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Wenn der Rettungsschwimmer baden geht

Inflation, Konjunkturknick, Sparprogramme. Nach turbulenten Wochen hat sich die Situation an den Finanzmärkten etwas beruhigt. Doch was lernen wir aus alten Krisen und was bedeutet die derzeitige Schuldenkrise für Deutschland?

Von Michael Braun, Brigitte Scholtes und Stefan Wolff | 15.08.2011
    Morgen wird sie nach Paris fliegen. Die Kanzlerin. Dort wird sie, wieder einmal, mit Präsident Nicolas Sarkozy debattieren, wie der Schuldenkrise beizukommen ist und wie sich – das scheint noch dringlicher - die Finanzmärkte langfristig beruhigen lassen. Denn nach turbulenten Wochen hat sich die Situation etwas beruhigt. Dazu beigetragen hat auch die Europäische Zentralbank, die heute mitteilte, in der vergangenen Woche für 22 Milliarden europäische Staatsanleihen gekauft zu haben. Doch die Kanzlerin und der Präsident müssen morgen beweisen, dass die Politik auch längerfristig handlungsfähig ist. Das ist das wichtigste Signal an die Märkte, hat sich auch in der Vergangenheit gezeigt.

    Was lernen wir aus alten Krisen?
    Dieser wie jeder andere Gipfel in welcher Zusammensetzung auch immer hat nur einen Zweck: die Volkswirtschaften am Laufen zu halten. Dass sie sich durch ihre Schuldenfinanzierung in eine Sackgasse gefahren haben, ist offensichtlich. Aber sie sich selbst überlassen, das gehe nicht, sagt etwa der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer:

    "Die Weltwirtschaftskrise in den 30er-Jahren hat deutlich gezeigt, was passiert, wenn man nichts tut. Wir hatten damals eine Situation, die der jetzigen gar nicht so unähnlich war. Wir hatten im Verlauf der 20er-Jahre enorm steigende Börsen. Mit dem Aktienmarktkrach von 1929 brachen dann die kurzfristigen Kapitalflüsse ein. Man traute sich nicht mehr, Deutschland Geld zu geben. Deutschland kam in Zahlungsschwierigkeiten, das Bankensystem kippte um, niemand gab irgendjemand einen Kredit mehr, die Wirtschaft schmierte ab. Wir hatten dann drei Jahre bis 1933/34 eine Depression enormen Ausmaßes."

    Mag sein, dass der Chefvolkswirt einer Großbank so redet, weil er auch an einem funktionierenden Bankensystem interessiert sein muss. Historiker jedenfalls greifen nicht gerne zur Keule der Weltwirtschaftskrise, wenn sie Parallelen zur heutigen Situation suchen, enden aber bei ähnlichen Schussfolgerungen. Professor Werner Plumpe, Wirtschaftshistoriker an der Universität Frankfurt:

    "Nehmen wir eine Phase in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die ganz ähnliche Entwicklungen gekannt hat: Den Gründerkrach von 1873, als weltweit die Börsen zusammenbrachen, als es weltweit zum starken Rückgang der wirtschaftlichen Leistung kommt und wir eine relativ lange Phase der sogenannten "Großen Depression" haben."

    Vorausgegangen war ein schnelles Wachstum finanziert mit dem vielen Geld, das das Deutsche Reich aus den Reparationszahlungen nach dem deutsch-französischen Krieg einnahm.

    Großer zeitlicher Sprung – ähnliches Phänomen: Viel spekulativ eingesetztes Geld war auch im Spiel, als in den Niederlanden 1635 eine Zwiebel der Tulpenart "Semper Augustus" für 6.000 Gulden verkauft wurde: eine einzige Zwiebel zum Preis eines prächtigen Grachtenhauses, Höhepunkt einer Preisblase für Tulpenzwiebeln. Und die war nur entstanden, weil nach einer Pestepidemie wenige Erben vieler Toter viel Geld hatten und sich gerne ein Luxusprodukt kauften, ein neues dazu.

    Natürlich – auch wenn Konjunkturen knicken, überhitzte zumal, brechen Aktienmärkte ein, meist schon im Vorfeld. Das war 2008 so, noch bevor die Lehman-Bank Pleite machte. Am "Schwarzen Montag", dem 19. Oktober 1987, krachten die Aktienkurse ein, weil sich schon seit acht Wochen die Anzeichen für einen Konjunkturabschwung gemehrt hatten. Adalbert Winkler, Professor für Professor für Finanzsystemstabilität an der Frankfurt School of Finance and Management, hat die Finanzkrisen untersucht. Oft ging ihnen ein starkes Kreditwachstum voraus. Entscheidend aber war dies:
    "Alle (Krisen) haben gemeinsam, dass die Anleger Zweifel bekommen an der Kreditwürdigkeit der Schuldner und aus diesen Zweifeln den Schluss ziehen, ihre Engagements aufzulösen."

    Gegenhalten kann nur, wer das Vertrauen der Märkte, also der Geldgeber, noch nicht verloren hat. Es ist schwierig, jemanden zu finden, der in der Eurozone dieses Kriterium erfüllt. Fast alle Mitgliedsstaaten haben einen höheren Schuldenstand als die 60 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung, die im Vertrag von Maastricht als Stabilitätskriterium festgelegt waren. Und es gibt schon Beobachter, die den finanziellen Handlungsspielraum der Eurostaaten als ausgeschöpft ansehen. Neue Rettungspakete lassen sich so nicht schnüren. Sven Giegold, für Bündnis 90/ Die Grünen im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europaparlaments:

    "Ich glaube, dass der Staat sich jetzt noch weiter verschuldet mit Investitionsprogrammen und so weiter, das gibt es in großem Maße in Europa nicht mehr. Der Staat hat sein Pulver in Europa zu relevanten Teilen verschossen."

    Finanzwissenschaftler sagen, es gehe nicht ums Geld, es komme aufs Konzept an. Professor Adalbert Winkler:

    "In einer Krise geht es weniger um Quantitäten, sondern um Qualitäten. Und das Hauptqualitätsmerkmal ist Vertrauen. Vertrauen geht verloren in einer Krise und Vertrauen muss wieder hergestellt werden. Und Vertrauen können nur Institutionen und nur Akteure herstellen, deren Kreditwürdigkeit nicht infrage steht. Das ist jetzt im Beispiel der Eurozone die Bundesrepublik Deutschland und einige andere kleinere Eurostaaten. Und deren Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Vertrauen wieder für den ganzen Club entsteht."

    Was bedeutet diese Krise für Deutschland?
    Die Sorge ist groß, dass die Eurostaaten auch Italien und Spanien retten müssen: Das wäre dann der Fall, wenn die beiden Staaten sich nicht mehr am Kapitalmarkt refinanzieren können, weil die Zinslast zu hoch wird. Das aber würde den Rahmen des bisherigen Rettungsfonds EFSF sprengen. Der darf zwar Kredite in Höhe von maximal 440 Milliarden Euro vergeben, doch die Länder mit der höchsten Bonitätsstufe AAA, wie Deutschland sie hat, bürgen mit ihren Garantien nur für 300 Milliarden Euro.

    Verleiht der Fonds also mehr als diese Summe, ist das Geld nicht ausreichend abgesichert. Und damit verliert der Fonds sein AAA-Rating. Damit das nicht geschieht und er trotzdem 440 Milliarden Euro ausleihen kann, sollen die Euro-Länder ihre Garantien ausdehnen: auf 780 Milliarden Euro – sofern die Parlamente in den einzelnen Mitgliedsstaaten zustimmen.

    Diese Summe dürfte reichen, um neben Griechenland, Portugal und Irland auch Spanien zu unterstützen. Sollte es aber Probleme mit Italien geben, das drittgrößter Schuldner weltweit ist, dann würde das den Rahmen sprengen – und der Rettungsfonds müsste ein weiteres Mal aufgestockt werden. Dann wären wohl 700 Milliarden Euro an Ausleihevolumen nötig – und 1,2 Billionen Euro als Garantiesumme. Man muss unterscheiden zwischen Garantien und tatsächlichen Forderungen, sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ-Bank:

    "Diese Garantieerklärungen – bis jetzt musste man noch nichts ausgeben. Wenn ESM mit Grundkapital ausgestattet würde, dann würde natürlich Geld fließen, jedoch würden wir das Geld nur darein fließen lassen, wir würden trotzdem immer noch einen Anspruch auf unsere Garantien haben – bis zu dem Fall, dass etwas passiert."

    Der ESM ist der Europäische Stabilitätsmechanismus, der von 2013 an den EFSF, den europäischen Rettungsfonds ersetzen soll. Sollte der Fonds tatsächlich seine Garantien auf 1,2 Billionen Euro erhöhen, müsste Deutschland für 336 Milliarden Euro geradestehen. Direkt zahlen müsste es sie nicht. – Eine solche Summe könnte auch Deutschland wohl kaum schultern - es entspräche zwei Drittel der jährlichen Steuereinnahmen. Fällig würde dieses Geld erst, wenn die anderen Länder ihren Schuldendienst nicht mehr leisten könnten. Volkswirte glauben aber nicht daran, dass die Politik es so weit kommen lässt. Denn auch den deutschen Politikern sei klar, wie wichtig Europa für Deutschland und die deutsche Wirtschaft sei. DZ-Chefvolkswirt Bielmeier:

    "Knapp 50 Prozent der deutschen Exporte gehen in den Euroraum, also in den Euro-Raum; und nach Europa fast 60 Prozent. Für Deutschland selbst ist das eigentlich sehr wichtig, und wir haben auch stark profitiert davon in den letzten Jahren. Von daher gehe ich eigentlich davon aus, dass wir eine politische Lösung bekommen. Diese politische Lösung beinhaltet aber deutliche Konsolidierungsprogramme in den Ländern, um das Vertrauen zurückzubekommen. Das heißt, dass das Wachstum in einigen Ländern sehr schwach sein wird in den nächsten Jahren, aber ich gehe nicht davon aus, dass es tatsächlich zu einem Zahlungsausfall kommt, weil das politisch aus meiner Sicht völlig sinnlos wäre."

    Doch ganz ohne Einbußen kommt auch Deutschland nicht davon. Denn das Wachstum wird sich nicht nur in den Euro-Krisenländern, sondern weltweit abschwächen, davon sind Volkswirte überzeugt. Darunter dürfte auch das Exportland Deutschland leiden. Hinzu käme ein weiterer Effekt, sagt Bielmeier:

    "Die andere Sache ist, dass natürlich das Vertrauen der Haushalte in die langfristige Entwicklung der Staatsfinanzen eventuell auch gestört sein könnte, sodass man sich hier auch zurückhält, weil der alte Spruch "Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen", der ist in Deutschland doch sehr tief eingebrannt, sodass auch der private Konsum hier eventuell etwas in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, einfach aufgrund der psychologischen Rückkopplung der Schuldenkrise auf die deutschen Haushalte."

    Als mögliche Instrumente einer Lösung werden ein Europäischer Währungsfonds diskutiert, aber auch die Auflegung gemeinsamer Anleihen im Euroraum, sogenannte Eurobonds. Ein Europäischer Währungsfonds müsste mit viel Kapital ausgestattet werden, Kapital, das tatsächlich fließen muss. Deshalb wären Eurobonds ein einfacherer Weg, meint Bielmeier:

    "Der Vorteil von Eurobonds ist eben, dass man keine starke Kapitalbasis braucht. Also, die Länder wie Deutschland müssen erst mal nicht in Vorleistung treten, indem man irgendeinen Kapitalstock aufbaut. Sondern das ist eher ein rechtliches Konstrukt. Nur man muss natürlich ganz klare Grenzen hier mit in den Vertrag einbauen. Aus meiner Sicht braucht man hier eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild in den Verfassungen der Länder, die Eurobonds nutzen wollen, sodass die Schuldenaufnahme begrenzt wird, dass eine Neuverschuldung auf Null zurückgeführt werden wird."

    Und nicht nur das: Die einzelnen Länder Europas dürften solche Eurobonds auch nicht unbegrenzt aufnehmen, sondern nur bis zu einer gewissen Grenze, die die meisten Volkswirte analog zum Maastricht-Vertrag bei einer Staatsverschuldung bis 60 Prozent sehen: Für alle Anleihetranchen, die darüber hinausgehen, müssten sie wieder nationale Anleihen auflegen – zu dann eben wieder höheren Zinsen.
    Denn das soll ja ein wesentlicher Vorteil der Eurobonds für die Krisenländer sein: Sie müssten deutlich weniger Zinsen auf ihre Anleihen zahlen, während die Länder mit sehr guter Bonität höhere Zinsen zahlen müssten.

    Das aber könnte ohne entsprechende Sanktionsmechanismen den Anreiz zur Konsolidierung in den hoch verschuldeten Ländern erschweren, sorgen sich Kritiker. In den Ländern mit guter Bonität würden die Eurobonds zu höheren Kosten führen, für Deutschland rechnen Experten mit 40 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlichen Kosten. Doch so billig wie derzeit geht es ohnehin nicht ewig weiter – sagt Adalbert Winkler von der Frankfurt School of Finance. Denn im Moment muss der Bund für zehnjährige Anleihen nur 2,3 Prozent Zinsen zahlen:

    "Deutschland ist Krisengewinnler in dem Sinne, dass deutsche Staatsschuldtitel als sehr sicher angesehen werden und deswegen im Moment die Renditen auf deutsche Staatsschuldtitel extrem niedrig sind. Ich würde das vielleicht nicht als Krisengewinnler bezeichnen, sondern es gehört zur Reaktion der Märkte auf eine Finanzkrise, dass sie eben ganz, ganz sichere Aktiva, Titel halten wollen. Und deren Preise schießen dann in die Höhe beziehungsweise deren Renditen sinken ins Bodenlose. Wenn also die Krise vorbei sein wird, dann werden sich die Renditen wieder normalisieren. Dann darf man aber nicht sagen, dass dann Deutschland sozusagen der Leidtragende der Überwindung der Krise ist, es ist einfach nur eine Normalisierung. Krise ist halt eben nicht normal."

    Das Geld der Sparer jedenfalls sei sicher, das hat die Bundeskanzlerin erst vor wenigen Tagen wieder gesagt. Große Gewinne können die meisten aber auch nicht erwarten. Denn viel Geld haben die deutschen Sparer in Versicherungen angelegt. Die können zurzeit nur eine niedrige Rendite erzielen, weil sie gehalten sind, bei ihren Anlagen kein größeres Risiko einzugehen. Damit bleiben fast nur Investitionen in Staatsanleihen der Länder mit Topbewertung, wie Deutschland. Die Zinsen für deutsche Staatsanleihen aber sind historisch niedrig.

    Sollte Deutschland gezwungen werden, höhere Belastungen auf sich zu nehmen, dann hätte das zur Folge, dass auch in Deutschland noch mehr als erwartet gespart werden müsste - auch an den Ausgaben für die Sozialsysteme. Das sollte den Deutschen bewusst sein. Doch für Europa muss bezahlt werden, denn alles andere käme erheblich teurer. Schließlich würde Deutschland bei einem Auseinanderbrechen der Eurozone starke Exporteinbußen erleiden. Denn 50 Prozent der deutschen Ausfuhren gehen in die Nachbarländer.

    Welche Möglichkeiten gibt es, aus dieser Schuldenkrise herauszukommen?
    Irgendwann kommt der Punkt, an dem Schulden nicht mehr zu bezahlen sind. Bei Staaten haben Volkswirte eine Grenze ausgemacht, die von immer mehr Ländern überschritten wird. Übersteigen die Verbindlichkeiten 100 Prozent der Wirtschaftsleistung, können steigende Zinsen oder schwächere Wirtschaftslage die bestehenden Schulden schnell unfinanzierbar werden lassen.

    Und so ist Sparen zum Mantra der Politik geworden.
    Auch für die Kanzlerin. Im Jahr 2008 sagte Angela Merkel noch zu Zeiten der Großen Koalition:
    "Wir müssen Ende machen mit den Schulden und müssen ab 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt haben."

    Geändert hat sich freilich wenig. Ganz im Gegenteil hat sich der Schuldenstand wegen der Finanzkrise noch erhöht. Die Finanzmärkte reagieren darauf zunehmend nervös. Denn es gibt zwar mehrere Möglichkeiten, die Schuldenlast zu reduzieren, risikolos umsetzbar sind sie aber nicht alle.
    Ein Schuldenschnitt kommt zum Beispiel nicht infrage. Sollte ein Land seine Schulden nur zum Teil oder gar nicht mehr bedienen, hätte das schwerwiegende Folgen für die Euro-Gemeinschaft. Sofort würde an den Finanzmärkten auf den nächsten Pleitekandidaten gewettet, und für die anderen Problemstaaten, dürfte es noch teurer werden, sich am Kapitalmarkt neues Geld zu leihen.

    Ein ähnlich süßes Gift ist die Inflation. Mittels einer Geldentwertung ließe sich der reale Wert der Schulden verringern. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank, warnt jedoch vor einer solchen Strategie:

    "Die Entschuldung durch die Inflation ist nur um den Preis der Zerrüttung der Währung zu erreichen. Es wird wenig bringen, die Inflation von jetzt zwei Prozent auf fünf Prozent heraufzutreiben. Das wird einen kleinen Beitrag leisten, aber der Hauptbeitrag muss von anderer Seite kommen. Und das kann dann nur die Finanzpolitik machen, die ja die Einnahmen und Ausgaben des Staates zu bestimmen hat."

    Das Bankhaus Morgan Stanley hat ausgerechnet, dass die USA eine Inflationsrate von neun Prozent über einen Zeitraum von zehn Jahren benötigten, um die Schuldenquote auch nur zu stabilisieren.
    Außerdem wirken die aktuellen Sparmaßnahmen eher dämpfend auf die Preise. Denn die Binnenwirtschaft leidet, wenn der Staat spart, da viele Betriebe auch von öffentlichen Aufträgen leben. Der Wettbewerb um die verbleibenden Aufträge wird härter, die Preise sinken weiter.
    Sollte der Rotstift noch stärker angesetzt werden, so wird das Sparprogramm zum Balanceakt. Denn eine Wirtschaft kann nicht nur gesund- sondern auch kaputt gespart werden.

    Wollte die deutsche Regierung ihre Verschuldung nur allein durch Sparmaßnahmen stabilisieren, müsste der Haushalt Jahr für Jahr einen Überschuss im Umfang von einem Prozent ausweisen. Sollen dadurch Schulden abgebaut werden, müsste es noch mehr sein. Zum Vergleich: Japan bräuchte schon fünf Prozent Überschuss, damit die Schulden nicht weiter ansteigen.
    Was das für das Wachstum bedeuten würde, ist kaum abzuschätzen.

    Denn es gilt die Faustformel: Jeder Prozentpunkt an Einsparungen kostet 0,6 Prozent Wachstum innerhalb von zwei Jahren. Auch die Konsumausgaben sinken nach solchen Maßnahmen drastisch. Doch angesichts der immer noch brummenden Wirtschaft in Deutschland ist die Versuchung groß, bei der Haushaltskonsolidierung ganz auf die Wachstumslokomotive zu setzen. Diese Hoffnung ist aber auf Sand gebaut, sagt Ulrich Kater.

    "Das Wachstum ist ein Baustein zur Tragfähigkeit der Schuldenlast. Aber Wachstumsraten, wie sie notwendig sind, um die gegenwärtigen Schuldenstände weiterhin finanzieren zu können - auch bei hohen oder steigenden Zinslasten -, das sind Wachstumsraten, die außerhalb der Möglichkeiten der Industrieländer sind."

    Wachstum, Inflation und Haushaltsdisziplin sind für sich allein betrachtet also wenig geeignet die Schuldenberge abzutragen. Falsche Hast kann ebenso die Konjunktur erdrücken und den Sparwillen im Keim ersticken.
    Auch nationale Alleingänge sind zum jetzigen Zeitpunkt kaum mehr möglich. Denn was nutzt ein Musterknabe, wenn drei andere dafür nachsitzen müssen.

    Martin Lück, Chefvolkswirt der Schweizer UBS fordert deshalb den politischen Schulterschluss:

    "Was wir bisher überhaupt noch nicht gemacht haben, ist, die fundamentale Frage zu beantworten: Wo wollen wir hin in der Eurozone? Und wir werden vermutlich nicht umhinkommen, uns in eine Richtung Fiskalunion zu bewegen. Das heißt aber auch, dass auf den Steuerzahler in Deutschland und in anderen Geberländern erhebliche Lasten zukommen. Das heißt auf der anderen Seite, dass erhebliche Souveränitätsrechte im Bereich der Fiskalpolitik nach Brüssel transferiert werden müssen. Das ist eine unbequeme Wahrheit, die die Politik bisher noch nicht auszusprechen bereit war."