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Weltklimagipfel
"Die Vorreiter sollen sich zusammentun"

Er sei optimistisch, dass der UNO-Klimagipfel mit einem Abkommen ende, sagte Hermann Ott vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie im DLF. Allerdings sei fraglich, was darin stehe. Aus seiner Sicht ist es notwendig, dass die Staaten, die tatsächlich etwas verändern wollten, sich nach der Konferenz ohne die Blockierer zusammenschließen.

Hermann Ott im Gespräch mit Gerd Breker | 01.12.2015
    Die aufgehende Sonne taucht am 27.10.2014 den Himmel hinter dem Kohlekraftwerk Mehrum in Hohenhameln im Landkreis Peine (Niedersachsen) in warmes Licht.
    Ott kritisiert, dass die Bundesregierung weiter auf Braunkohle setzt. (picture-alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Ott betonte, bei vielen Ländern sei die Bedrohung durch den Klimawandel angekommen. Der Wille sei auch spürbar, etwas zu tun. Dennoch sei nach Paris ein zweiter Prozess nötig, für den sich die Vorreiter in Sachen Klimaschutz zusammenschließen. Denn die Vereinbarung des Gipfels werde nicht ausreichen, um die Erderwärmung so stark wie nötig zu reduzieren.
    Der Klimaexperte kritisierte zudem die Bundesregierung. Die werde die eigenen Ziele nicht einhalten können, weil sie weiter auf Kohlekraft setze. Diese "ollen Drecksschleudern" müssten vom Netz genommen werden, forderte Ott.

    Das Interview in kompletter Länge:
    Gerd Breker: Nach dem symbolträchtigen Auftakt mit mehr als 150 Staats- und Regierungschefs geht es nun bei den Pariser Klimakonferenz-Verhandlungen um die eigentlichen Themen. Die Vertreter von 195 Ländern und der Europäischen Union, sie sprechen heute konkret über den Textentwurf für ein Klimaabkommen, das den Ausstoß von Treibhausgasen begrenzen soll und so die Erderwärmung eindämmen soll.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Hermann Ott vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie. Guten Tag, Herr Ott.
    Hermann Ott: Schönen guten Tag!
    Breker: Der Auftritt, der gestrige, von 151 Staats- und Regierungschefs, der strotzte ja eigentlich nur so von Zuversicht, dass es am Ende ein Abkommen geben wird auf dieser Konferenz. Können Sie diese Zuversicht teilen?
    Ott: Erst mal muss man sagen, das ist ja schon etwas. 150 Staats- und Regierungschefs kommen ja nicht einfach so wegen irgendeinem blöden Thema. Das zeigt, dass Klimapolitik, dass die Bedrohung durch den Klimawandel tatsächlich angekommen ist und auch durch die blamablen Ergebnisse oder Nicht-Ergebnisse der Konferenz 2009 in Kopenhagen nicht wirklich verschüttet werden konnte.
    Das macht doch Hoffnung, muss ich sagen. Ich teile auch den Optimismus, soweit es um den Abschluss eines Abkommens geht. Das scheint mir wirklich auf dem Weg zu sein.
    Es gibt noch ein oder zwei echte Stolpersteine, aber der Erwartungsdruck, der hier aufgebaut worden ist, ist so groß, dass wir auf jeden Fall, denke ich mal, den Abschluss eines völkerrechtlichen Abkommens sehen werden. Die Frage ist, was steht da drin und reicht das aus.
    Breker: Denn Gefahr erkannt heißt nicht Gefahr gebannt. Wenn ich das richtig verstehe, geht es ja mehr um Selbstverpflichtung, was die einzelnen Staaten selber bereit sind, an Treibhausgasen zu reduzieren. Ist das nicht zu wenig?
    Ott: Ja das war die Lehre, die fast alle Staaten gezogen haben aus dem Scheitern der großen Pläne in Kopenhagen, dass es besser sei, ein Abkommen zu schließen, wo alle freiwillig ihre Beiträge zusichern, aber die nicht völkerrechtlich verbindlich gemacht werden. Und so ist es jetzt auch gekommen.
    Das kann man als einen Fortschritt auch sehen. Es sind ja fast alle Staaten, über 170, fast 180 Staaten, die jetzt Vorschläge vorgelegt haben. Die sind zum Teil nicht besonders toll, die sind auch nicht gut organisiert und geordnet, aber da ist doch der Wille spürbar, etwas zu tun. Das sollte es auch weiter geben. Da bin ich auch ganz dabei. Allerdings - und das war meine Erkenntnis nach Kopenhagen: Es muss einen zweiten Prozess geben, in dem sich die Vorreiter zusammenschließen, denn ausreichend ist das, was da vereinbart werden wird, weder von der Sache her. Wenn man alle Beiträge mal addiert, kommt man ja immer noch auf eine globale Erwärmung im Mittel von um die drei Grad, also viel, viel mehr als die zwei Grad, die wir uns eigentlich leisten können zivilisatorisch. Und dazu kommt noch die Unverbindlichkeit.
    Also es muss einen zweiten Prozess geben, der am besten direkt nach Paris beginnt, wo dann sich die Staaten zusammentun, die wirklich etwas wollen. Und dass so etwas funktioniert, sieht man ja an dieser Solar-Initiative, die jetzt vom indischen Premierminister Modi gestartet worden ist und gestern angekündigt worden ist. Es macht mehr Sinn, dass sich die Vorreiter zusammentun, als dass Bremser wie zum Beispiel Saudi-Arabien, andere Ölstaaten permanent allen Fortschritt blockieren, wie das bei den UN-Verhandlungen der Fall ist.
    "Das was sich die Bundesregierung vorgenommen hat, wird aller Voraussicht nach verfehlt werden"
    Breker: Die Vorreiter, Herr Ott, sagen Sie, sollen sich zusammentun. Die Bundeskanzlerin, die gibt sich ja gerne als Klimakanzlerin, als Vorreiterin. Ist sie das denn überhaupt noch? Werden wir denn unser selbst gestecktes Ziel erreichen?
    Ott: Das was sich die Bundesregierung vorgenommen hat, wird aller Voraussicht nach verfehlt werden, weil sie nicht bereit ist, das eigentliche Problem anzugehen, und das sind nämlich die Kohlekraftwerke. Wir haben ja wirklich den merkwürdigen Effekt, dass wir trotz der Tatsache, dass wir jetzt fast 30 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien beziehen, dass trotzdem die Emissionen weiter wachsen. Das liegt nämlich daran, dass die alten Dreckschleudern, die uralten Kohlekraftwerke nicht abgeschaltet werden, sondern im Gegenteil: Die sind ja wieder entmottet worden, weil die Klimapolitik, die europäische Klimapolitik nicht funktioniert und deshalb die Kohle wieder wettbewerbsfähig geworden ist. Das ist ein Riesenproblem, was die Bundesregierung eigentlich dadurch lösen müsste, dass sie diese alten Dreckschleudern vom Netz nimmt. Das hat ja Gabriel auch mal versucht, ist dann aber wirklich brutal ausgebremst worden von der Energieindustrie und hat dann eine Kehrtwendung vollzogen.
    Das was die Bundesregierung jetzt macht, ist so eine Art von Subventionierung von Kohlekraftwerken. Die sollen zwar vom Netz gehen, aber gleichzeitig gibt die Bundesregierung anderthalb Milliarden Euro, damit die weiterhin am Laufen gehalten werden können. Das ist nicht wirklich die Politik, die es braucht, um Deutschland voranzubringen.
    "Die Bundesregierung muss wirklich mehr tun"
    Breker: Damit ist Deutschland kein Vorreiter mehr.
    Ott: Damit ist Deutschland kein Vorreiter mehr. Die Bundesregierung muss wirklich mehr tun.
    "Da ist was in Gang gekommen, das muss man anerkennen"
    Breker: Die Entwicklungsländer, sie wollen Geld und Technik von den entwickelten Ländern haben. Von 100 Milliarden Euro ist da die Rede. Wer glaubt denn, dass diese Summe zusammenkommt?
    Ott: Ja, da habe ich auch große Zweifel, muss ich sagen. Aber wenn diese Versprechungen gemacht werden, wird ja auch immer so ein bisschen diplomatisch gesagt, aus welchen Quellen sich das nun speist. Das ist damit noch nicht gesagt. Es heißt dann immer, man wolle natürlich auch private Mittel generieren, aber das sind nun mal Mittel, über die Regierungen nicht verfügen können.
    Das was sie selber tun können, das was in ihrer Macht steht, das müssen sie tatsächlich auch versuchen. Da sehe ich ein bisschen wenig, was sich da bisher für die nächsten Jahre an Beiträgen sammelt. Was gestern alles versprochen worden ist, das sind so knapp 500 Millionen für die nächsten Jahre. Da ist was in Gang gekommen, das muss man anerkennen. Aber tatsächlich reicht das überhaupt nicht aus und diese 100 Milliarden ab 2020, da wird noch wirklich drum gerungen werden müssen.
    Breker: Hermann Ott war das vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie. Herr Ott, ich danke für dieses Gespräch.
    Ott: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.