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Weißrussland sorgt vor

Trockengelegte Sümpfe und zerstörte Ökosysteme: Dass die Umweltsünden der Vergangenheit so einen hohen Preis fordern, hätte sich die russische Regierung bis vor wenigen Wochen nicht vorstellen können. Im benachbarten Weißrussland hat man aus den Fehlern schon gelernt.

Von Mareike Aden | 20.08.2010
    Mit Gummistiefeln geht es durch hohes Schilf. Insekten surren dem weißrussischen Moorexperten Alexander Kasulin um die Ohren, während er durch das Moor Grichino-Starobinskoe, 170 Kilometer südlich von Minsk watet. Noch vor einem Jahr war hier nur schwarze Wüste. Doch dann wurde ein Großteil des Moores renaturiert: Mit Hilfe eines Dammes wurde das Grundwasser angestaut – mit dem Wasser kehrten seltene Tiere und Pflanzen zurück. Alexander Kasulin:

    "Uns haben die Moorfeuer geholfen, wenn man das so sagen kann. Im Jahr 2002 stand fast das ganze Land in Flammen. Das war eine Katastrophe. Unsere Staatsbeamten verstehen seitdem, dass die Wiedervernässung von Mooren Brandschutz bedeutet. Auch Präsident Lukaschenko hat schon mehrmals gesagt, dass es gut ist, Moore zu renaturieren."

    Und so wurden bereits 42.000 Hektar Moor in Weißrussland wiedervernässt. Neben Alexander Kasulin steht die deutsche Landschaftsökologin Annett Thiele, die sich ebenfalls auf Moore spezialisiert hat. Sie lebt seit fast zwei Jahren in Weißrussland und arbeitet an einem internationalen Projekt mit, das sich die Wiedervernässung von insgesamt 15.000 Hektar Moor zum Ziel gemacht hat – vor allem für den Klimaschutz. Annett Thiele:

    "Torf ist organisches Material, das unheimlich viel Kohlenstoff enthält. Und sobald der mit Sauerstoff in Verbindung kommt, beginnt er sich in seine Bestandteile zu zersetzen und es entsteht CO2. Und diesen ständigen Co2-Strom den wollen wir nicht. Sondern wir wollen erstens ein Moor erhalten, was ursprünglich da war und wenn man sozusagen das Wasser zurückbringt, dann stoppt dieser Torfmineralisierungsprozess und die Pflanzen bringen vielleicht sogar neue Torfbildungsprozesse."

    Das arme Weißrussland kann sich umfangreiche Wiedervernässung allerdings nicht leisten. Das teilweise von der deutschen Michael Succow-Stiftung entwickelte Projekt, an dem Annett Thiele mitarbeitet wird vom deutschen Bundesumweltministerium mit 3,2 Millionen Euro unterstützt – als Teil der internationalen Klimakampagne. Und auch das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen engagiert sich für Moorschutz in Weißrussland.

    ""Am Anfang war es ziemlich schwer. Die Menschen vor Ort haben nicht verstanden, warum wir Moore wiedervernässen wollen. Wir haben dann alles erklärt, über CO2-Ausstoß und Brandschutz – und vor allem der Brandschutz überzeugt die zuständigen Forstbetriebe. Denn sie müssen kein Geld für Feuerprävention oder fürs Löschen ausgeben. Auch das ist ja gut fürs Klima. Und nun fangen die Leute an wirklich zu verstehen","

    sagt Olga Tschabrowskaja, Moorexpertin der Vereinten Nationen in Weißrussland.

    Ein weiteres Ziel der internationalen Forschergruppe ist es, ein wissenschaftliches Modell zu erarbeiten, das genau bestimmt, wie viele Treibhausgase verschiedene Moortypen abgeben. Im ganzen Land beschreiben sie dazu Pflanzenarten, messen Wasserstände und den Ausstoß von Treibhausgasen. Das Modell ist Voraussetzung für den Handel mit Emissionsrechten. Damit könnten Weißrussland und andere Länder das, was in den Mooren an Treibhausgasen gebunden bleibt, zu Geld machen.
    Weißrussland hat begonnen das Potenzial von naturnahen Mooren zu verstehen. Die Moorexperten in Weißrussland hoffen, dass Nachbarland Russland nach den schweren Feuern nun ebenfalls neue Wege einschlägt im Umgang mit seinen Mooren.