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Weltraumschrott
Projekt Avanti testet Satelliten-Müllwagen

Ein Versuch mit zwei Satelliten im Weltraum testet, wie das Mülleinsammeln im Weltraum funktionieren könnte. Denn: Dort wird es immer voller und der herumfliegende Schrott könnte zu einem Sicherheitsrisiko werden. Das Problem sei, dass das enorm viel Geld koste, sagte Jean-Sébastian Ardaens vom Deutschen Raumfahrt-Kontrollzentrum des DLR.

Jean-Sébastian Ardaens im Gespräch mit Lennart Pyritz | 08.11.2016
    Die Grafik der NASA zeigt den Weltraumschrott im Orbit der Erde
    Die Grafik der NASA zeigt den Weltraumschrott im Orbit der Erde (NASA)
    Lennart Pyritz: Er kreist um die Erde und ist eine Gefahr für die Raumfahrt – Weltraumschrott. Dazu läuft am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt derzeit das Projekt AVANTI. Das Ziel: Satelliten sollen Objekte im All erkennen und autonom anfliegen. Ein erster Schritt, um inaktive Satelliten und anderen Müll in Zukunft einsammeln zu können. Vor wenigen Tagen hat im Rahmen dieses Projekts ein Versuch mit zwei Satelliten im Weltraum begonnen – einer als Müllsammler, der andere als simulierter Schrott.
    - Über das Projekt habe ich vor der Sendung mit Jean-Sébastian Ardaens vom Deutschen Raumfahrt-Kontrollzentrum des DLR gesprochen. Ich habe ihn zuerst gefragt, was das für Satelliten sind, die an dem Versuch teilnehmen.
    Jean-Sébastian Ardaens: Der BIROS-Satellit ist praktisch der Muttersatellit und ist ein Erdbeobachtungssatellit, und der hat praktisch am Startplatz einen kleinen Picosatelliten mitgenommen und den im Orbit ausgestoßen. Und dann benutzen wir diesem Picosatelliten als Versuchsobjekt praktisch für unsere Experimente.
    Pyritz: Über welche Methodik, über welche Eigenschaften nähert sich jetzt der größere Satellit, der den kleinen einsammeln will?
    Ardaens: Das Ziel ist, zu beweisen, dass man so etwas mit einem billigen Budget machen kann, deswegen benutzen wir nur die Sternkamera von dem großen Satelliten für die Annäherung. Das ist rein optisch. Wir benutzen nur optische Beobachtungen, um das zu machen. Und das ist dann ein bisschen anspruchsvoll, weil wir keine Abstandsmessung haben. Wir haben praktisch nur eine Peilung zu dem Objekt.
    Pyritz: Was wären denn danach die nächsten Schritte? Wie sollen denn künftig tatsächlich inaktive Satelliten oder Weltraumschrott eingesammelt und entsorgt werden?
    Ardaens: Die richtige Antwort ist, das wissen wir nicht. Deswegen arbeiten wir daran in der Forschung. Es gibt enorm viele Leute, die enorm viele verschiedene interessante Ideen haben. Zum Beispiel forschen Leute, vielleicht könnten wir den Satelliten mit einem robotischen Arm fangen. Andere denken, wir könnten so ein Netz bauen, um die Satelliten zu fangen. Das hängt natürlich auch von der Größe der Objekte ab, ob man sie entsorgen kann. Für diese kleinsten Teilchen zum Beispiel könnten wir überlegen, okay, wir probieren den mit einem Laser zu bremsen. Oder es gibt Leute, die denken, wenn der Satellit ziemlich nahe an der Erde fliegt, dann könnten wir probieren, diese Restatmosphäre benutzen, um die Satelliten zu bremsen, indem man praktisch so eine Art Schirm baut, damit der Satellit bremst. Andere Leute sagen, wir können probieren, einen Mini-Antrieb auf den Schrott zu kleben, damit der Schrott wieder zur Erde zurückkehrt, solche Sachen.
    "Es gibt enorm viele technische Herausforderungen"
    Pyritz: Die Planung auch für das jetzt laufende Avanti-Experiment laufen ja schon seit ein paar Jahren. Davor gab es auch ein Vorläuferprojekt, das Argon hieß – warum dauert es so lange, ein Aufräumsystem im Weltraum einzurichten? Weil das Problem Weltraumschrott ist ja schon seit Längerem bekannt.
    Ardaens: Das ist natürlich für sehr lange Zeit bekannt, aber man hat am Anfang gedacht, das All ist groß. Und es gibt genug Platz für viele Satelliten. Aber das Problem, das wir jetzt haben, ist, dass es langsam sehr voll wird. Und die Wahrscheinlichkeit einer Kollision ist immer noch ziemlich gering. Aber wir haben das schon einmal erlebt, das war in 2009, denke ich, dass eine Kollision zwischen zwei Satelliten geschehen ist. Wir müssen aktiv etwas tun. Aber das Problem ist, das kostet enorm viel Geld. Um so eine Mission zu bauen, um einen anderen Satelliten zu entfernen, muss man zuerst einen neuen Satelliten bauen nur für diesen Zweck. Und da sind viele neue Herausforderungen. Zum Beispiel, angenommen, wir sind dahin geflogen. Und dieses Schrottobjekt taumelt zum Beispiel – wie wollen wir das fangen? Und so weiter, und so weiter. Es gibt enorm viele technische Herausforderungen. Und deswegen nimmt das Ganze einfach Zeit und viel Geld.
    Pyritz: Wir haben bis jetzt über Entsorgung gesprochen. Welche Strategien gibt es denn, um Müll oder das Verbleiben von inaktiven Satelliten im All von vornherein zu vermeiden.
    Ardaens: Die Leute haben sich schon Ideen gemacht, wie man das machen kann. Die Raumfahrtagenturen der Welt, also die größte Raumfahrtagenturen haben sich auf einen sogenannten Code of Conduct geeinigt, um genau diese Problematik zu vermeiden. Und zwar verpflichten sie sich jetzt zum Beispiel, dass jeder Satellit, der ins All geht, am Ende seines Lebens einen Rest Treibstoff hat, um einfach zurück zur Erde zu gehen. Damit man sicherstellt, dass ab jetzt praktisch jeder Satellit, der ins All geschickt wird, irgendwann auf die Erde zurückkommen wird, damit das All frei bleibt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.