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Weise Wachteln

Japanische Wachtelhennen legen Eier, die auf ganz unterschiedliche Arten gesprenkelt sein können. Dennoch schaffen es die Tiere, für jedes Ei einen Legeort zu finden, der die beste Tarnung bietet. Die Hennen ahnen offenbar schon vorher, wie ein Ei aussehen wird.

Von Leonie Seng | 23.01.2013
    Wachtelhennen gäben prima Osterhasen ab. Die Bodenbrüter verstecken ihre Eier zwar nicht, aber sie legen die zerbrechlichen Schützlinge genau an den Stellen ab, wo die Eier farblich am wenigsten auffallen. Das beobachtete Dr. Paul George Lovell von der Abertay University in Schottland.

    "Die Tiere, die wir in unserem Experiment untersuchten, kommen nicht aus der Wildnis, sie sind in künstlichen Brutanlagen aufgewachsen. Schon seit mehreren Generationen leben sie nicht mehr in freier Wildbahn und sind daher auch keinen Raubtieren ausgesetzt. Und dennoch haben sie offenbar den starken Drang, ihre Eier zu tarnen."

    Das schottische Forscherteam analysierte zwei Wochen lang das Verhalten Japanischer Wachtelhennen beim Brüten. Legefreudige Hennen legen etwa ein Teelöffel-großes Ei pro Tag. Die Eier tauchen in allen erdenklichen Nuancen im Bereich der Sand- und Erdfarben auf und sind außerdem mit dunkeln Farbtupfen besprenkelt. In freier Natur legen die Hennen ihre Eier in Mulden in den Boden. Im schottischen Labor mussten die Vögel mit verschiedenfarbigem Reptiliensand als Nistplatz vorlieb nehmen. Die Tiere konnten zwischen vier Plätzen auswählen, wo sie ihre Eier ablegten.

    "Wenn die Eier viele dunkle Flecken hatten, dann legten die Wachteln sie eher in dunklen Sand. Bei nur leicht gefleckten Eiern zeigte sich eine andere Strategie: Background Matching. Da stimmten die Farbe des Legeorts und die Hintergrundfarbe des Eis überein. Die Tiere scheinen also über unterschiedliche Tarnstrategien zu verfügen."

    Diese Tarnstrategien implizieren, dass die Hennen schon vor dem Legen ihrer Eier eine präzise Vorstellung davon haben müssen, wie sie aussehen werden. Denn die Wachteln gehen bereits vor dem Legen an die Stelle, wo ihre Eier optimal getarnt sind. Paul George Lovell und seine Kollegen fotografierten penibel jedes gelegte Ei vor seinem Untergrund. Dann bestimmten sie mithilfe eines speziellen Computermodells die Sichtbarkeit der Eier, also den Grad der Tarnung.

    "Das Schöne an unserer Studie ist, dass wir den Tarnungsgrad eines Eis an jedem beliebigen Ort im Sand mit dem tatsächlichen Legeort der Hennen vergleichen konnten. Das Tolle daran: Die Hennen wählten für jedes einzelne Ei genau jenen Legeort, der die bestmöglichen Tarnung bot."

    Die Wachtelhennen scheinen also bereits vor dem Legen zu ahnen, welche Farbe das kommende Ei haben wird. Und sie suchen sich den Legeort offenbar immer nach dem Prinzip "beste Tarnung" aus. Auch als die schottischen Forscher den Wachteln die Eier wegnahmen, und damit einen Raubzug simulierten, änderte das nichts am Verhalten der Tiere. Wenn eine Stelle, von der ein Ei angeblich geraubt worden war, auch für ein zukünftiges Ei farblich die bestmögliche Tarnung bieten würde, zögerten die Wachteln nicht, ihre Eier noch einmal genau dort abzulegen. Paul George Lovell vermutet, dass die Wachteln sich diese bemerkenswerte Fähigkeit zum Schutz ihres Nachwuchses erst im Laufe der Zeit aneignen. Bei jedem Ei ist ihre Vorahnung dabei aufs Neue gefragt.