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Weltklimareport
"Wir können es schaffen, wir müssen es nur tun"

Die Zeit dränge, es müsse sofort gehandelt werden, sonst sei es zu spät, so lautet der Tenor des Weltklimareports. Dennoch sei der Bericht ermutigend, sagte die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks im DLF. Er zeige, dass man das Ruder noch herumreißen könne. Allerdings seien die Anstrengungen in den letzten 15 Jahren zu gering gewesen.

Barbara Hendricks im Gespräch mit Jasper Barenberg | 03.11.2014
    Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am 24.10.2014.
    Auch wenn der Klimawandel voranschreite, könne man eine Kehrtwende noch schaffen, meint Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. (Fredrik Von Erichsen / dpa)
    Entscheidend werde im Klimawandel auch sein, dass in den USA und in China ein Prozess des Umdenkens begonnen habe. Wenn diese beiden weiter voranschreiten würden, würden vermutlich die noch zögerlichen Industrie- und Schwellenländer nachziehen.
    Was Deutschland angehe, so sei man "ja immerhin zehn Jahre ehrgeiziger als Europa", sagte die Bundesumweltministerin. Man müsse aber die Anstrengungen forcieren. Dazu gehöre insbesondere ein Zurückdrängen der Kohle. Es werde nicht anders gehen, als einige alte Kohlekraftwerke stillzulegen. Zudem müsse der Emmisionshandel auf "feste Füße" gestellt werden, derzeit seien die Zertifikate zu preiswert, so Barbara Hendricks.
    In Bezug auf den Klimawandel betonte sie: "Wir lassen es nicht weiterlaufen wie bisher." Dabei müssten die notwendigen Maßnahmen nicht zwingend mit höheren Kosten für die Verbraucher verbunden sein, sondern es könne mit Intelligenz und vernünftiger Investition eine Menge gemacht werden.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Jetzt gibt es keine Ausreden mehr: Die Welt muss sofort handeln und sie hält die Mittel dafür in der Hand. Das ist der Tenor im fünften Bericht des Weltklimarates. Er fasst zusammen, was das große Gremium in den letzten Monaten nach und nach in drei Teilen an Erkenntnissen präsentiert hat: eine Synthese der Forscher, also eine Handlungsanleitung für Politiker, um die fatalen Folgen des Klimawandels zumindest abzumildern. Am Telefon begrüße ich Barbara Hendricks von der SPD, die Bundesumweltministerin. Schönen guten Morgen!
    Barbara Hendricks: Guten Morgen!
    Barenberg: Frau Hendricks, wir haben es gerade gehört im Beitrag des Kollegen. 2009 in Kopenhagen gab es gewaltige Erwartungen an den Klimagipfel und dann ein klägliches Ergebnis, ein Scheitern. Sie haben davon gesprochen, dass der neue Report ermutigend ist. Woher nehmen Sie neue Zuversicht? Was ist anders?
    Hendricks: Nun, der Report ist deswegen ermutigend, weil er uns ja sagt, dass wir es tatsächlich alles noch hinbekommen können. Allerdings: Wir müssen sofort handeln. Das ist insofern auch erschreckend. Aber ermutigend ist zu wissen, wir wissen, wie es geht, wir haben alle Werkzeuge und wir können es schaffen. Wir müssen es "nur" tun.
    Barenberg: Das heißt, Ihre Zuversicht beschränkt sich darauf, dass man weiß, was zu tun ist, aber nicht darauf, dass es 2015, im kommenden Jahr in Paris tatsächlich zu einem neuen Abkommen kommen kann?
    Hendricks: Oh doch! Ich bin da durchaus auch zuversichtlicher, als man das zuletzt annehmen konnte. Aber wir haben ja nun gehört, auch in Ihrer Vorberichterstattung, dass zum Beispiel die Vereinigten Staaten und auch China sich ganz anders verhalten als noch vor einigen Jahren, und das sind ja die beiden größten Emittenten von Kohlenstoff, und die haben in der Tat vor, sich selber Aufgaben zu stellen, die sie dann auch erfüllen müssen. Alle Länder werden ja im ersten Quartal des nächsten Jahres sich selber verpflichten und öffentlich dartun, was sie gedenken zu tun, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Alle Länder müssen das nach ihren je eigenen Möglichkeiten tun. Und dann wird in einer Art Peer Review in der ganzen Welt geguckt, ob denn das auch wirklich ausreicht und ob auch jedes Land tatsächlich das tut, was es kann. Das ist ja entscheidend. Man kann ja nicht von, sagen wir mal, Gambia dasselbe verlangen wie von Deutschland.
    Barenberg: Und wie entscheidend, wo Sie China und die USA ansprechen, wird es sein, was diese beiden Länder an ehrgeizigen Zielen selbst zustande bekommen?
    Hendricks: Das ist natürlich ganz entscheidend für ein Gelingen. Wenn die beiden größten Player nicht mitmachen, so wie das eigentlich bisher der Fall war, dann ist es ja auch in Kopenhagen zum Scheitern verurteilt gewesen im Jahr 2009. Jetzt allerdings, wenn die beiden mit voranschreiten, wenn sie Europa nicht mehr alleine lassen beim Voranschreiten, dann ist das natürlich das auslösende Moment dafür, dass auch die anderen, vielleicht noch zögerlichen Industriestaaten wie zum Beispiel Australien oder Japan oder die anderen noch zögerlichen Schwellenländer wie zum Beispiel Indien auch dieses Beispiel von ihren eigenen Beispielländer, einerseits USA, andererseits China, bekommen.
    Hendricks: Deutschland ehrgeiziger als Europa
    Barenberg: Wenn klar ist, was zu tun ist, und wenn der Klimarat vor allem mangelnden politischen Willen beklagt, müssen Sie sich dann als verantwortliche Ministerin in Deutschland diesen Schuh auch ein Stück weit anziehen?
    Hendricks: Das kann ich so nicht sehen. Wir sind ja immerhin, Sie haben das richtig dargestellt, wenn Sie so wollen, zehn Jahre ehrgeiziger als Europa. In Europa wollen wir mindestens 40 Prozent Emissionsminderung im Jahr 2030 erreichen und in Deutschland wollen wir dies im Jahre 2020 erreichen.
    Barenberg: Aber schon jetzt ist doch klar, Frau Hendricks, dass es nicht ganz klappt, wenn alles so bleibt, wie es bisher ist.
    Hendricks: Ja. Wenn alles so bleibt, wie es bisher ist, dann klappt es nicht. Das ist in der Tat richtig. In den letzten 15 Jahren sind die Anstrengungen auch zu gering gewesen. Aber wir sind ja gerade dabei, weil wir wissen, es kann nicht alles so weiterlaufen wie bisher, ein Klima-Aktionsprogramm aufzulegen, welches wir Anfang Dezember im Kabinett verabschieden werden, und da werden alle Sektoren angesprochen, wo sich was ändern muss, damit wir unser Ziel auch wirklich noch erreichen können. Wir lassen es also nicht einfach so weiterlaufen wie bisher, sondern wir unternehmen alle Anstrengungen, da gegenzuhalten.
    "Es muss nicht zwingend alles mit höheren Kosten verbunden sein"
    Barenberg: Verraten Sie uns heute Morgen denn schon, wer mit höheren Kosten rechnen muss, wer besonders belastet wird, die Wirtschaft oder die Verbraucher?
    Hendricks: Das muss man gar nicht mal so sehen, ob das dann wirklich zwingend zu höheren Kosten führt. Wesentlich sind ja Punkte, die man tatsächlich positiv gestalten kann. Positiv gestalten, kann man die Art und Weise der Stromproduktion, also das Zurückdrängen der Kohle im Verhältnis zu den anderen Energieträgern. Positiv gestalten, kann man die Gebäudesanierung, was natürlich für Hausbesitzer oder für Wohnungsbaugesellschaften Kosten verursacht, ja. Aber wenn dann die Warmmiete nicht wesentlich teurer wird als vorher, weil man ja dann die sogenannten Nebenkosten spart, dann ist das auch für Mieter zum Beispiel überschaubar. Oder auch für Eigenheimbesitzer, die was investieren, dafür aber anschließend Energiekosten sparen, ist es auch überschaubar. Es muss nicht zwingend alles mit höheren Kosten verbunden sein, sondern es kann mit Intelligenz und vernünftiger Investition eine Menge gemacht werden.
    Barenberg: Dänemark hat ja jetzt angekündigt, bis 2025 ganz aus der Kohleverstromung auszusteigen. Wäre das ein Vorbild für Deutschland?
    Hendricks: Das werden wir nicht schaffen, weil unser Strommix tatsächlich noch ein anderer ist als der dänische. Aber wir haben uns ja vorgenommen, bis zum Jahr 2050 80 Prozent unserer Stromversorgung aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Auf dem Weg dahin brauchen wir fossile Energieträger noch. Mir liegt allerdings daran, dass die Kohle zurückgedrängt wird und innerhalb des Mixes der fossilen Energieträger, die wir noch brauchen, das Gas dann wieder in die Vorderhand kommt, weil das natürlich viel weniger CO2-schädlich ist als die Kohle. Wir werden noch einen Teil fossile Energie haben, aber da kommt es auch noch darauf an, welcher Teil dann Kohle und welcher Teil Gas sein wird.
    Emissionshandel bis zum 2017 wieder reformieren
    Barenberg: Wie wollen Sie das denn erreichen, die Kohle zurückzudrängen? Im Moment wird ja mehr in die Luft gelassen als früher.
    Hendricks: Ja. Es wird schon nicht anders gehen, als dass einige alte Kraftwerke tatsächlich vom Netz gehen. Und wir müssen insbesondere auch den europäischen Emissionshandel wirklich wieder auf feste Füße stellen, also wieder funktionsfähig machen, denn zurzeit sind ja die Verschmutzungsrechte einfach zu preiswert, und deswegen haben wir ja auch in Europa unsere Position dargetan, dass wir bis zum Jahr 2017 den Emissionshandel wieder reformieren wollen, damit er überhaupt funktioniert, denn zurzeit ist, da die Verschmutzungsrechte so preiswert sind, Kohlestrom so billig, dass er Gasstrom aus dem Markt verdrängt.
    Barenberg: Können Sie sich denn auch vorstellen, dass es eine Art Entschädigung gibt, wenn alte Kohlekraftwerke vom Netz gehen, stillgelegt werden?
    Hendricks: Das ist eine Entscheidung, die im Wirtschaftsministerium vorbereitet wird, wie das Strommarkt-Design in der nächsten Zeit aussehen soll. Dem will ich nicht vorgreifen, aber auch dazu werden wir Aussagen Anfang Dezember im Kabinett haben.
    Barenberg: Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks von der SPD heute Morgen hier live im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch.
    Hendricks: Gern!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.