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Konfessionelle Kitas
Sensibel mit anderen Religionen

Viele Nationalitäten, verschiedene Glaubensrichtungen - das ist Alltag in deutschen Kitas. Von den Erzieherinnen und Erziehern konfessioneller Kindergärten wird Sensibilität für andere Religionen erwartet. Muslime einzustellen, ist bisher nicht möglich.

Von Michael Hollenbach | 08.05.2017
    Eine Kirche aus Holzbausteinen in einer evangelischen Kindertagesstätte
    Eine Kirche aus Holzbausteinen in einer evangelischen Kindertagesstätte (picture-alliance / dpa / Jens Büttner)
    Rund ein Dutzend Kinder sind an diesem Morgen in der evangelischen Kita in Hannover-Hainholz zur Trommelgruppe zusammengekommen. Kinder aus Familien mit ganz unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen. Ein Kind – so die Leiterin Renate Dressler – sei Hindu und stamme aus Indien:
    "Wir lernen mit jedem Kind. Was wir jetzt gerade haben in Bezug auf Religion, das Kastensystem in Indien: Wir lernen ständig neu."
    Das Kind gehört einer höheren Kaste an und hat erzählt, welche Aufgaben und Pflichten man damit übernehmen müsse.
    "Erzieherinnen müssen eine gewisse Sensibilität mitbringen"
    In Hannover-Hainholz stammen die Eltern der Kita-Kinder aus 30 verschiedenen Nationen, 94 Prozent der Kleinen haben einen Migrationshintergrund, die große Mehrheit der Kinder ist muslimisch. Dass die evangelische Kita natürlich eine christliche Ausrichtung habe, sei manchmal für islamische Eltern nicht ganz einfach zu akzeptieren:
    "Wenn eine Mutter sagt: Es ist jetzt Advent und ich habe Angst, dass mein Kind zu viel davon mitbekommt. Es soll nicht kommen. Auch so was gibt es. Dann ist das natürlich erst einmal konfliktträchtig."
    Doch wenn man über solche Ängste rede, dann helfe das meist, Missverständnisse auszuräumen, sagt die Kita-Leiterin. Auf religiöse Feste in der Kita zu verzichten, hält Naciye Kamcili-Yildiz für falsch. Das erklärte die Dozentin für islamische Religionsdidaktik an der Universität Paderborn in der vergangenen Woche auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum:
    "Ich finde das eher positiv, wenn man in einer bunten pluralen Gesellschaft lebt und daher sollten auch christliche Feste im Kindergarten begangen werden. Aber es kann zu Schwierigkeiten kommen, wenn man versucht, missionarisch an die Sache ranzugehen. Da müssten die Erzieherinnen eine gewisse Sensibilität mitbringen, dass man bei der Thematisierung der Religion nicht übergriffig wird."
    Zu einer religionssensiblen Kita gehören – so Sabine Dressler – neben Halal geschlachtetem Fleisch für die Kita-Küche - vor allem freiwillige religiöse Angebote.
    "Wir sind evangelische Christen und machen das auch gern, aber wir müssen nicht andere missionieren. Wir wissen, was wir haben, hören den anderen zu und erzählen von uns persönlich."
    Religiöse Segmentierung?
    Allerdings würde sich die Erzieherin ebenso wie Pastorin Sabine Deisenroth-Rogge auch muslimische Erzieherinnen in der Kita wünschen. Das ist nach kirchlichem Dienstrecht bislang noch nicht möglich:
    "Wenn wir wirklich religiös und auf allen Ebenen miteinander leben wollen, dann muss es auch in der Kita möglich sein, dass es nicht nur christliche Erzieherinnen gibt."
    Denn die Erfahrungen mit muslimischen Praktikantinnen zeigten, dass diese aufgrund ihres sprachlichen und kulturellen Hintergrunds die Kinder oft besser verstehen können.
    Auch wegen des besseren religiösen Verständnisses haben muslimische Eltern in einigen deutschen Städten eigene Kitas gegründet. Mittlerweile gibt es bundesweit rund 30 islamische Kindertagesstätten. Eine davon ist "Regenbogen Kids" in Berlin. Die 17 Kinder sind zwar fast alle muslimisch, doch die Herkunft ihrer Eltern ist sehr unterschiedlich: Die meisten stammen aus der Türkei, andere aus Nordafrika, aus dem Sudan und Afghanistan. Iman Andrea Reimann ist die Leiterin der Kita. Sie erläutert, was eine muslimische Kita von anderen unterscheidet:
    "Zum einen mit der Begrüßung, dass wir uns mit dem Frieden begrüßen As-salamu aleikum, der Friede sei mit euch, dass wir bestimmte Gebete machen vor dem Essen, nach dem Essen, dass wir auch besonders gucken, wenn die Ramadan-Zeit ist, mit den Kinder projektbezogen arbeiten oder zum Opferfest."
    "Gegenseitiger Respekt fängt schon in der Kita an"
    Die Paderborner Religionspädagogin Naciye Kamcili-Yildiz hält die Etablierung islamischer Kitas für den falschen Weg:
    "Ich bin dafür, dass jede Einrichtung diese Pluralität der Gesellschaft abbilden sollte. Und deshalb bin eher dafür, dass man gemeinsam die Dinge macht."
    Das sieht auch Annett Abdel-Rahman so. Die muslimische Religionslehrerin verweist auf ihre Erfahrungen an der Drei-Religionen-Schule in Osnabrück:
    "Dass Menschen sich begegnen und dass sie lernen, über ihre Differenzen zu sprechen, und zwar nicht nur die Gemeinsamkeiten erkennen, sondern auch auszuhalten, dass jemand anders ist oder eine andere Meinung hat. Und wenn wir das in der Kita mit Respekt üben, dann können das Menschen auch als Erwachsene, aber wenn wir alle in unserem eigenen kleinen Kosmos sind, dann begegnen wir uns nicht und sind ständig in Missverständnissen unterwegs und das ist problematisch."
    Und Naciye Kamcili-Yildiz ergänzt:
    "Gerade in der Elementarerziehung wird viel Zeit damit vertan, indem man so tut, als ob wir alle gleich sind. Je früher man solche Unterschiede auch benennt, desto früher wird man geschult, Menschen auch anders wahrzunehmen, Menschen auch in ihrer Vielfalt wahrzunehmen."
    Kritik am Leitkultur-Begriff
    Es gehe darum, mit dieser Vielfalt umzugehen, und nicht den Menschen eine Leitkultur vorzugeben, wie dies Innenminister Thomas de Maiziere angeregt hat. Mit dem Begriff einer deutschen Leitkultur können Naciye Kamcili-Yildiz, Sabine Deisenroth-Rogge und Anett Abdel-Rahman ohnehin wenig anfangen:
    Kamcili-Yildiz:
    "Muss ich jetzt Mitglied im Schützenverein sein, muss ich jetzt Schweinefleisch essen? Ich habe Probleme mit diesem Begriff."
    Deisenroth-Rogge:
    "Ich mag den Begriff Leitkultur nicht. Mir ist es wichtiger, auf der Basis des christlichen Glaubens in diesem Stadtteil gut mit Menschen unterschiedlichster Herkunft zu leben. Dann klappt alles andere auch."
    Abdel-Rahman:
    "Wenn ich jedem zuhöre und Wertschätzung entgegen bringe, dann kann ich für meine kleine Kita eine Leitkultur entwickeln oder einen Werterahmen, wo jeder eine Rolle spielt und jeder seinen Platz hat. Ich glaube, dass ist extrem wichtig in unserem Miteinander, dass jeder einen Platz hat und seine Beachtung findet."