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Weltraumspaziergang von Alexej Leonow
Zwölf Minuten und neun Sekunden im freien Raum

Vor 50 Jahren, am 18. März 1965, ist der sowjetische Kosmonaut Alexej Leonow als erster Mensch ins All ausgestiegen, geschützt allein durch einen Raumanzug. Ein Weltraumspaziergang, wie dieses Manöver verniedlichend genannt wird, war der Ausflug keineswegs.

Von Dirk Lorenzen | 18.03.2015
    Der sowjetische Kosmonaut Alexej Leonow bei einer Preisverleihung im Planetarium von Moskau im Jahr 2012
    Der sowjetische Kosmonaut Alexej Leonow bei einer Preisverleihung im Planetarium von Moskau im Jahr 2012 (picture alliance / dpa / Tass / Sharifulin Valery)
    Am Mittag des 18. März 1965 startete vom sowjetischen Weltraumbahnhof Baikonur das Raumschiff Woßchod 2 mit zwei Kosmonauten an Bord. Nach nur einer Erdumrundung kletterte einer der beiden, Alexej Leonow, aus der Austrittsschleuse in den Weltraum.
    Filmaufnahmen der Mission zeigen, wie der Kosmonaut vorsichtig tastend das Raumschiff verlässt, fast wie ein mühsam schlüpfendes Insekt. Dann schwebte Alexej Leonow in der ungewohnten Umgebung und machte damit Raumfahrtgeschichte, erklärt Gerhard Kowalski, Autor zahlreicher Bücher über das russische Weltraumprogramm:
    "Er ist ausgestiegen, das war natürlich eine Weltsensation. [...]Alles, was er dort gemacht hat, war neu. Insofern hat man gesagt, mach mal einen Salto. Dreh dich mal nach links herum, dreh dich mal nach rechts herum. Versuch mal zu rudern, wie auch immer. Man wollte im Grunde genommen sehen, wie der Mensch, wie ein lebender Mensch sich in dieser Sphäre, in der Schwerelosigkeit bewegt. Er war ja verbunden nur mit einem Kabel. Das war ein Sicherungskabel und gleichzeitig ein Kabel für die Sauerstoffversorgung und für die Telefon- und Fernsehleitung."
    Der Spaziergang, der keiner war
    Das Kabel war nur gut fünf Meter lang und so führte Alexej Leonows erster "Weltraumspaziergang", wie die Außenbordeinsätze oft verharmlosend genannt werden, nicht weit vom Raumschiff weg. Dennoch musste der Kosmonaut erleben, dass die Arbeit im Weltraum alles andere als ungefährlich ist:
    "Zwölf Minuten und neun Sekunden im freien Raum und wollte dann wieder einsteigen. Dann stellte sich heraus, dass es nicht ohne Weiteres ging. Weil sein Anzug hat sich um ein Drittel aufgebläht, sodass er nicht ohne Weiteres in die Ausstiegsschleuse wieder reingekommen wäre. Der hat in der Höhe des rechten Oberschenkels so einen Ventilknopf gehabt, den konnte er drücken. Und da hat er auf die Gefahr hin, dass ihm der Sauerstoff knapp wird, Druck abgelassen und ist dann mit dem Kopf zuerst rein in die Schleuse und hat es tatsächlich geschafft."
    Dass sich im Vakuum des Weltraums der Raumanzug wie ein Ballon aufblähen würde, hatten die Konstrukteure nicht vorhergesehen. Doch Alexej Leonow tat spontan das Richtige - und hat so eine Tragödie verhindert. Dass der erste Ausstieg eines Menschen in den Weltraum um ein Haar tödlich geendet hätte und auch die Rückkehr des Raumschiffs zur Erde aufgrund eines Ausfalls der Steuerung beinahe schief gegangen wäre, wurde erst in der Gorbatschow-Ära bekannt. Nach dem Flug von Woßchod 2, mitten im Kalten Krieg, sollte nichts den sowjetischen Triumph im Weltraum schmälern, erläutert Gerhard Kowalski:
    "Die Russen hatten ja '57 mit Sputnik 1 gezeigt, dass sie den Amerikanern zumindest im Weltraum ebenbürtig sind. Vier Jahre später ist schon der erste Mensch in den Weltraum geflogen, war wieder ein Russe. Nach Gagarin kam dann die erste Frau im All und 1965 praktisch dieser Ausstieg war die vierte Phase. Und damit hat man die Amerikaner ganz schön verärgert. Die sind sehr, sehr verunsichert gewesen."
    Letzter Etappensieg der Sowjets
    Der Außenbordeinsatz von Alexej Leonow war jedoch der letzte Etappensieg für die Sowjetunion beim Wettlauf zum Mond. Die USA arbeiteten zu jener Zeit bereits mit Hochdruck am Apollo-Programm. Gut vier Jahre später setzte der erste Mensch seinen Fuß auf die staubige Mondoberfläche.
    "It's one small step for a man, a giant leap for mankind."
    Doch das war nicht - wie die Russen geplant hatten - Alexej Leonow, sondern der NASA-Astronaut Neil Armstrong. Allerdings kam auch Leonow noch zu einem weiteren besonderen Raumflug: Mitte der 70er-Jahre war er beim Apollo-Sojus-Projekt dabei, als ein amerikanisches und sowjetisches Raumschiff in der Erdumlaufbahn aneinanderkoppelten. Der inzwischen achtzigjährige Alexej Leonow verarbeitet die Eindrücke vom ersten Ausstieg in den Weltraum in vielen seiner Gemälde und sorgt so bis heute dafür, dass weder er noch seine Pioniertat in Vergessenheit geraten, sagt Gerhard Kowalski:
    "Leonow ist mit Abstand der große Star. Er ist von seiner Persönlichkeit auch dafür geeignet. Er ist wahrscheinlich ein blendender Kosmonaut, er ist ein kluger Geist, er ist ein begnadeter Künstler und auch ein begnadeter Selbstdarsteller. Sympathisch - im Grunde genommen ist er ein Genie."