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Weltklimabericht
Atmosphärenforscher: "Keine schnelle Lösung möglich"

Wissenschaftler warnen, dass die Erde zwischen dreieinhalb und fast fünf Grad Celsius wärmer werden könnte, als sie es in der vorindustriellen Zeit war. Marc Lawrence, wissenschaftliche Direktor am Potsdamer Forschungsinstitut, forderte im DLF eine globale Zusammenarbeit.

Mark Lawrence im Gespräch mit Ursula Mense | 15.04.2014
    Ein Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde, Brandenburg (Foto von 2014)
    Bei den Verhandlungen über neue Klimaschutzziele könnte der Druck auf die Industrieländer in den kommenden Monaten steigen (Foto von 2014) (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Ursula Mense: Es ist noch nicht zu spät und die weltweite Energiewende kann gelingen. Das ist die Botschaft des eigentlich äußerst bedrückenden Weltklimaberichts, in dem die Wissenschaftler warnen, wenn wir so weiter machen wie bisher, dann droht uns eine Welt, die zwischen dreieinhalb und fast fünf Grad Celsius wärmer sein könnte, als sie es in der vorindustriellen Zeit war.
    Der Weltklimarat IPCC zeigt in seinem dritten Bericht aber auch, wie wir den Klimawandel noch bremsen können, und eine der denkbaren Möglichkeiten ist offenbar auch das sogenannte Climate oder Geo-Enginiering. Damit gemeint sind alle möglichen technologischen Eingriffe in irdische Abläufe, Kreisläufe, um die Kohlendioxid-Konzentrationen zu verringern, oder von vornherein die Sonneneinstrahlung zu beeinflussen. Climate Enginiering ist aus verschiedenen Gründen umstritten, aber dass der Weltklimarat das Thema nicht zum ersten Mal, aber zum ersten Mal auf nennenswerte Weise in seinem Bericht erwähnt, das macht neugierig.
    Als Autor maßgeblich daran beteiligt war Professor Mark Lawrence, der wissenschaftliche Direktor am Potsdamer Forschungsinstitut, IASS abgekürzt, und den begrüße ich jetzt am Telefon. Hallo, Herr Lawrence. Sind Sie da?
    Mark Lawrence: Guten Morgen, Frau Mense. Ich bin hier.
    Mense: Wird Climate Enginiering damit jetzt salonfähig?
    Lawrence: Das IPCC hat in der Tat Climate Enginiering in seinen drei Teilberichten dieses Mal jetzt aufgenommen. Aber das soll man nicht als politisches Statement verstehen. Es hat zwei Hauptgründe, weshalb man Climate Enginiering mit aufgenommen hat. Erstens: Das Mandat des IPCC ist, die Fachliteratur von allen veröffentlichten Studien sowie die weiterführenden Diskussionen relativ akkurat darzustellen, und da es schon eine Vielzahl von Veröffentlichungen dazu gibt, ist es sinnvoll und richtig, dass das IPCC dieses Thema aufnimmt. Aber es ist in sehr limitierter Weise. Es stellt nur circa ein Prozent von der Länge von jedem der drei Berichte dar.
    Der zweite Grund ist, das IPCC konnte aus der bisherigen Literatur einen Gesamteindruck gewinnen, und es ist wichtig, diesen Gesamteindruck in dem Kontext von Integration und Adaption zu stellen, und zwar, dass keiner von den bisherigen Vorschlägen zum Climate Enginiering als entweder schnelle oder effektive Lösung verstanden werden kann.
    Reduzierung von CO2, Kohlendioxid - kann die Welt retten
    Mense: Ich habe es schon angedeutet: Beim Climate Enginiering - wir müssen, glaube ich, erst einmal erklären, worum es eigentlich geht -, da will man das Klima grundsätzlich ja auf zwei verschiedene Arten retten, entweder über die Reduzierung von CO2, Kohlendioxid, oder indem man die Einstrahlung der Sonne verringert. Für beides gibt es diverse Ideen, von denen manche auch reichlich abstrus wirken. Können Sie uns denn mal ein, zwei Beispiele für Ideen geben, ernst zu nehmende und auch weniger ernst zu nehmende nennen, die helfen sollen, den CO2-Eintrag zu reduzieren?
    Lawrence: Gerne. Wie Sie sagten: es gibt schon etwa 100 Ideen von jeder Sorge von Climate Enginiering. Zu den Ideen zur Kohlendioxid-Entfernung aus der Atmosphäre: Es gibt zwei, die in den IPCC-Bericht schon mit aufgenommen sind, weil sie in den Modellsimulationen in den Prognosen beziehungsweise Szenarien, die dafür verwendet werden, mit berücksichtigt sind. Das eine ist leicht zu verstehen, das ist Aufforstung in ganz großem Sinn, auf ganz große Weise, und das zweite wäre die Kombination von Bioenergie mit dem sogenannten CCS, also der Verpressung von CO2 unterirdisch.
    Dies sind die mehr sozusagen normalen Maßnahmen, und dann gibt es etwas weiterführende oder, wie Sie sagten, abstruse Maßnahmen wie beispielsweise, dass man große Flächen, bis zu einem Drittel von der Ozean-Oberfläche, mit Eisen düngen würde, um das Plankton-Wachstum anzukurbeln. Das würde dann CO2 aus der Atmosphäre entziehen und durch die Fotolyse, wenn das Plankton stirbt, dann sinkt etwas von dem Kohlenstoff Richtung Meeresboden.
    Viele Nebenwirkungen für die Umwelt mit ungeahnten Folgen
    Mense: Mit weitreichenden Folgen aber für die Umwelt?
    Lawrence: Natürlich mit vielen Nebenwirkungen, die möglich sind und wahrscheinlich sind, für beide Biosphären sowie auch für zusätzliche Emissionen vom Plankton in die Atmosphäre von anderen Stoffen.
    Mense: Eine andere, auch viel diskutierte Vorstellung, um die Sonneneinstrahlung zu beeinflussen, ist die Idee, Schwefelsäure in die Stratosphäre zu befördern. Auf welche Art und Weise oder Weisen könnte das denn überhaupt geschehen und was sollte das bewirken?
    Lawrence: Die Idee dafür kommt aus der Erkenntnis: Wenn große Vulkanausbrüche wie der Pinatubo-Ausbruch 1991 Millionen von Tonnen von Schwefelsäure und Schwefeldioxid in die höhere Atmosphäre, 20 Kilometer Höhe, schleudern, dann formieren sie kleine Partikel und diese Partikel reflektieren Sonnenlicht und dadurch kühlt die Erde ab. Nach Pinatubo war eine Abkühlung von circa einem halben Grad in dem Jahr danach zu messen. Und die Frage, die gestellt wird von manchen Wissenschaftlern, ist: Könnte man das auch absichtlich machen? Entweder dadurch, dass man mit hoch fliegenden Flugzeugen Schwefelsäure einsprühen würde, oder manche haben auch Ideen wie einen 30 Kilometer langen Schlauch, der durch einen Ballon in die hohe Atmosphäre dann die Schwefelsäure liefern würde.
    Mense: Würde das denn die Schwefelemission weltweit nicht drastisch erhöhen?
    Lawrence: Da in aller Wahrscheinlichkeit nicht. Man bräuchte, um einen nennenswerten Effekt zu bekommen, circa eine Million Tonnen pro Jahr von Schwefeldioxid oder Schwefelsäure, und das wäre circa ein Prozent von den industriellen Emissionen, die in Bodennähe sind.
    Mense: Also wird das ernsthaft diskutiert?
    Lawrence: Es wird ernsthaft diskutiert und es hat natürlich genauso wie die genannte Eisendüngung des Meeres viele Nebenwirkungen, die dazu kommen können. Es könnte das Ozon beeinflussen, es würde die Himmelsfarben beeinflussen, und ganz wichtig ist zu verstehen, dass die regionalen Wirkungen davon nicht gleichmäßig wären.
    Weltgemeinschaft ist gefordert
    Mense: Ganz kurz noch ein Aspekt, denn abgesehen von den Gefahren für die Umwelt, für Flora und Fauna, solche Projekte würden ja auch bedeuten, dass sich die Weltgemeinschaft zusammenrauft. Und ein Gremium oder einer, wer entscheidet dann über so etwas?
    Lawrence: Genau. Das ist die ganz große Nebenwirkung beziehungsweise Unsicherheit bei dem Ganzen. Man müsste irgendeine Zusammenarbeitsmöglichkeit finden, um das alles zu regulieren. Wir haben genügend Schwierigkeiten, um zusammenzuarbeiten bei Emissionsminderungsmaßnahmen, ...
    Mense: ..., sodass das auf jeden Fall noch schwieriger würde.
    Lawrence: Ja, könnte sein.
    Mense: Professor Mark Lawrence, vielen Dank! Sie sind Atmosphärenforscher und wissenschaftlicher Direktor des IASS in Potsdam, das über Klimawandel und Nachhaltigkeit forscht. Danke für das Gespräch.
    Lawrence: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.