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Wenn braune Bohnen immer billiger werden

Vor wenigen Jahren noch konnte man mit Kaffee gutes Geld verdienen. Der Anbau rentierte sich für die Bauern in den Kaffeeländern der Dritten Welt. Doch die goldenen Zeiten der braunen Bohne sind längst passé. Seit 1997 übersteigt das Angebot die Nachfrage auf dem Weltmarkt. Und das hat fatale Folgen für die Kaffeebauern.

Von Andreas Boueke | 11.09.2004
    25 Millionen Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika leben vom Kaffee. Dem Exportprodukt Kaffee kommt für die Dritte Welt größere Bedeutung zu als dem Erdöl. Entsprechend verheerend wirkt sich der Preisverfall auf dem Weltkaffeemarkt für die Produzenten aus - nicht für die Händler und die Konsumenten. Sie profitieren davon. In Deutschland wurde jetzt ein neuer Kaffee-Kodex beschlossen, der den Kaffeebauern in Übersee das Leben erleichtern soll.

    "4c", so das Kürzel für "Common Code for the Coffee Community". Gestern wurde das Regelwerk in Hamburg der Öffentlichkeit vorgestellt. Respekt vor Mensch und Umwelt beim Kaffeeanbau soll großgeschrieben werden. Darauf will man künftig das Augenmerk richten. An guten Vorsätzen mangelt es nicht.

    Das Überangebot auf dem internationalen Kaffeemarkt dürfte allerdings auch mit dem besten Kodex nicht zu regeln sein. Und ob "4c" etwas ändern wird, am schweren Los der Kaffeebauern in Guatemala, das bleibt abzuwarten. Aus Guatemala eine Reportage von Andreas Boueke.

    Antigua, eine alte Kolonialstadt in den Bergen des kleinen mittelamerikanischen Landes Guatemala. Auf den Plantagen der Umgebung stehen unzählige Sträucher voll mit roten Kaffeekirschen. Erst nachmittags, wenn die Pflanzen etwas Schatten spenden, wird die Hitze erträglich. Jahrzehntelang war Guatemala einer der wichtigsten Kaffeeexporteure der Welt.

    Auch heute noch arbeiten während der Erntezeit Hunderttausende Männer, Frauen und Kinder auf den Kaffeefeldern. Sie tragen Plastikkörbe vor den Hüften, die sie sorgsam und geschickt mit roten, reifen Kaffeekirschen füllen. Wenn jedoch die eine oder andere Kirsche beim Pflücken auf die Erde fällt, wird sie liegengelassen. Der Kaffeepreis ist heute so niedrig, dass es nicht mehr lohnt, sich für eine Kirsche bis zum Boden zu bücken.

    Kaffee ist heute so billig wie nie in den vergangenen hundert Jahren. Von diesem Preissturz werden die Kleinbauern in Guatemala besonders hart getroffen. Einer von ihnen ist Maximo Itzép Hernández. Er besitzt rund fünfzig Kaffeesträucher.

    Viele Leute vernachlässigen ihre Pflanzen, weil der Kaffee heutzutage so wenig wert ist. Aber ich bräuchte Geld, um andere Setzlinge zu pflanzen. Früher konnten wir mit dem Kaffee genug verdienen und unseren Kindern jedes Jahr ein paar neue Kleider kaufen. Heute reicht es dafür nicht mehr. Aber wo sollen wir uns beschweren? Wir müssen darauf hoffen, dass der Preis wieder steigt. Er muss steigen. Wir können unsere Pflanzen doch nicht einfach abschlagen?

    Noch im Jahr 1999 wurde ein Dollar fünfzig für das Pfund Rohkaffee bezahlt. Heute liegt der Preis bei knapp einem Drittel dieser Summe und er wird in den nächsten Jahren voraussichtlich auch nicht deutlich steigen. Denn auf dem Weltmarkt ist ein neuer Konkurrent angetreten: Vietnam.

    Der Kaffeeanbau in dem südostasiatischen Land geht auf eine deutsche Initiative zurück. Weil die Deutsche Demokratische Republik nicht genügend Devisen aufbringen konnte, um ausreichend Kaffee am Weltmarkt zu kaufen, drängten die DDR-Wirtschaftsplaner ihre vietnamesischen Genossen, Kaffee anzubauen. Im Gegenzug lieferten sie Industriewaren und erließen Schulden. In Vietnam sind die klimatischen und landschaftlichen Bedingungen besonders günstig. Dank Subventionen und dem Einsatz von Erntemaschinen kann Vietnam deutlich billiger exportieren als die traditionellen Kaffeeländer.

    Doch jahrzehntelang galt das kommunistische Land auf den internationalen Finanzmärkten als nicht kreditwürdig. Dieser Status hat sich geändert, seit im Jahr 1994 das Handelsembargo der USA gegen Vietnam fiel. Gerade die Banken sind zunehmend an einem Ausbau ihrer Beziehungen zu Südostasien interessiert. Zudem sehen die Weltbank und internationale Entwicklungsorganisationen im Kaffee eine Alternative zum Mohnanbau für die Produktion der Droge Opium. Der ist bei vietnamesischen Kleinbauern besonders populär. So kam es zu einer massiven Förderung des Kaffeesektors.

    Innerhalb von zehn Jahren hat Vietnam seine Kaffeeproduktion vervierfacht und produziert heute zwanzig Prozent des Angebots auf dem Weltmarkt. Dadurch wurde der Preis nachhaltig gedrückt, so dass auch die vietnamesischen Kleinbauern nicht mehr vom Kaffeeanbau leben können. Die britische Hilfsorganisation OXFAM bezeichnet ihr Einkommen als "Vorstufe zum Verhungern".

    Nachdem die Kaffeekirschen gepflückt sind, werden sie entkernt. Danach werden die braunen Bohnen mehrere Tage lang zum Trocknen in der Sonne ausgebreitet. Der nächste und weitaus profitträchtigere Schritt, das Rösten, wird von Firmen im Ausland übernommen. Das weiß auch Markus Neuweiler, ein Schweizer Plantagenbesitzer, dessen Familie vor vierzig Jahren nach Guatemala gekommen ist.

    Die Kaffeekrise trifft den Produzenten, aber nicht den Importeur, den Röster oder den Exporteur. Der Produzent bekommt heute einen sehr niedrigen Preis ausbezahlt, aber die anderen Akteure der Handelskette machen weiterhin gute Profite.

    Als Reaktion auf die weltweite Krise der Kaffeeproduktion müssten die Kleinbauern in Guatemala diversifizieren, andere Produkte herstellen. Aber das ist risikoreich. Eine Umstellung kostet viel Geld, und man braucht genaue Marktanalysen. Doch die Leute auf dem Land haben weder das eine noch das andere. So nimmt die Armut in den traditionellen Kaffeeanbaugebieten weiter zu. Das kann der Mönch Antonio Lopéz seit Jahren vor den Toren seiner Kirche La Merced am Rand des Städtchens Antigua beobachten.

    Den Leuten geht es wirtschaftlich immer schlechter. Wenn ein Vater nicht genug Geld verdient, um das Überleben seiner Kinder zu sichern, dann nehmen seine Alltagsprobleme an Schärfe zu. Es ist furchtbar, wenn er abends zu Bett geht, ohne zu wissen, was seine Familie am nächsten Morgen zum Frühstück essen kann. Soweit sind wir schon gekommen. Die Familien haben nicht mehr genug zu essen. Das ist keine Armut, sondern schlimmer. Das ist Elend.

    Sobald das Licht der Sonne abends den Horizont rot einfärbt, tragen die Kaffeepflücker zentnerschwere Säcke kilometerweit über schmale, steile Pfade. Wie Akrobaten balancieren sie am Rande tiefer Schluchten. Sie überqueren Flüsse auf glitschigen Baumstämmen und auf dem feuchtem Gras, oder über dem lockeren Geröll so mancher steiler Abhänge rutschen sie hinab wie Snowboardfahrer. Jeder Schritt ist ein unkalkulierbares Risiko. Trotz der quälenden Last auf dem müden Rücken und trotz der vielen Hindernisse laufen die Kaffeepflücker schnell bis zu der Sammelstelle, an der die Aufseherin mit einer rostigen Eisenwaage wartet.

    Sie schiebt die schweren Gewichte hin und her. Dann verkündet sie ihr Ergebnis.

    Die geschundenen Pflücker haben keine Wahl, sie müssen das ausgerufene Gewicht akzeptieren. Keiner der Arbeiter würde es wagen, zu überprüfen, ob die Waage genau ausbalanciert ist. Die meisten könnten die Zahlen auch gar nicht lesen, geschweige denn ihren Lohn ausrechnen. Fast alle sind Analphabeten. Die erfahrene Kaffeepflückerin Pilar Ramirez ist sich sicher, dass sie beim Wiegen betrogen wird.

    Es war nie anders. Die Aufseher stehlen von den Arbeitern zu Gunsten der Fincabesitzer. Diese Leute haben kein Gewissen. Sie interessieren sich nicht für unser Leid.

    Die Hände der Frau sind voller Narben von kleinen Rissen und Schnittwunden. Ihre trüben Augen sind so braun wie eine geröstete Kaffeebohne. Verbitterung und Resignation haben sich in ihr faltiges Gesicht eingegraben.

    Die reichen Fincabesitzer wollen, dass wir ungebildet und ignorant bleiben. Deshalb haben sie nie Schulen gebaut. Wer nicht zur Schule geht, der kennt seine Rechte nicht, arbeitet härter und verdient weniger Geld.

    Aus klimatischen Gründen beschränkt sich der Kaffeeanbau vorwiegend auf den Tropengürtel der Erde. Die Hauptlieferanten sind so genannte Entwicklungs- und Schwellenländer. Dazu zählt auch Guatemala, obwohl es eigentlich ein reiches Land ist. Doch dieser Reichtum ist so ungleich verteilt wie nirgendwo sonst in Lateinamerika. Während zwei Prozent der Bevölkerung über drei Viertel der Anbaufläche verfügen, besitzen achtzig Prozent der Bauern nur etwa ein Zehntel.

    Für die wenigen Großgrundbesitzer war der Kaffeeanbau jahrzehntelang geradezu eine Goldgrube. Doch weil sie immer nur Hungerlöhne zahlten, ihre märchenhaften Gewinne nur geringfügig versteuerten und einen großen Teil ihrer Einnahmen auf Konten im Ausland anlegten, wurden die Menschen vor Ort kaum an dem Profit beteiligt. Die Arbeiter auf den Plantagen gelten noch heute als Kostenfaktoren und nicht als Väter und Mütter, die sich um die Ernährung ihrer Kinder sorgen. Darüber würde der Erntearbeiter Nicolas Tebalán gerne mal mit dem Besitzer der Plantage sprechen, auf der er jahrelang Tausende Säcke mit Kaffeekirschen gefüllt hat.

    Er hat noch nie ein Wort mit mir gewechselt. Wenn er auf die Finca kommt, ist er umringt von Sicherheitspersonal. Er steigt aus seinem Hubschrauber und redet nur mit den Verwaltern. Uns fragt er nie, ob wir genug verdienen oder wie hart wir arbeiten müssen. An sowas denkt der überhaupt nicht.

    Für die Großgrundbesitzer und ehemaligen Kaffeebarone ist die braune Bohne schon lange nicht mehr eine Garantie für hohe Profite. Auch sie klagen über den niedrigen Kaffeepreis. Aber die Sozialforscherin Felicia Loarca ist sich sicher, dass sich die meisten längst auf den Preisverfall eingestellt haben.

    Sie bekommen ihre Informationen aus dem Internet und anderen Medien. Sie werden von der Handelskammer unterstützt und von der Regierung. Viele haben schon vor Jahren strategische Entscheidungen getroffen und ihr Kapital in anderen Bereichen investiert.

    Kaffee ist seit über zehn Jahren nicht mehr der wichtigste Devisenbringer Guatemalas. Selbst Produkte wie Honig, Brokkoli oder Blumen holen auf. Das hat die Lebensweise von Hunderttausenden Menschen verändert. Angaben der UN-Organisation für Migration zufolge sind in der guatemaltekischen Kaffeewirtschaft eine halbe Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen.

    Früher zogen die Wanderarbeiter zu Beginn der Erntezeit aus ihren abgelegenen Weilern in den Bergen auf die großen Plantagen. Viele brachten ihre Familien mit, um gemeinsam einige Monate lang Geld zu verdienen. Meist wurden diese Tagelöhner in einfachen Wohnställen untergebracht, so genannten Galeras. Der landlose Bauer Nicolas Tebalán erinnert sich mit Grauen an diese Unterkünfte, in denen er einen großen Teil seiner Jugend verbracht hat. Der Platz, den er mit seinen Eltern und Geschwistern teilte, war nur durch Wände aus zusammengebundenen Maishalmen oder dürren Ästen der Pinienwälder von den anderen Familien getrennt.

    Wir mussten auf dem blanken Erdboden schlafen. Alles war voller Flöhe. Es gab keine Latrinen, und viele Leute gingen für die Toilette nicht einmal raus vor die Tür. Der Uringestank war grauenhaft. Alles war schmutzig, auch das Wasser. Das Leben als Tagelöhner ist ein einziges Elend.

    In den achtziger und neunziger Jahren war Kaffee nach Erdöl das zweitwichtigste Exportgut auf dem Weltmarkt. Die größten lateinamerikanischen Anbieter, Brasilien und Kolumbien, exportierten nahezu die Hälfte des weltweiten Kaffeeangebots. Aber auch einige afrikanische Länder produzieren Kaffee, zwar nicht in so großen Mengen wie Lateinamerika, aber für ihre Volkswirtschaften sind die braunen Bohnen so wichtig wie kein anderes Produkt. In Burundi und Ruanda zum Beispiel lag der Anteil des Kaffees am Gesamtexport jahrelang bei über siebzig Prozent. Für diese Länder ist der niedrige Kaffeepreis eine Katastrophe, die die gesamte Volkswirtschaft ins Wanken bringt.

    In Guatemala lohnt sich die Kaffeeernte überhaupt nur deshalb noch, weil viele der Anbaugebiete weit über tausend Meter über dem Meeresspiegel liegen. In dieser Höhe ist die Qualität des Kaffees von erster Güte. Hochwertiger Kaffee erzielt einen besseren Preis als Kaffee minderer Qualität, der in tiefer gelegenen Gebieten geerntet wird. Eine solche Anbauregion ist die Umgebung des Dorfes Pochuta.

    Der Weg führt vorbei an alten Kaffeefeldern. Ehemals wertvolle Sträucher sind umrankt von Unkraut und Schlingpflanzen. Von der guatemaltekischen Pazifikküste kommend fährt man bergauf bis zu einer Höhe von achthundert Metern. Die zunehmende Zahl der Schlaglöcher auf der Schotterpiste gibt Zeugnis davon, dass es mit der Region wirtschaftlich bergab geht. Ganze Dörfer werden entvölkert. 1985 lebten noch sechzehntausend Menschen in Pochuta, heute sind es gerade mal achttausend.
    Die Menschen in der Umgebung von Pochuta haben immer schon in sehr ärmlichen Hütten gewohnt. Aber während der goldenen Jahre des Kaffees konnten sie zumindest mit einem regelmäßigen Verdienst auf den Plantagen rechnen. Heute reicht das Einkommen des Kleinbauern Pablo Melchor nicht einmal mehr für die Grundversorgung seiner Familie.

    Wir haben kein Geld für Kleidung oder Medizin. Ich war so verrückt, einen Jahresplan für Nahrungsmittel aufzustellen. Nächstes Jahr bräuchte ich etwa zehntausend Quetzales, rund tausend EURO, um meine Kinder ausreichend zu ernähren. Aber bei dem niedrigen Kaffeepreis werde ich während der Erntezeit wohl nur dreitausend Quetzales verdienen. Wenn ich daran denke, wovon wir den Rest des Jahres leben sollen, bekomme ich eine Gänsehaut. Und was soll werden, wenn einer von uns krank wird?

    Pablo Melchor lebt mit seiner Frau Gloria und sechs Kindern in einer Hütte mit vier einfachen Holzwänden, durch deren Ritzen der Wind bläst. Den Fußboden hat Pablo Melchor mit flachen Steinen ausgelegt.

    Vor der Hütte pickt ein halbes Dutzend Küken im Lehm. Manchmal muss sich Gloria Melchor entscheiden, ob sie den Hühnern ein bisschen Mais gibt, oder den Kindern. Für beide reicht es oft nicht.

    Wir sind arm. Wir haben keine schönen Sachen wie zum Beispiel ein Bett aus Metall. Wenn es mehr Arbeit für uns gäbe, dann könnten wir uns solche Dinge kaufen. Früher konnten wir Frauen beim Ausstreuen des Düngers und der Pestizide mitarbeiten. Heute machen das nur noch Männer. Sie bekommen dafür zwei Euro am Tag.

    Frauen werden nur noch während der Erntezeit eingestellt. Aber die Bezahlung ist so gering, dass viele von ihnen auf die Hilfe der Kinder angewiesen sind. Nur so können sie genug verdienen, um das Auskommen der Familie zu sichern.

    An guten Tagen kann die neunjährige Maria bis zu fünfzig Pfund Kaffeekirschen pflücken. Aber in der schwülen Hitze wird ihr oft schwindelig. Dann muss sie einen Moment lang im Schatten sitzen.

    Ich arbeite, damit wir genug Geld haben, um Zucker und Bohnen kaufen zu können. Tagsüber sind wir auf dem Feld. Wenn ich abends nach Hause gehe, muss ich noch die Wäsche waschen. Danach essen wir und gehen dann schlafen.

    Eigentlich verbietet die guatemaltekische Gesetzgebung Kinderarbeit. Aber auf den Kaffeefeldern kümmert das niemanden.

    Der dreizehnjährige Carlos arbeitet schon seit fünf Jahren in der Kaffeeernte. Er hat gelernt, ein Lasso zu Hilfe zu nehmen. Geschickt schwingt er das Seil um die Spitze eines Kaffeestrauchs, zieht sie herunter und bindet das Ende an einen Stumpf am Boden. So kann er die Kirschen pflücken, ohne sich allzu sehr recken zu müssen.

    Für die kleinen Kinder ist die Arbeit hart. Anfangs sind sie immer müde. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran. So ist eben das Leben.

    Die Krise der niedrigen Weltmarktpreise für Kaffee lässt es noch unwahrscheinlicher erscheinen, dass sich die Lebensbedingungen der arbeitenden Kinder in Guatemala bald verbessern werden. Der guatemaltekische Sozialwissenschaftler Omero Fuentes macht dafür die kurzsichtige Politik internationaler Entwicklungsorganisationen verantwortlich.

    Die Entwicklungshilfe für Vietnam, auch die aus Deutschland, hatte gravierende Auswirkungen auf die weltweite Kaffeekrise. Vietnam hat überproduziert, und niemand hat den Schaden vorhergesehen. Für ein Land wie Guatemala hat das katastrophale Folgen, vor allem, weil Arbeitsplätze verloren gehen. Wenn eine Organisation in einem Land Armut bekämpfen will, dann sollte sie auch globale Zusammenhänge im Blick behalten, um nicht anderswo neues Elend zu erzeugen.

    Noch schärfer kritisiert der Präsident der ANACAFE, der Vereinigung der größten Kaffeeproduzenten in Guatemala, die Politik der internationalen Hilfsorganisationen. José Angel Lopéz sitzt in seinem luxuriös ausgestatteten Büro und schimpft.

    Es ist pervers, wenn man in einem Land den Kaffeeanbau unterstützt, ohne darauf zu achten, welchen Schaden das in anderen Ländern anrichtet. Offensichtlich gibt es keine weltweite, integrale Entwicklungspolitik.

    Die Entscheidungen der Weltbank und vieler internationaler Hilfsorganisationen orientieren sich an einem Entwicklungsmodell, das den Kräften des Marktes erlaubt, sich ungehindert zu entfalten. In der globalisierten Welt sollen Produkte dort hergestellt werden, wo es am günstigsten ist. Wenn eine Produktion unrentabel wird, muss nach Alternativen gesucht werden. So gesehen gibt es keinen Grund für die Weltbank, Vietnam die Chance des Kaffeeanbaus zu verweigern.

    Der Streit um die Ursachen der Kaffeekrise und die Rolle Vietnams ist eine Debatte, von der die meisten Landarbeiter in Guatemala noch nie etwas gehört haben. Die Erntearbeiterin Eva Peréz weiß nicht einmal, dass der Kaffee, den sie pflückt, ins Ausland verschifft wird.

    Unser Verdienst reicht nicht aus. Wir bekommen viel zu wenig Lohn. Mit dem Geld können wir nicht einmal genug Mais kaufen. Aber was sollen wir machen? Woanders als auf den Kaffeefeldern finden wir ja überhaupt keine Arbeit.