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Weißrussland
EU will Flüchtlingslager finanzieren

Die EU möchte Flüchtlingslager in Weißrussland mitfinanzieren, denn bisher werden Asylbewerber dort in Gefängnissen inhaftiert. Kritiker bemängeln den geplanten Deal: In dem Land regiere mit Alexander Lukaschenko der "letzte Diktator Europas" und Weißrussland sei auch kein sicherer Drittstaat.

Von Karin Bensch-Nadebusch | 13.02.2017
    Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko während einer Pressekonferenz.
    Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko. (dpa / Belta)
    Flüchtlingslager in Weißrussland? Die EU will sie mitfinanzieren. Alte Aufnahmezentren sollen renoviert, neue gebaut werden. Sieben Millionen Euro wird die EU dafür von diesem Jahr an bis 2020 an Weißrussland zahlen. Das Geld stammt aus dem Europäischen Nachbarschaftsprogramm. Ziel ist es, mehr Sicherheit an den Außengrenzen nach Polen und Litauen zu schaffen. Woher stammen die Menschen, die über Weißrussland in die EU fliehen wollen?
    "Die kommen vor allem aus Tschetschenien, aus Syrien, auch aus der Ukraine", sagt die Grünen-Europa-Abgeordnete Barbara Lochbihler. Also Menschen, die vor dem Bürgerkrieg in Syrien und kriegerischen Konflikten in der Ostukraine fliehen. Aber auch Zuwanderer, die die wirtschaftliche Krise in Russland hinter sich lassen wollen und Arbeit in der EU suchen, zum Beispiel aus Georgien, den russischen Kaukasus-Republiken Tschetschenien und Dagestan.
    Die Aufnahmezentren in Weißrussland sollen vom Innenministerium oder Grenzschutz betrieben werden. Es soll offene und geschlossene Einrichtungen geben. Die Lager sollen jeweils 30 bis 50 Menschen Unterkunft bieten. Frauen und Jugendlichen werden getrennt untergebracht. Die Internationale Organisation für Migration und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen sollen Zugang haben.
    Grundsätzlich ist das sinnvoll, meint die Grünen-Europa-Abgeordnete Barbara Lochbihler. Denn bislang würden illegale Migranten in Weißrussland häufig in Gefängnissen festgehalten. Flüchtlinge hätten bislang keine Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen und würden einfach zurückgeschickt.
    "Das war jetzt eine Überlegung, dass man hier Einrichtungen schafft, wo die Flüchtlinge hinkommen können. Und die sollen dann geprüft werden, ob sie einen Antrag stellen können oder nicht."
    Justiz ist in Weißrussland nicht unabhängig
    Problematisch ist: Weißrussland hat kein funktionierendes Asylsystem. Die Justiz in dem Land ist nicht unabhängig. Und: In Weißrussland werden immer wieder Regierungskritiker, Journalisten, aber auch Flüchtlinge drangsaliert und verfolgt, sagt Lochbihler.
    "Sie müssen eigentlich, wenn Sie so etwas organisieren wollen, davon ausgehen, dass Weißrussland ein sicherer Drittstaat ist, so ähnlich wie man das mit der Türkei gemacht hat. Und das kann man nicht so leicht sagen."
    EU bemüht sich um Annäherung
    Die EU-Kommission will sich derzeit nicht zum Thema Flüchtlingslager in Weißrussland äußern, so eine Sprecherin der Brüsseler Behörde. Schon seit längerer Zeit bemüht sich die Europäische Union um eine Annäherung. Es gibt eine Mobilitätspartnerschaft, um leichter Arbeits- und Studenten-Visa zu bekommen. Weißrussen sollen Visa-Erleichterungen für die Einreise in den Schengen-Raum bekommen. Im Gegenzug soll ein Rücknahmeabkommen her, das Weißrussland verpflichtet, Flüchtlinge zurückzunehmen, die über das Land in die EU kommen.
    Kritiker werfen der EU vor, dass sie mit Flüchtlingslagern in Weißrussland, Abschiebeknäste in der "letzten Diktatur Europas" unterstützt. Präsident Lukaschenko, der das Land seit 1994 mit harter Hand regiert, ist in Europa höchst umstritten.
    Doch die Zahl der Menschen, die über Weißrussland in die EU wollen, steigt. Nach Informationen von Pro Asyl ist zwischen Januar und September vergangenen Jahres mehr als 70.000 Personen die Einreise in die EU verweigert worden. Von ihnen seien rund 60.000 aus Russland gewesen. Dreimal mehr als im Jahr 2015. Der steigende Migrationszustrom hat politische Konsequenzen, mahnt die Grünen-Europa-Abgeordnete Barbara Lochbihler.
    "Weil man eben diesen Teil der europäischen Grenze besser sichern will, wird die Kritik nicht mehr so deutlich geäußert."