-Instituten hat man deshalb ein viel günstigeres Verfahren getestet - die Behandlung der Reben.
    "Wir versuchen, den Austrieb zu verzögern, dadurch die Spätfrostgefahr zu verringern. Und da gibt es einen Ansatz, das Einbalsamieren."
    Dazu werden die Winterknopsen der Reben im Weinberg mit einer Lösung besprüht, die Raps - oder andere Pflanzenöle enthält. Und zwar kurz bevor sie aufbrechen. Dadurch legt sich ein Film auf die Blattknospen. Er wirkt wie eine Barriere, schränkt den Gasaustausch der Pflanzen ein und verzögert so ihre Entwicklung.
    "Wir hatten das ursprünglich mal im Gewächshaus geprüft. Und konnten dann letztes Jahr erstmalig im Freiland bei einer Müller-Thurgau-Anlage feststellen, dass nach dieser Applikation der Öle tatsächlich die Reben später austreiben",
    sagt Petgen. Das heißt: Es gibt einen Weg, um das Knospen der Reben, das der Klimawandel um Tage beschleunigt, wieder zu verlangsamen. Und das mit vertretbarem Aufwand für die Winzer. In diese Richtung deuten auch die Ergebnisse anderer Forschergruppen und Erfahrungen aus der Praxis, zum Beispiel in den USA.
    Das Einbalsamieren mit Pflanzenölen kann also das Risiko für Spätfrostschäden an Weinreben wieder verringern. Noch nicht gleich, aber vielleicht in einigen Jahren:
    "Leider ist das Hauptproblem, dass zur Zeit diese Öle noch keine Indikation besitzen, also sprich: Die Winzer dürfen das eigentlich noch nicht einsetzen. Selbst für ein einfaches Rapsöl gibt es keine Zulassung. Und das muss erst noch überprüft werden."