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Wenn die Abschiebung droht

So manch außereuropäischer Student wird in Frankreich böse überrascht, wenn es um seinen Aufenthaltsstatus geht: Eine gelungene Immatrikulation führt nicht automatisch zu einer Aufenthaltserlaubnis und dann kann die Abschiebung drohen. Dagegen macht das Réseau Université sans frontières, kurz: RUSF, mobil.

Von Suzanne Krause | 06.05.2010
    "RUSF-Versammlung vorm Unibau B: Weder Auswahl noch Abschiebung". An die "Solidarität unter Studenten" appelliert Nicole vom Netzwerk Universität ohne Grenzen, während sie auf dem Campus von Nanterre Flugblätter für die Versammlung verteilt. Abdul Aziz Sanogo hilft ihr dabei. Der 24-Jährige Wirtschaftsstudent stammt aus von der Elfenbeinküste. Daheim bemühte er sich vergeblich um die obligatorische Voreinschreibung bei der lokalen französischen Botschaft.

    "Ich habe alle verlangten Papiere gehabt: die Bestätigung einer Unterkunft, den Gehaltszettel der Person, die mich unterbringt, den Beleg, dass ich auf meinen Namen ein Sperrkonto mit 5000 Euro Guthaben angelegt habe. Ich hatte alles beisammen und dennoch wurde mein Antrag abgelehnt. Trotz Anwalt war nichts zu machen. Da bin ich ins Nachbarland Mali gefahren und habe mir dort einen Pass beschafft. Mit dem konnte ich nach Frankreich einreisen."

    Abdul Azizs Mutter und zwei Geschwister leben seit Langem in Frankreich. Seine Schwester hatte ihn bei seiner Ankunft schon an der Uni Nanterre immatrikuliert.

    "Jetzt habe ich keine gültigen Papiere mehr, denn ich bin seit letztem Juli hier und das Touristenvisum galt nur für zwei Monate. Damit droht mir jederzeit die Abschiebung. Außerdem habe ich keine Krankenversicherung, denn bei den Behörden sagt man mir: Als Student müssen Sie in die staatliche Krankenversicherung. Aber dafür brauchen Sie eine gültige Aufenthaltserlaubnis."

    Amouzou Kodzovi kommt aus Togo. Seinen wahren Namen gibt er nicht preis, aus Angst vor Repressalien. Mangels Visa für das Studium reiste er illegal ein, als Flüchtling. Und fand Hilfe bei Angehörigen des Netzwerks Universität ohne Grenzen.

    "Sie sind mit mir bis zum Vizepräsidenten der Uni von Nanterre gegangen, um meine Einschreibung durchzusetzen. Anfangs wollte er nicht, doch dann klappte es. Seit einer Woche habe ich nun auch die behördliche Bestätigung, dass ich Asylbewerber bin. Und das verschafft mir eine begrenzte Aufenthaltserlaubnis. Aber wenn bei meinem Studium was schiefläuft, verliere ich die sofort."

    Knapp zwei Dutzend Fälle wie die von Abdul Aziz und Amouzou haben die Mitarbeiter der Organisation RUSF in Nanterre seit vergangenem November auf dem Tisch. Im ganzen Land sind es wohl Tausende. Im vergangenen März organisierte die Straßburger RUSF-Gruppe eine Demo für eine von der Abschiebung bedrohte Studentin aus Mazedonien. Vor einem halben Jahr kämpften RUSFler an der Uni Paris-3 für einen algerischen Kommilitonen ohne Papiere. Und seit zwei Jahren mobilisiert die Organisation an der Uni Paris-8 alljährlich zu Semesterbeginn solidarische Patenschaften: ein Dozent und ein Kommilitone nehmen gemeinsam je einen Studenten ohne Aufenthaltserlaubnis unter ihre Fittiche, um einer Abschiebung vorzubeugen. Und der dortige Hochschulvorstand unterschreibt ausdrücklich die Anweisung, die die Regierung im vergangenen Juli veröffentlichte: dass für die Immatrikulation keine gültige Aufenthaltserlaubnis nötig sei. Berichtet Saaida Gacem vom Netzwerk Universität ohne Grenzen:

    "Immer mehr Unis verlangen heute bei der Einschreibung eine gültige Aufenthaltserlaubnis. Als wären sie ein Handlanger der Präfektur. Da beißt sich die Katze in den Schwanz: ohne Immatrikulation keine Aufenthaltserlaubnis, ohne Aufenthaltserlaubnis keine Immatrikulation."

    Mit der Aktion, die heute startet, will das Netzwerk Studenten im Großraum Paris für die missliche Lage mancher Kommilitonen sensibilisieren. Und Druck auf die Univorstände ausüben: keine Auswahl, keine Abschiebung. Denn mögen auch Amouzou und Abdul Aziz aus bescheidenen Verhältnissen kommen: Ihr französisches Diplom soll ihnen eine Karriere in der Heimat sichern.