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Welt-Naturerbe
Trübe Zeiten für das Great Barrier Reef

Umwelt. - Vor über 30 Jahren wurde das Great Barrier Reef vor der Nordostküste Australiens von der UNESCO zum Welt-Naturerbe erklärt. Jetzt aber ist genau dieser Status in Gefahr. Die australische Regierung hat im vergangenen Jahr entschieden, den Hafen Abbot Point zum größten Kohlehafen der Welt auszubauen. Der dafür nötige Erdaushub soll im Riff versenkt werden. Welche Auswirkungen so etwas auf Korallen hat, haben jetzt australische Forscher untersucht.

Von Monika Seynsche | 31.10.2014
    Joe Pollock und seine Kollegen wollten keine Laborexperimente durchführen, sondern untersuchen, wie Korallen in ihrer natürlichen Umgebung auf künstlich eingebrachten Schlamm reagieren. Also reisten die Forscher vor die Küste Westaustraliens. Hier wurden über18 Monate hinweg insgesamt sieben Millionen Kubikmeter Meeresboden ausgebaggert, um ein Erdgasfeld zu erschließen. Der Aushub landete im Meer, in der Nähe von Korallenriffen. Bei den Arbeiten wirbelten die Bagger viel Sediment auf, das als Fahne in die Strömung gelangte.
    "Wir haben uns verschiedene Riffe angeschaut, die unterschiedlich weit von der Sedimentfahne entfernt waren und untersuchten ihren Gesundheitszustand. Wir wollten wissen, wie sich solche Baggerarbeiten auf Korallen und damit auf die Basis des Ökosystems da unten auswirken."
    Die Korallen, die den meisten Schlamm abbekommen hatten, waren doppelt so häufig krank wie jene in unbelasteten Vergleichsgebieten.
    Schlammfahne macht Korallen krank
    "Am häufigsten beobachteten wir eine Krankheit namens White Syndrome. Dabei löst sich das Korallengewebe vom Kalkgerüst. Manchmal ist es so schlimm, dass Sie mit ihrer Hand im Wasser wedeln können und sehen, wie das Gewebe einfach so abfällt – wie das Fleisch von einem Knochen. Meiner Erfahrung nach ist diese Krankheit immer tödlich. Sie breitet sich auf den Korallen solange aus, bis nur noch weiße Skelette übrig bleiben."
    Korallen sind Tiere, von denen die meisten in einer Lebensgemeinschaft mit Algen leben. Die Tiere filtern winzige Pflanzen, Nährstoffe und Spurenelemente aus dem Wasser und erhalten einen weiteren Teil ihrer Nahrung von den Algen. Die wiederum benötigen Sonnenlicht, um Photosynthese betreiben und Kohlenhydrate herstellen zu können. Und genau da fangen die Probleme an. Denn durch die bei den Baggerarbeiten aufgewirbelte Sedimentfahne trübt sich das Wasser ein.
    Joe Pollock: "Dadurch gelangt weniger Licht zu den Korallen. Gleichzeitig legen sich die feinen Sedimentpartikel wie eine Staubschicht auf die Tiere und behindern deren Fähigkeit, Nahrung aus dem Wasser zu filtern. Es kostet die Korallen sehr viel Energie, diese Sedimentschicht wieder abzuschütteln. Sie benötigen also mehr Energie, während ihnen gleichzeitig die Energie aus dem Sonnenlicht verloren geht. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht im Energiehaushalt. Das verursacht den Korallen chronischen Stress und wie bei allen anderen Lebewesen auch, befördert Stress Krankheiten."
    Das sei eine so grundlegende physiologische Reaktion, sagt Joe Pollock, dass sie wahrscheinlich überall auf der Welt auftrete, wenn Korallen mit aufgewühltem Sediment zu kämpfen haben. Auch die Korallen des Great Barrier Reefs dürften davon betroffen sein, sollte die australische Regierung der Verklappung des Hafenaushubs im Meer zustimmen. Deutlich teurer, aber auch wesentlich umweltfreundlicher wäre es, den Schlamm stattdessen an Land zu deponieren.