Freitag, 19. April 2024

Archiv

Weltspartag
"Einzelaktien sind nur was für Experten"

Seit Jahren müssen Sparer damit leben, dass sie für ihr Geld auf dem Konto oder dem Sparbuch kaum Zinsen bekommen. Zum Weltspartag werfen wir einen Blick auf die Alternativen. Im DLF rät der Chefredakteur des Online-Magazins "Finanztip.de", Hermann-Josef Tenhagen, Sparern von Einzelaktien ab und empfiehlt stattdessen, Index-Fonds zu kaufen.

Hermann-Josef Tenhagen im Gespräch mit Benjamin Hammer | 30.10.2015
    Die Bankentürme von Frankfurt am Main scheinen kurz nach Sonnenuntergang aus vielen kleinen Eurozeichen zu bestehen.
    Die Sparkassen feiern den Weltspartag in einem Umfeld, das für die klassischen Sparer eine Herausforderung bleibt. (picture alliance / Daniel Reinhardt)
    Benjamin Hammer: Wirtschaftswissenschaftler und Analysten haben in dem Beitrag die Arbeit von Europas oberstem Notenbanker bewertet. Aber was ist eigentlich mit den Sparern? Die müssen seit Jahren damit leben, dass sie für ihr Erspartes auf dem Konto oder dem Sparbuch kaum Zinsen bekommen, und das hat auch mit Mario Draghi zu tun und da entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die Sparkassen kurz vor dessen Jubiläum heute weltweit den Weltspartag feiern.
    Lohnt sich das Sparen überhaupt noch und was sind die Alternativen? Darüber spreche ich jetzt am Telefon mit Hermann-Josef Tenhagen beziehungsweise er ist uns aus Berlin zugeschaltet, und er ist Chefredakteur des Online-Magazins "Finanztip". Schönen guten Tag, Herr Tenhagen.
    Hermann-Josef Tenhagen: Guten Tag!
    Hammer: Herr Tenhagen, Weltspartag - ein Tag zum Feiern oder zum Heulen?
    Tenhagen: Nein, erst mal ein Tag, um sich darüber klar zu werden, wofür man Sparen macht. Sparen hat nämlich zwei Gründe. Der eine Grund ist: Man legt ein bisschen Geld zurück für schlechte Zeiten, damit man in schlechten Zeiten nicht etwa gleich einen Dispo braucht oder sonstige Kredite aufnehmen muss. Und das zweite ist: Man legt das Geld zurück und hofft, dass man ein bisschen Rendite dabei bekommt. Bei dem zweiten ist es in den letzten Jahren eher etwas schwieriger geworden. Das erste ist notwendig wie immer.
    "Bei 1,6 Prozent Zinsen wird das Geld jedenfalls nicht weniger"
    Hammer: Jetzt stellt sich der eine oder andere Hörer vielleicht folgende Frage: Drei Prozent Zinsen auf das Geld auf dem Konto, zwei Prozent Zinsen oder gar keine, das spielt vielleicht gar nicht eine so große Rolle. Sind das wirklich nennenswerte Summen, die ich da verliere?
    Tenhagen: Na ja. Die Frage ist immer, wie ist die Inflation und wie viel bekomme ich auf dem Konto. Die Inflation ist ja im Augenblick auch sehr niedrig. Von daher ist das nicht so das Problem. Die Frage ist eher, wie viel Zinsen bekomme ich von meiner konkreten Bank, und da gehen die Sachen ja sehr weit auseinander.
    Da gibt es Banken, die einem 0,01 Prozent Zinsen auf das Ersparte zahlen, und andere zahlen für ein Jahr 1,6 Prozent. Das sind 160 mal so viel, wenn Sie so wollen, oder jedenfalls deutlich mehr, und bei einer Inflation von einem halben Prozent oder einem Prozent sind 1,6 Prozent jedenfalls so, dass das Geld nicht weniger wird. Den anderen Spargrund gibt es ja nach wie vor: Für schlechte Zeiten Geld zur Seite legen.
    "Wir haben uns ziemlich die Finger verbrannt"
    Hammer: Jetzt gab es Anfang der Woche einen Bericht der Bundesbank und demnach ist der Anteil der Anlagen auf Sparbüchern und normalen Konten in den letzten Jahren sogar gestiegen, also in jener Zeit, als es eigentlich immer weniger Zinsen gab. Und dann gibt es weitere Zahlen, dass die Deutschen im Schnitt Aktien immer noch nicht wirklich gut finden. Sind wir Deutschen Angsthasen?
    Tenhagen: Na ja. Wir haben uns ziemlich die Finger verbrannt Anfang des Jahrtausends und wir haben eigentlich keine vernünftige Strategie von unseren Banken angeboten bekommen, wie man sich diesen Aktien annähern kann, ohne dass man zum Experten werden muss. Die eigentlich vernünftige Strategie - das sagen wir bei "Finanztip" seit längerer Zeit - ist, Index-Fonds zu kaufen. Da muss ich nicht zum Experten werden.
    Die verhalten sich genau so, wie der Markt sich verhält. Ich muss auch keinen Manager kontrollieren. Und es ist eine langfristige Anlage. Einzelaktien sind ja nur was für Experten und dann sind die auch noch so volatil, weil die großen institutionellen Investoren ja so oft handeln, dass eine Aktie heute im Schnitt vier Minuten an der Börse gehalten wird, nicht etwa vier Jahre.
    "Uninformiert ist man immer in einer schlechten Situation beim Bankberater"
    Hammer: Herr Tenhagen, ich gehe zu meiner Bank. Ich sage denen, dass ich mit dem Geld auf meinem Konto etwas machen möchte, versuchen möchte, mehr Rendite zu erzielen, und mir wird ein Produkt angeboten, von dem ich unter Umständen noch nie was gehört habe. Was sind da Ihre Tipps? Worauf muss ich achten? Kann ich dem Bankberater vertrauen?
    Tenhagen: Eigentlich ist die Ansage, ich will jetzt ein bisschen mehr Rendite, nicht die, mit der ich zur Bank gehen sollte, sondern die Ansage muss sein, ich habe eine Idee davon, wie ich mein Geld verteilen will: Ich will zwei Monatseinkommen auf meinem Tagesgeldkonto haben, da hätte ich gerne ein Prozent von euch. Ich will ein bisschen Geld für einige Jahre sparen, da hätte ich gerne ein bisschen mehr als ein Prozent von Euch.
    Und dann habe ich auch Geld, was ich für 10 oder 15 Jahre nicht anfassen will, und da möchte ich auch durchaus auf dem Aktienmarkt mit unterwegs sein und so ein Index-Fonds ist die richtige Wahl. Welchen habt ihr denn da für mich, welcher hat geringe Kosten und wie sorgt ihr dafür, dass das Depot, in dem ich das ablegen muss, auch geringe oder gar keine Kosten für mich hat? Das sind die Anfragen, die man dann stellen muss: Was ist das Tagesgeld, was mir was einbringt? Was ist das Festgeld, was mir was einbringt, und wie machen wir das mit dem Index-Fonds?
    Und nicht etwa hingehen und sagen, habt ihr nicht irgendwas, was mir ein bisschen mehr Zinsen bringt, weil dann ist man uninformiert immer in einer schlechten Situation bei diesen Bankberatern, die ja im Wesentlichen Bankverkäufer sein müssen. Die wollen das nicht immer, die müssen das, weil nur so verdient die Bank Geld.
    Hammer: Die Sparkassen feiern den Weltspartag in einem Umfeld, das für die klassischen Sparer eine Herausforderung bleibt. Das war Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Online-Magazins "Finanztip.de". Besten Dank!
    Tenhagen: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.