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Türkischer Geheimdienst in Deutschland
Prozessbeginn gegen mutmaßlichen Spion

In Hamburg beginnt der Prozess gegen einen mutmaßlichen Spion des türkischen Geheimdienstes, der in Deutschland Kurden und einen ranghohen PKK-Funktionär ausspioniert haben soll. Die Bundesanwaltschaft klagt an.

Von Axel Schröder | 07.09.2017
    Die türkische Landesflagge flattert am 23.03.2017 in Mainz (Rheinland-Pfalz) vor dem Generalkonsulat der Türkei im Wind. Die in Rheinland-Pfalz und im Saarland lebende Türken können ab 27.03.2017 über die Verfassungsreform in der Türkei abstimmen. Die einzige Wahlurne für die beiden Bundesländer steht im türkischen Generalkonsulat in Mainz.
    In Hamburg beginnt der Prozess gegen einen mutmaßlichen Spion des türkischen Geheimdienstes (picture alliance / dpa / Andreas Arnold)
    Yüksel Koç hält sein Handy hoch, zeigt es den Journalisten auf der improvisierten Pressekonferenz in Hamburg St. Georg. Ende letzten Jahres empfing er mit dem Handy die letzte Nachricht des Mannes, der vom türkischen Geheimdienst auf ihn angesetzt gewesen worden sei und der Mitte Dezember verhaftet wurde und seitdem in Untersuchungshaft sitzt.
    "Als er untergetaucht war, bekam ich die SMS. ‚Hast Du das erreicht, was Du wolltest?" schrieb er mir. "Aber mach Dir keine Sorgen! Wir waren kurz davor, Dich in Deiner Wohnung zu begraben. Aber Du wirst uns nicht entkommen!‘"
    "Ich dachte, er plant ein Porträt über mich"
    Der Bremer Yüksel Koç ist nach Hamburg gekommen, um den Prozess gegen Mehmet Fatih S. vor dem Oberlandesgericht zu verfolgen. Gegen den Mann, den der türkische Geheimdienst MIT beauftragt haben soll, einen Mord an ihm, dem Co-Vorsitzenden des "Kongresses der kurdisch-demokratischen Gesellschaft Kurdistans in Europa", zu organisieren. Er sieht Parallelen zum Mord an drei kurdischen Aktivistinnen in Paris. Vor vier Jahren hatte ein V-Mann des türkischen Geheimdiensts die Frauen erschossen. Der kurdische Top-Funktionär Yüksel Koç erzählt, wie Mehmet Fatih S. ihn ausspioniert hat: getarnt, als Journalist des kurdischen Senders Denge TV.
    "Er hat Kontakt zu uns gesucht. Ein Kurde, der sich politisch interessiert. Er hat alles gegeben, um unser Vertrauen zu gewinnen. Er hat die Leute in meinem Umfeld, meine Verwandten kontaktiert. In Kurdistan hat in meinem Dorf mit meiner Mutter gesprochen. Ich dachte, er plant ein Porträt über mich. Vielleicht war das naiv."
    Bundesanwaltschaft durch harte Fakten aktiviert
    Dass es überhaupt zum Prozess kommt, liegt nach Meinung von Yüksel Koç vor allem an seiner Hartnäckigkeit und der seines Anwalts. Die beiden informierten die Sicherheitsbehörden und schilderten den Fall Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft, sogar im Bundesjustizministerium sprachen sie vor. Aber erst als Yüksel Koç Kopien von Notizen, Fotos und Dokumente vorlegen konnte, die den Verdacht gegen den mutmaßlichen Geheimdienstler erhärteten, wurde auch die Bundesanwaltschaft aktiv, erklärt sein Anwalt Rainer Ahues.
    "Am 24. November ist dann deutlich geworden, dass die Bundesanwaltschaft, die oberste und für politische Dinge insbesondere zuständige Staatsanwaltschaft in der Bundesrepublik die Sache an sich gezogen hat und ein Verfahren wegen ‚geheimdienstlicher Agententätigkeit‘ gemäß Paragraf 99 Strafgesetzbuch eingeleitet hat."
    Dafür drohen Mehmet Fatih S. im Falle einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Das Gericht hat für das Verfahren neun Verhandlungstage eingeplant. Bleibt es bei diesem Fahrplan, wird Mitte Oktober das Urteil verkündet werden.