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Wenn der Dorsch auf dem Kopf steht

Fisch ist gesund. Doch weltweit gehen die Bestände zurück, viele Fischarten gelten als überfischt. Damit der Verbraucher informiert ist, welchen Fisch er bedenkenlos kaufen kann, haben jetzt Kieler Fischereibiologen eine Internetplattform eingerichtet: .

Von Annette Eversberg | 05.02.2008
    Es dauert nur wenige Sekunden, dann ist die Fischereibiologin Amanda Stern-Pirlot vom IFM-Geomar für Meereswissenschaften in Kiel im Internet. Mit Hilfe eines Computers zu Hause. Oder mit einem internetfähigen Handy, wenn man unterwegs ist. Zum Beispiel, um Fisch zu kaufen:

    "Dann öffnet sich ein Menü, das anhand der Flaggen verschiedener Länder zeigt, welche Informationen über Fischbestände abgerufen werden. In Deutschland klickt man die deutsche Flagge an, und es öffnet sich eine Liste von Fischen und den dazugehörigen Informationen."

    Das Symbol eines Fisches macht sofort deutlich, wie es um die Fische und ihre Bestände bestellt ist. Ein besonders negatives Beispiel ist der Dorsch:

    "Wenn man die Informationen zum Dorsch aufruft, dann öffnet sich ein neues Menü. Und wenn man dann einen Fisch sieht, der auf dem Kopf steht, mit einem X versehen, dann bedeutet das, dass man diesen Fisch besser nicht isst."

    Wenn man die Fischratgeber des WWF oder von Greenpeace anklickt, dann erfährt man, dass die Dorschbestände so katastrophal niedrig sind wie sonst bei kaum einem anderen Fisch. Die Stellnetzfischerei in der Ostsee hat den Fischen besonders geschadet. Zwar wird noch der Verwandte des Dorsch aus der Nordsee, der Kabeljau, in der russischen Barentsee gefangen, aber FischimHandy warnt davor, dass man als Verbraucher dies nicht unterscheiden kann. Dass sich die Meereswissenschaftler mit ihrem Online-Führer zum ökologischen Umgang mit Fisch direkt an die Verbraucher wenden, hat einen guten Grund:

    "Wir stellen fest, dass es einfach am politischen Willen fehlt, die Fischereipolitik zu ändern. Jedes Jahr aufs Neue wird der Internationale Rat für die Nutzung der Meere von der EU konsultiert, damit er seine Empfehlungen zu möglichen Fischfangquoten gibt. Und jedes Mal werden diese Empfehlungen der Wissenschaftler fast vollständig ignoriert."

    Im Gegensatz dazu haben die Meeresforscher ein wachsendes Interesse der Bevölkerung in den Meeresanrainerstaaten an einem ökologischen Umgang mit den Fischbeständen festgestellt. Deshalb kann man über die Adresse FischimHandy auch erfahren, welche Größe der Fisch mindestens haben sollte, den man kauft. Die Stellnetzfischerei zum Beispiel führt auch dazu, dass sehr kleine und damit junge Fische ins Netz gehen. Für die Bestände ist es aber nicht nur wichtig, dass viele Fische da sind, sondern dass es auch mehrere Generationen von ihnen gibt, betont Amanda Stern-Pirlot:

    "Es ist wichtig, dass die Fische wachsen können und zwei bis vier Jahre Zeit haben, sich fortzupflanzen. Wenn sie nämlich größer werden und älter, dann nimmt auch die Zahl der Eier zu, die sie produzieren. Und natürlich sind sie auch größer. Gibt es viele Generationen einer Fischart, dann ist die Überlebensrate erheblich größer."

    Deshalb erfährt man in FischimHandy über den pazifischen Thunfisch, dass man lieber auf andere empfohlene Fische ausweichen sollte. Denn hier verfügen die Meereswissenschaftler noch nicht über die entsprechenden Daten, um die Bestände des pazifischen Thunfisches abschließend bewerten zu können. Daher rät Amanda Stern-Pirlot lieber zum Hering:

    "Die Heringsbestände sind derzeit in guter Verfassung. In den verschiedenen Fischratgebern wird der Hering ausdrücklich empfohlen. Außerdem ist es ein kleiner Fisch, der sehr schnell wächst, und weil er auch in Schwärmen auftritt, nicht so schnell überfischt werden kann."

    Außerdem können die Fischereibiologen darauf verweisen, dass der Hering deshalb so reichlich vorhanden ist, weil er mehrere Jahre nicht gefischt werden durfte. Ein zeitweiliges Fangverbot kann also die Fischbestände deutlich schonen. Auch zum Vorteil der Verbraucher. Amanda Stern-Pirlot:

    "In den meisten Fällen sind die Fischbestände nach einem völligen Fangverbot sogar stärker als zuvor. Zum Beispiel in Neuseeland, wo man Schutzzonen geschaffen hat. Dort erholt sich das ganze Ökosystem. Und alle Fischer, die in der Nähe dieser Schutzzone fischen, profitieren davon. So muss der Schutz aussehen, wenn die Fischwirtschaft derart darniederliegt. Eine andere Alternative gibt es nicht."