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Weitgehend frei von Gewalt

Bei den mazedonischen Parlamentswahlen im letzten Sommer kam es zu bewaffneten Ausschreitungen zwischen den Parteien der albanischen Minderheit. Danach haben die EU-Repräsentanten unmissverständlich klar gemacht: Sollte es bei der nächsten Wahl wieder so korrupt zugehen, ist es um einen möglichen EU-Beitritt schlecht bestellt. An diesem Sonntag ist es wieder so weit.

Von Dirk Auer | 20.03.2009
    Als Demonstrationszug ziehen die Anhänger der nationalkonservativen Regierungspartei VMRO-DPMNE auf den Platz vor dem Mutter-Teresa-Haus im Zentrum von Skopje. Etwa 100 Meter weiter liegt das Büro von Peter Eicher. Der Vorsitzende der OSZE-Wahlbeobachtungskommission ist im Großen und Ganzen zufrieden mit dem bisherigen Wahlverlauf:
    "Der Wahlkampf ist diesmal weitgehend frei von gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Kandidaten sind in ihrer Rhetorik moderat und verhalten sich sehr verantwortungsvoll. Allerdings erhalten wir aber auch Berichte, dass Leute unter Druck gesetzt werden - Angestellte des öffentlichen Dienstes etwa, denen erzählt wird, sie könnten ihren Job verlieren, sollten sie die Opposition wählen."
    Premierminister Nikola Gruevski betritt die Bühne, an seiner Seite der konservative Präsidentschaftskandidat Gjorge Ivanov. Er gilt als Marionette Gruevskis, ist aber trotzdem - oder gerade deshalb - haushoher Favorit bei den Wahlen. Beide vertreten im so genannten Namensstreit mit Griechenland eine kompromisslose Linie: Nur unter dem offiziellen Namen "Republik Mazedonien" werde das Land der NATO und der EU beitreten, betonen sie gebetsmühlenartig. Für Gordan Georgiev von der Nichtregierungsorganisation "Forum" Ausdruck einer insgesamt bedenklichen Entwicklung:

    "Die Regierung hat in den letzten drei Jahren viel mit Mythologie und Nationalismus gespielt. Sie wollen die nationale Einheit, aber sie haben es fertig gebracht, selbst noch die ethnischen Mazedonier zu spalten - in diejenigen, die ihre Wurzeln in der Antike sehen und diejenigen, die sich als Slawen bezeichnen."
    Millionen wurden ausgegeben für TV-Spots, die über die angeblich antiken Wurzeln des mazedonischen Volkes aufklären. Dazu kommt jede Menge Symbolpolitik, wie die Umbenennung des Flughafens nach Alexander dem Großen. Spätestens das brachte für Griechenland das Fass zum Überlaufen: Vergangenes Jahr verhinderte Athen durch ein Veto, dass Mazedonien eine formelle Einladung zur NATO-Mitgliedschaft erhielt. Auch innenpolitisch könnte der Kurs der Regierung noch einigen Schaden anrichten, meint Gordan Georgiev:

    "Es gibt eine große Unzufriedenheit unter den Albanern, weil sie nicht so sehr an dem Streit um den Namen interessiert sind. Aber sie sind sehr daran interessiert, endlich der NATO beitreten zu können."
    Die Albaner machen gut ein Viertel der Gesamtbevölkerung Mazedoniens aus. Und Umfragen zeigen: Im Gegensatz zu den ethnischen Mazedoniern könnten sich weit über die Hälfte von ihnen mit einem neuen Landesnamen wie "Nord-" oder "Obermazedonien" anfreunden - wenn damit nur endlich der Weg in die NATO und EU frei wäre. Der Albaner Musar Xhaferi ist Minister für Regionalentwicklung und Dezentralisierung:

    "Wir müssen alle Kräfte sammeln, dass wir die NATO-Ziele schaffen. Vielleicht sollten wir beide, Griechenland und Mazedonien, eine bisschen konstruktiver an das Problem gehen."
    Auch die EU fordert schon seit langem mehr Pragmatismus von den Verhandlungspartnern. Gordan Georgiev glaubt jedoch nicht, dass sich nach der Wahl etwas an dem nationalistischen Kurs der Regierung ändern wird.

    "Die Regierung hat aus meiner Sicht überhaupt kein Interesse, die Namensfrage zu lösen. Seit drei Jahren reden sie davon, dass wir unsere Identität nicht aufgeben dürfen. Sie haben einen Diskurs kreiert: Wenn wir den Landesnamen ändern, werden wir aufhören als Mazedonier zu existieren."