Aus den Feuilletons

Highway to Hell in die Apokalypse

04:14 Minuten
Die verwüstete Hauptstraße des Ortes Cobargo in New South Wales, Australien, nachdem ein Buschfeuer übergegriffen hatte.
Die verwüstete Hauptstraße des Ortes Cobargo in New South Wales, Australien, nachdem ein Buschfeuer übergegriffen hatte. © Sean Davey / AAP / imago-images
Von Ulrike Timm · 08.01.2020
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Den unbezwingbaren Bränden in Australien widmen sich der "Tagesspiegel" und die "Zeit". Dort wird die Abhängigkeit des Landes von fossilen Brennstoffen beschrieben und sieht ein Schriftsteller eine wahnsinnig gewordene politische Klasse am Werk.
Eigentlich geht es in dem Song "How do we sleep while our beds are burning?" der australischen Band Midnight Oil um das Land, das die Kolonialherren den Aborigines gestohlen haben. Aber nun?
"Betten brennen nicht mehr metaphorisch, sondern real. Und 'Beds are burning', dem Lied von 1986, wächst neue Bedeutung zu. Es ist dabei, zur Protesthymne gegen den menschengemachten Klimawandel zu werden." Das lesen wir im TAGESSPIEGEL, der beschreibt, warum in Australien "auch die Rock’n'Roll-Kultur auf fossilen Brennstoffen aufgebaut ist."

Australien setzte zu lange auf fossile Brennstoffe

Australien ist der weltgrößte Kohleexporteur, nirgends ist der Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen größer, zwischen 1990 und 2018 verdoppelte sich der Kohleabbau.
"Wobei den stoisch an ihrem Drei-Akkorde-Konzept festhaltenden Rockdinosauriern von AC/DC das Verdienst gebührt, bereits 1979 darauf hingewiesen zu haben, wohin das Leben auf dem Gaspedal führen kann: über den 'Highway to Hell' direkt in die Apokalypse."
Daran mag der australische Schriftsteller Richard Flanagan gedacht haben, als er seinen Beobachtungen aus einem brennenden Land in der ZEIT den Titel "An der Pforte der Hölle" gab.
"Vor der Buchhandlung im vom Feuer verwüsteten Dorf Cobargo in New South Wales steht ein neues Schild: 'Postapokalyptische Belletristik steht jetzt unter 'Aktuelles Zeitgeschehen'", schreibt Flanagan, und auch wenn sich das wie eine pittoreske zynische Betrachtung liest, der Grundton des Autors ist Angst. Angst und Wut. Wut vor allem auf die australische Regierung."

Das Tschernobyl der Klimakrise

"Die Situation erinnert auf gespenstische Weise an die Sowjetunion in den 1980er-Jahren, als die regierenden Funktionäre allmächtig waren, ihnen aber die grundlegende moralische Legitimation zum Regieren wegbrach", meint Flanagan.
"In Australien steht heute eine politische Klasse, die in ihren Hirngespinsten erstarrt und wahnsinnig geworden ist, vor einer beängstigenden Realität, mit der sie sich weder auseinandersetzen kann noch will."
Ausgehend von der These Michail Gorbatschows, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion mit der Atomreaktorkatastrophe von Tschernobyl begann, fragt Richard Flanagan in der ZEIT: "Könnte sich die unermessliche Tragödie der Buschfeuer in Australien vielleicht dereinst als das Tschernobyl der Klimakrise erweisen?"

Briefe aus dem Brexit-Seelenleben

Vor dem Hintergrund der großen Feuer werden sich die britischen Debatten zum Brexit womöglich dereinst als popelig erweisen. Für Streetart-Künstler Banksy sind sie Affentheater - so malt er das auch, und sein Bild illustriert die erste Kolumne einer neuen Serie in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: Die Schriftstellerin A.L. Kennedy schickt "Briefe vom Abgrund, aus dem Seelenleben des Brexit".
"Ein Schuljungenstreit zwischen zwei Politikern aus Eton hat sich irgendwie mit einem ranzigen Weltbild aus dem 18. Jahrhundert gepaart." Kennedy ätzt, zürnt und wütet, dass es eine Freude ist, aber sei's drum, die Briten haben den Brexit nun mal bestätigt, auch wenn A.L. Kennedy die Felle wegschwimmen sieht, schon wenn sie den eigenen Haushalt sichtet: "Pullover, Kopfschmerzmittel, Toilettenpapier - alles importiert, alles vor ungewisser Zukunft."
Nach so viel Apokalypse, Streit und ranzigem Weltbild noch ein Blick in die TAZ und ins "fröhliche Österreich." Der ORF strahlte die Sondersendung zur sogenannten "Angelobung" der neuen türkis-grünen Bundesregierung auch in der TV-Thek aus. Dabei wurden jedoch aus Versehen die Untertitel der vorangegangenen Sendung 'Alisa - Folge deinem Herzen' eingeblendet.
Das passte erstaunlich gut, findet die TAZ, nimmt die Idee auf und collagiert einige deutsche Vereidigungsszenen nach Wiener Art mit den Original-ORF-Untertiteln. Passt wieder! Kostprobe: "Markus Söder beim Armdrücken nach der Wahl zum Bayerischen Ministerpräsidenten mit seinem Vorgänger Horst Seehofer." 'Alisa - folge Deinem Herzen' liefert den Untertitel: "Nein. Der schon wieder."
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