"Goin´ Platinum" von Robert Finley

Der Alte Mann und der Soul

Robert Finley im seinem zweiten musikalischen Frühling vor einem Felgenlager.
Robert Finley im seinem zweiten musikalischen Frühling vor einem Felgenlager. © Alysse Gafkjen
Von Kerstin Poppendieck · 12.12.2017
Während andere sich auf das Rentnerleben vorbereiten, startet der Anfang 60-jährige Soul- und Bluessänger Robert Finley weiter durch. Nach seinem Debütalbum "Age Don´t Mean A Thing" kommt jetzt "Goin´ Platinum", das maßgeblich von Produzent Dan Auerbach geprägt ist.
"Wenn man in eine fremde Stadt kommt und eine Gitarre dabei hat, dann öffnen die Gitarre und ein Lächeln einfach die Herzen vieler Menschen. Und durch meine Gitarre habe ich viel mehr hübsche Mädchen kennengelernt als jemals zuvor."

Cowboyhut, grauer Bart, ein selbstbewusstes Lachen. Robert Finley erzählt gern und ausschweifend. Dabei will er nicht krampfhaft beeindrucken und den Zuhörer für sich begeistern, sondern hat ganz offensichtlich Spaß daran, seine ungewöhnliche Lebensgeschichte zu teilen. Als Teenager begann er Gitarre zu spielen. Später in der US Army war er der Leiter der Armeeband. Anschließend arbeitete er als Tischler. Als seine Sehkraft so sehr nachließ, dass er Nägel und Löcher nicht mehr sehen konnte, versuchte er sich als Straßenmusiker. Wurde von einer Stiftung entdeckt, die sich um ältere, in Armut lebende Musiker kümmert und veröffentlichte im vergangenen Jahr sein Debütalbum. Mit 62 Jahren.
"Wenn all das schon vor 20, 30 Jahren passiert wäre, wäre ich vielleicht geistig noch nicht bereit dafür gewesen. Erfolg kann einen manchmal zerstören, wenn man nicht weiß, wie man damit umgehen soll. Viele junge Musiker, die schnell erfolgreich sind, verfallen dem vielseitigen Angebot an Drogen."

Eine Stimme, die schon beim ersten Hören fesselt

Allein bis dahin ist die Geschichte von Robert Finley beeindruckend. Ein Mann mit einer Blues Stimme, die kraftvoll und rau klingt und schon beim ersten Hören fesselt. Doch dann trat Dan Auerbach in sein Leben, und das war, als würde jemand das Gaspedal noch mal so richtig durchtreten. Auerbach, der vor allem als Sänger der Band Black Keys bekannt ist, hat sich in Nashville ein Studio eingerichtet, sein eigenes Label gegründet und arbeitet mittlerweile auch als Texter und Produzent. Robert Finley ist der erste Musiker, den er auf seinem Label "Easy Eye Sound" veröffentlicht. Für Finley ein Glücksgriff, denn natürlich bedeutete Dan Auerbach für ihn den Eintritt in eine ganz neue Musikwelt. Finley kannte auch nach seinem Debütalbum kaum jemand, Auerbach hat bereits vier Grammys gewonnen. Und so hat Finley bei seinem zweiten Album Auerbach sein vollstes Vertrauen geschenkt.
"Auch auf dem zweiten Album jetzt geht es viel um Dinge, die ich selbst erlebt hab, allerdings haben diese Texte andere geschrieben. Es ist, als hätten sie in meine Seele geschaut. Dieses neue Album hat mich als Musiker auf ein ganz neues Level gehoben. Ich hab mich nie als Rock´n´Roll Sänger gesehen. Blues und Southern Soul, das war immer meins. Deshalb ist das jetzt etwas ganz Neues für mich."

Aus dem Singer und Songwriter Robert Finley, der mit der Gitarre durch Schulen und Clubs zog, ist der Sänger Robert Finley geworden. Der mit einer nach wie vor umwerfenden Stimme Lieder singt, die Dan Auerbach, John Prine oder auch Nick Lowe für ihn geschrieben haben. Auch Gitarre spielt er nicht mehr selbst. Aber auf Grund seiner immer schlechter werdenden Augen vermisst er die Gitarre auch nicht. Viel mehr kann er sich jetzt ganz auf seinen Gesang konzentrieren, sagt er. Auf Texte in denen es um Liebe, das Leben als Straßenmusiker, Selbstverwirklichung und -motivation geht und nochmals um Liebe. Klassische Themen in der Soul- und Bluesmusik. Dan Auerbach als Produzent hat dafür gesorgt, dass daraus mehr als klassische Soul- und Blues Songs wurden, wobei ihm der große innovative Wurf nicht gelungen ist.

"Das ist wie ein großer bunter Eintopf aus Rock´n´Roll, Southern Soul und sogar ein bisschen Jazz. Musik für alle Generationen: 60-, 70-jährige genauso wie Teenager. Das ist Dans Verdienst. Denn er hat eine Band zusammengestellt mit Musikern, die bereits mit Aretha Franklin und Ray Charles zusammen gespielt haben. Solch erfahrene Musiker, die genauso ein älteres wie ein jüngeres Publikum begeistern können."

Wie eine musikalische Marionette von Dan Auerbach

"Goin´ Platinum" ist ein überzeugendes Album in der Blues Tradition mit Robert Finley als einem Sänger, dessen Stimme berührt. Und doch haben Robert Finley und sein neues Album einen leicht bitteren Beigeschmack. Man bekommt den Eindruck, er wäre fast so etwas wie eine musikalische Marionette von Dan Auerbach. Hat die kreative Verantwortung abgegeben und beschlossen, nur noch das zu singen, was Dan Auerbach ansagt. Was grundsätzlich nicht schlecht ist, denn beide sind bemerkenswerte Musiker, allerdings wäre es nach diesem herausragenden Debüt von Robert Finley auch spannend gewesen, was er beim zweiten Album präsentiert hätte.
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