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Wenig Lust zum Wechsel

Der Deutsche Hochschulverband beklagt ein Mobilitätshemmnis durch das neue Besoldungssystem für Professoren. Verbandspräsident Bernhard Kempen sagte, Wissenschaftler in der alten C-Besoldung zögerten, Nachteile der neuen W-Besoldung in Kauf zu nehmen und verzichteten daher auf Berufungen.

Moderation: Sandra Pfister | 03.07.2006
    Sandra Pfister: Wer bis vor eineinhalb Jahren Professor wurde, der bekam ein Gehalt, das C2, C3 oder C4 hieß, recht üppig war und mit dem Lebensalter anstieg. Seit 2005 werden neu eingestellte Professoren überall, außer in Sachsen, nach dem W-Tarif, dem so genannten Wissenschaftstarif, honoriert. Die W-Besoldung ist vergleichsweise niedrig, sie bewegt sich je nach Berufserfahrung etwa zwischen 3400 und 4700 Euro - die meisten Lehrer können da gut mithalten -, und die Besoldung wächst nicht mehr mit dem Lebensalter. Das macht Deutschland nicht nur unattraktiv für ausländische Forscher, sondern auch für alle, die schon einen Lehrstuhl haben. Die werden nämlich einen Teufel tun und an eine andere Universität wechseln, wo sie dann vielleicht oder wahrscheinlich weniger Geld bekommen.

    Das hat soeben Bernhard Kempen noch einmal betont. Nun mag man sagen, er muss das tun, denn er ist Präsident des Deutschen Hochschulverbandes und damit quasi oberster Lobbyist aller deutschen Professoren. Aber hören wir ihn lieber selbst. Herr Kempen, dass Professoren durch die neue Besoldung einfach nicht mehr wechseln, ist das eine Vermutung oder wissen Sie da schon mehr?

    Bernhard Kempen: Nein, das können wir schon belegen. Sie müssen sehen, dass hier beim Deutschen Hochschulverband etwa 70 Prozent aller Berufungen über den Tisch gehen. Das heißt, wir beraten unsere Mitglieder in den nicht immer ganz einfachen Verhandlungen, die nun zu führen sind, und da können wir schon sehen, dass diejenigen, die bisher in der C-Besoldung sind, dass die keine große Neigung verspüren, in die W-Besoldung überzuwechseln. Das heißt im Klartext: Die W-Besoldung wirkt sich jetzt vorerst als Mobilitätshemmnis aus.

    Pfister: Und was bedeutet das dann letztlich? Kochen die Unis dann in ihrem eigenen Saft, indem die immer nur noch eigene Leute und Privatdozenten berufen?

    Kempen: So ungefähr. Die Universitäten gehen dazu über, immer mehr Privatdozenten zu berufen. Nun ist das ja nicht schlecht, wenn den jungen Leuten da eine Chance gegeben wird. Aber Sie müssen sehen, dass bisher in der Wissenschaft schon das Prinzip galt: Wissenschaft muss wandern. Das ist ähnlich wie in der Kunst. Das heißt, wir haben bisher davon gelebt, dass Professoren, die auch schon einige Jahre an einem Ort aktiv waren, dass die dann auf einmal die Reiselust packt und sie doch noch mal an eine andere Universität wechseln. Das bringt Bewegung ins System, das beugt Inzucht vor. Und das ist jetzt momentan ein bisschen gefährdet.

    Pfister: Es gibt ja aber als ganz wesentlichen Bestandteil der Besoldung Leistungszulagen. Wofür gibt es die denn zum Beispiel?

    Kempen: Leistungszulagen gibt es aus Anlass von Berufungen, es gibt sie aber auch als so genannte besondere Leistungsbezüge, wenn eine Professorin oder ein Professor über das normale Maß der Dienstpflichten hinaus besondere Leistungen an den Tag legt. Das Problem bei diesen Leistungsbezügen ist aber, dass auf sie kein direkter, harter, einklagbarer Anspruch besteht, sondern dass sie nur nach Maßgabe des Machbaren zugeteilt werden können. Und da beobachten wir in den einzelnen Bundesländern doch ganz erhebliche Diskrepanzen. So ist es beispielsweise so - und das schmerzt uns am meisten -, dass gerade die jungen Kolleginnen und Kollegen, die als Privatdozenten oder Junior-Professoren nun erstmals einen Ruf annehmen, dass die von Leistungsbezügen oder auch von Berufungszulagen völlig abgeschnitten sind. Das heißt, die kriegen die W-Besoldung sozusagen nackt, ohne irgendeine Zulage.

    Pfister: Ist das eine Sachlage, die sich noch verschärfen wird mit der Föderalismusreform, weil die armen Länder ihren Professoren vielleicht weniger bezahlen werden?

    Kempen: Ja, wir fürchten, dass sich die Situation noch verschlimmern wird. Denn nach der Föderalismusreform werden wir nun eine Besoldungszuständigkeit der Bundesländer haben. Das heißt, die haben nun die Zuständigkeit, in der Besoldung eigene Wege zu gehen. Und es gehört nicht viel Fantasie dazu, um sich vorzustellen, dass einige Bundesländer, die finanziell jetzt schon besonders der Schuh drückt, dass die sehr schnell auf die Idee kommen werden, doch an der Professorenbesoldung weiter einzusparen. Das ist natürlich kein gutes Zeichen für eine Situation, wo wir international im Wettbewerb stehen und darauf angewiesen sind, die besten Köpfe an die Universität zu bekommen.

    Pfister: Ich würde noch mal gerne auf die Leistungszulagen zurückkommen, die Sie angesprochen haben und die ja nicht einklagbar sind. Wer vergibt diese Leistungszulagen denn letztlich?

    Kempen: Das ist sehr unterschiedlich. Am besten wäre es natürlich, wenn diejenigen, die die Leistung am besten beurteilen können, das heißt, wenn die Kollegen vor Ort Empfehlungen abgeben können und erklären können: Die oder der Kollege ist nun besonders prädestiniert dafür, einen besonderen Zuschlag zu bekommen. Aber so ist es nicht überall. Oft sind es die Hochschulleitungen, die hier nun Machtspiele veranstalten und über diese Zulagen befinden. Das ist sehr unterschiedlich von Bundesland zu Bundesland - und sogar in den Bundesländern, zwischen den einzelnen Universitäten unübersichtlich geworden. Was übrigens auch noch mal dazu beiträgt, dass das Ganze nicht gerade mobilitätsfördernd ist.

    Pfister: Aber auch wenn nicht die Hochschulleitungen, sondern die Kollegen die Kollegen bewerten würden, könnte es doch zu Ungerechtigkeiten kommen, nach dem Motto: Eine Hand wäscht die andere, gibst du mir eine Zulage, gebe ich dir eine Zulage. Was ist eigentlich mit der Evaluation durch die Studierenden, die ja immer ganz groß geschrieben wurde.

    Kempen: Die sollte aus unserer Sicht durchaus eine Rolle spielen. Wenn wir schon über Leistung reden, dann dürfen wir nicht nur über die Leistung im Labor und in der Bibliothek reden, sondern wir müssen auch und vor allem über die Leistung im Hörsaal sprechen. Also studentische Evaluationen gehören für uns selbstverständlich mit dazu. Aber Sie haben schon Recht: Gerecht geht es da nicht überall zu.

    Pfister: Kann das auch daran liegen, dass die Professorengehälter im Durchschnitt gleich bleiben sollen, das heißt: Was die einen mehr verdienen, das müssen im Prinzip andere Professoren weniger verdienen? Kommt daher der Unmut vieler Professoren?

    Kempen: Ich glaube noch nicht mal, dass das der entscheidende Punkt ist. Der entscheidende Punkt ist, dass die Besoldung insgesamt heruntergefahren wird. Der so genannte Vergaberahmen in den Bundesländern erlaubt ihnen, die Professorenbesoldung als Ganzes, die in einem Bundesland ausgeschüttet wird, schrittweise herunterzufahren, zwar nur um kleine Prozentsätze, plus, minus zehn Prozent, aber immerhin. Und davon haben einige Länder nun auch schon Gebrauch gemacht. Das bedeutet, es wird also an den Professuren gespart. Im Lebenseinkommen der Professoren - und das muss man hier in den Blick nehmen - fahren die Professoren unter der W-Besoldung im Allgemeinen deutlich schlechter als unter der alten C-Besoldung.

    Pfister: Die W-Besoldung ist ein Mobilitätshemmnis für Professoren, sagt Bernhard Kempen, Rechtswissenschaftler und Präsident des Deutschen Hochschulverbandes. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kempen.

    Kempen: Gern geschehen.