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Weltkulturerbe Naumburger Dom
Nur Steine bewundern die Leut'

Der Naumburger Dom wurde im Sommer 2018 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Der Titel Weltkulturerbe lohnt sich: Die Zahl der Besucher stieg um rund 20 Prozent. Das ist erfreulich, aber auch eine Herausforderung.

Von Tobias Barth | 17.06.2019
Der Naumburger Dom ist in das Unesco-Weltkulturerbe aufgenommen worden (Foto vom 12.04.18). Das Welterbekomitee habe das Bauwerk in Sachsen-Anhalt, das zu den bedeutendsten Kathedralbauten des Hochmittelalters zaehle, am 01.07.18 bei seiner Tagung in Bahrain in die Welterbeliste aufgenommen, teilte die deutsche Unesco-Kommission am Sonntag in Bonn mit. Das Welterbekomitee wuerdigte den Angaben zufolge mit seiner Entscheidung die kuenstlerischen Qualitaeten des Doms, die Einblick in Kunst, Architektur und Technologie seiner Zeit gaeben. Der Naumburger Dom ist die 44. Unesco-Welterbestaette in Deutschland. (Siehe epd-Meldung vom 01.07.18)
Der Naumburger Dom ist in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen worden. (imago / epd / Steffen Schellhorn)
1. Juli 2018: Im Hof des Naumburger Doms. Viele Naumburger waren gekommen, verfolgten per Live-Stream die Tagung des UNESCO-Komitees. Dann der Jubel: Die Kathedrale an der Saale ist Welterbe.
Vor mehr als 800 Jahren – also noch in der Spätromanik - begann der Bau dieser imposanten Kirche, ein Bischofssitz in einer damals reichen, fruchtbaren Gegend. Berühmt wurde das Bauwerk aber als Meisterwerk der Frühgotik. Mitte des 13. Jahrhunderts schuf hier der namentlich nicht bekannte "Naumburger Meister" ein imposantes Ensemble und die berühmten in Stein gehauenen Stifterfiguren Ekkehard und Uta.
Dass der Dom aber weit mehr zu bieten hat, erfährt, wer eine der Spezialführungen mitmacht, zum Beispiel ins Domarchiv mit dem Archivar Matthias Ludwig:
"Und der erste Eindruck, den Sie hier haben, es handelt sich nicht um ein Museum, sondern um einen Raum an dem heute noch gewirkt und gearbeitet wird – aber so wie sie den Raum hier sehen, handelt es sich um die alte Kapitelstube aus der Zeit um 1500. Stube ist übrigens eine Bezeichnung, die häufig auf einen beheizbaren Raum verweist."
1.200 Kälber mussten dran glauben
Wände und Decken sind mit Blockbohlen vertäfelt, hier kommt noch heute das Domkapitel zusammen – also die Verwaltung der Kirche St. Peter und Paul, wie der Dom offiziell heißt. Das Archiv in den Gewölben nebenan beherbergt Schätze ersten Ranges, zum Beispiel riesige Folianten, etwa einen Meter lang, einen halben Meter breit und dick wie ein Dachbalken:
Matthias Ludwig: "Die sind überaus schwer, die leichten bringen es auf 36 Kilogramm, die schweren auf 46 Kilogramm pro Band. Das ist eine Gruppe die besteht aus acht dieser monumentalen Bücher, die in jeder Hinsicht die Dimensionen sprengen und tatsächlich gehören sie zu den größten mittelalterlichen Handschriften der Welt."
Etwa 1.200 Kälber mussten geschlachtet werden für das Pergament dieser Bücher. Die reich verzierten Handschriften gaben den Ablauf der Horen vor, also der Stundengebete. Sie beinhalten Psalmen und Notenschriften – die heute zu bestimmten Anlässen wieder wieder hörbar sind im Dom.
Ganz andere Klänge kann der Naumburg-Besucher vor dem Dom hören: Auf der sogenannten "Uta_Runde"- einer musikalischen Stadtführung - erfährt wer will heute etwas über Dom und Stadt.
"Die Naumburger Meister" singen: "Naumburger Meister/niemand kennt Deinen Namen bis heut/leider unbekannt/nur noch Steine bewundern die Leut‘."
"Naumburger Master, where do you hide?"
Angeboten wird die Führung von einer Combo um Ralph Steinmeier – ein Naumburger Original mit Blick für das Nebensächliche: Auch er weiß: Um etwa 20 Prozent soll im letzten Jahr das Touristenaufkommen gestiegen sein – das ist erfreulich, aber auch eine Herausforderung:
"Also seit wir Welterbe geworden sind, die Straßen sind voll, es ist unglaublich, ein Stimmengewirr Englisch, Japanisch, Chinesisch, alles – aber keiner kann hier Englisch! Das ist tragisch und da haben wir gedacht, wir müssen uns einfach mal in die Bresche werfen."
Sie singen: "Naumburger Master, where do you hide/you are a secret we don’t know your name/but nevertheless you are a money printing press/and so we thank you again and again..."
Das offizielle Fazit zu ein Jahr Weltkulturerbe wird Anfang Juli gezogen. Soviel ist sicher: Es bewegt sich irgendwo zwischen kulturellen Schätzen des Mittelalters und modernem Tourismus als Gelddruckmaschine.