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Weißrussland, die EU und die Eishockey-WM

Nach zahlreichen Sanktionen der EU gegen das Lukaschenko-Regime ist nun auch die Eishockey-WM 2014 in die Diskussion geraten. Das EU-Parlament hat den Internationalen Eishockey-Verband aufgefordert, wegen anhaltender Repressionen in Weißrussland die WM an ein anderes Land zu vergeben.

Von Doris Simon | 09.05.2012
    "Wenn das vergeben ist, dann ist es eigentlich zu spät."

    Niemals hätte Weißrussland den Zuschlag für die Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 bekommen dürfen, das steht für Werner Schulz fest. Der Europaabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen kennt sich aus in der östlichen Nachbarschaft der Europäischen Union, und er kann nicht verstehen, warum der Eishockeyweltverband ausgerechnet dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, Europas letzten Diktator, mit der WM ein solches Propagandageschenk beschert hat:

    "Weil wir es hier mit einer wirklich skrupellosen Diktatur zu tun haben, die grundlos Menschen eingesperrt hat und zwei Justizmorde in jüngster Zeit zu verantworten hat."

    Die europäische Union hat auf die Repression des Lukaschenko-Regimes gegen die Opposition mit Sanktionen reagiert und 243 Funktionäre, Polizisten, Richter und Unternehmer mit Einreiseverboten belegt und ihre Konten in der EU eingefroren. Das Europaparlament hat zuletzt den Internationalen Eishockey-Verband aufgefordert, wegen der anhaltenden Unterdrückung in Weißrussland die WM 2014 in ein anderes Land zu vergeben. Auch der bündnisgrüne Europaabgeordnete Werner Schulz hat dafür gestimmt. Einen Boykott der WM hält Schulz dagegen für falsch, ebenso wie Doris Pack, die Vorsitzende des Kultur- und Sportausschusses des Europaparlaments.

    ""Dann tun wir dem Sport keinen Gefallen, vor allen denen, die den Sport lieben, keinen Gefallen , und den Menschen, die dort leben und endlich etwas anderes sehen als das was sie tagtäglich sehen, den tun wir auch keinen Gefallen."

    Dabei scheinen die Chancen, dass der Internationale Eishockey-Verband Weißrussland die Austragung der WM 2014 entzieht, derzeit eher gering. Für das Regime in Minsk wäre ein Rückzieher der absolute Gau: Eishockey ist extrem beliebt in Weißrussland. Der Präsident schwingt selber den Schläger, am liebsten siegreich, wobei wohl auch mal nachgeholfen wird. Seinen Landsleuten präsentiert Lukaschenko die WM-Zusage seit den Wahlen vor eineinhalb Jahren als sein persönliches Verdienst. Sportfunktionäre müssten vorher darüber nachdenken, wohin sie Großereignisse vergeben, verlangt die CDU-Europaabgeordnete Pack.

    "Sie sollten dann vielleicht die Lehre daraus ziehen, dass man bei der Vergabe von großen Wettkämpfen auch ein bisschen daran denkt, dass es auch um Menschenrechte geht."

    Doch in der Debatte um Weißrussland und die Vergabe der Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 gibt es in der Europäischen Union auch andere Töne. Der sozialdemokratische Europaabgeordnete Justas Paleckis berichtet aus seiner Heimat Litauen, eine Mehrheit lehne dort die Sanktionspolitik gegen Weißrussland ab und ebenso die Überlegungen für eine Neuvergabe der Eishockey-WM. Vom litauischen Vilnius bis ins weißrussische Minsk fährt man nur 170 Kilometer. Doch es sind nicht die gutnachbarlichen Beziehungen, deretwegen die meisten Litauern die Eishockey-WM in Weißrussland lassen wollen, sagt der Europaabgeordnete Paleckis:

    "Ich fürchte, die meisten Litauer wären nicht einverstanden, weil sie Angst haben, dass sich dann unsere Wirtschaftsbeziehungen mit Weißrussland sich verschlechtern. Sie fürchten um Arbeitsplätze in Litauen und würden deshalb keine harten Maßnahmen gegen Weißrussland unterstützen."

    Der litauische Sozialdemokrat schaut bekümmert. Glücklich ist er nicht über die Einstellung seiner Landsleute, aber er kann sie erklären: Litauen befindet sich in einer schweren wirtschaftlichen Krise, und viele Menschen denken mit Wehmut an vermeintlich bessere Zeiten, früher, im Kommunismus. Die Kritik an Präsident Lukaschenko und seinem brutalen Regime finden viele Litauer da nachrangig, fasst Justas Paleckis seine Erfahrungen zusammen:

    "Sie sehen, dass es keine Presse- und Meinungsfreiheit gibt und keine Wahlen, aber sie sehen vor allem, dass Präsident Lukaschenko gewisse soziale Errungenschaften aus der Sowjetzeit beibehalten hat – und sie würden gerne etwas Ähnliches auch in Litauen haben."