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Wenn der Mensch Maschine wird

Die Frage, wie wir Menschen mit Computern interagieren und welche Schnittstellen dafür die besten sind, ist fast so alt wie Computer selbst. Alljährlich wird sie von der Amerikanischen Vereinigung für Datenverarbeitung (ACM) neu diskutiert. Mehr und mehr rückt der Mensch selbst stark in die Funktion einer Schnittstelle.

Von Mariann Unterluggauer | 04.05.2013
    Seit 31 Jahren treffen sich auf der CHI Ingeneure, Computer- und Kognitionswissenschaftler, um über die Interaktion zwischen Mensch und Maschine nachzudenken. Die Ausrichtung der Konferenz hat sich über die Jahre verändert, bestätigt der amerikanische Designer Aaron Marcus. Es stieg nicht nur die Besucherzahl - dieses Jahr waren es über 3000 -, sondern auch die Anzahl der eingereichten Studien und Arbeiten von Designern, einer Spezies, die erst seit wenigen Jahren an der CHI teilnimmt. Am Anfang dachten über Computervisualisierung und Interaktionsdesign meist nur Ingeneure und Physiker nach. Letzteres studierte auch Aaron Marcus. Bereits 1964 arbeitete er am Picturephone von AT&T. Es gab damals kein Handy, keinen PC und kein Skype, trotzdem arbeitete man bereits daran, Festnetztelefonie und Fernsehbildschirm miteinander zu verknüpfen.

    "Die Idee, etwas auf der CHI zu präsentieren, das schon einmal dagewesen ist und dessen Funktionalität schon von jemand anderem bewiesen worden ist, wurde früher nicht besonders gerne gesehen. In diesem Sinne könnte man sagen, die Arbeiten, die jetzt auf der CHI zugelassen werden, sind unwissenschaftlicher geworden. Ich finde das gut. Es bedeutet, dass CHI erwachsen geworden ist."

    Marcus Aaron sprach auf der CHI über Science-Fiction, über die vergangenen 100 Jahre der Zukunft. Eine alte Idee neu evaluiert haben auch drei Doktoranten des Pariser Forschungsinstituts CNAM. Sie stellten einen Prototypen namens "Reading Role" vor. Dafür analysierten sie die Zeit vor der Erfindung des Buches und entwickelten ein Produkt, bei dem sich das umblättern erübrigt. Gerollt und nicht gescrollt, lautet die Idee für die zylinderförmige, digitale Rolle mit dem Durchmesser von drei, einer Länge von zwölf Zentimeter und einem Gewicht von 67 Gramm. Um diese Idee schlussendlich umzusetzen, so Pierre Cubaud, brauche man nichts mehr zu erfinden. Verwendet werde einfach alles, was Handys und E-Books zu bieten haben. Von der Schnittstelle, OLED Display oder elektronischer Tinte, bis hin zu Beschleunigungssensoren.

    Aber es gab auf der CHI auch Produktideen, die sehr wohl eine technische Herausforderung darstellen. Zum Beispiel das Projekt von Raphael Wimmer von der Universität Regensburg. Er kam nach Paris, um die Reaktionen auf sein Fingernagel-Display zu testen.

    "Die Idee ist uns gekommen, als wir uns überlegt haben, wie man Informationen von einer interaktiven Oberfläche – zum Beispiel von einem Touchscreen an der Wand – auf eine andere übertragen kann, die vielleicht in einem anderen Raum ist. Und das Schönste wäre, wenn ich die eine Fläche mit meinem Finger berühre, die Information an meinem Finger hängt und ich sie woanders ablegen kann. Damit ich sehen kann, was ich auf dem Finger hängen habe, wäre es ganz gut, eine Ausgabemöglichkeit zu haben. Da war es dann naheliegend, ein kleines Display auf den Fingernagel zu kriegen."

    Der Fingernagel als Lupe, für den "file transfer" oder zur Wiedergabe von animierten Bildern - entweder mithilfe von OLED, "electronic Ink" oder Lack, ist noch Science-Fiction. Auch wegen des Energieverbrauchs. Aber gleich drei unterschiedliche Forschungsgruppen präsentierten einen derartigen Miniaturbildschirm auf der CHI. Bereits im Einsatz ist der sogenannte "NoiseBear" von der Interaction Group der "University of London". Der sogenannte Bär kommt ohne Fell, Kopf, Arme und Beine aus. Stattdessen präsentiert er sich in Form eines weichen, knet- und waschbaren Würfels. Laut Mick Grierson, kann die Elektronik, die leitenden Glasfasern und Mikrochip in jedes Kinderspielzeug verpackt werden.
    "Der NoiseBear wird über eine taktile Benutzeroberfläche gesteuert, die auf Druck reagiert. Es sendet Signale an ein iPad - oder an irgendein Gerät mit Bluetooth 4. Sie nehmen das Gerät in beide Hände, verformen seine Oberfläche und der NoiseBear sendet jedes beliebige Signal über 16 Kanäle an das iPad. In unserem Fall sind es Audiosignale."

    16 Kanäle, so Mick Grierson, sind notwendig, damit die Signale nicht nur kontrolliert, sondern der Sound auch wiederholt werden kann. Denn schließlich besteht der Sinn des "Geräusch-Bären" darin, autistischen und behinderten Kindern ein Werkzeug in die Hand zu geben, das einfache Kommunikation ermöglicht und Feedback erlaubt.