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Wenn Krankenhauskeime Ausgang haben

Medizin.- Krankenhäuser – im Idealfall machen sie gesund, aber oftmals leider auch krank. Besonders resistente Keime sind es, die den meist geschwächten Patienten dort zu schaffen machen. Nun befallen typische Krankenhauskeime auch Menschen außerhalb der Kliniken.

Von Arndt Reuning | 02.11.2009
    Clostridium difficile – der Name sagt es schon, dass die Mediziner es hier mit keinem leichten Fall zu tun haben. Diese Bakterien können schwere Magen-Darm-Erkrankungen verursachen, besonders bei älteren und geschwächten Patienten. Unter Umständen verlaufen diese Infektionen sogar tödlich, in manchen Fällen muss der Dickdarm der Betroffenen entfernt werden. Der Auslöser ist in den meisten Fällen paradoxerweise eine Behandlung mit Breitbandantibiotika, also mit Medikamenten, die eigentlich möglichst viele Bakterien töten sollen.

    "Wer ein Antibiotikum einnimmt, der verändert damit auch seine Darmflora. Dort gibt es ja auch viele nützliche Bakterien, die den Körper beschützen. Aber mit einem Antibiotikum löscht man die natürlich auch aus. Daher ist man anfälliger gegen eine Infektion mit Clostridium difficile, weil ja sonst nicht mehr viele Bakterien im Darm übrig sind","

    so erklärt es Ghinwa Dumyati von der University of Rochester im Bundesstaat New York. Sie hat die Ausbreitung dieser schädlichen Keime untersucht. Seit einigen Jahren sorgt ein besonders aggressiver Stamm von Clostridium difficile dafür, dass immer mehr Patienten im Krankenhaus unter besonders schweren Infektionen leiden. Was den Experten aber noch mehr Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass diese gefährlichen Erreger sich auch zunehmend außerhalb von Kliniken verbreiten. Die Mediziner aus Rochester wollten das genauer erforschen und haben Infizierte im Krankenhaus und außerhalb des Hospitals miteinander verglichen.

    ""Die Menschen, die außerhalb einer Klinik unter der Krankheit leiden, sind im Mittel jünger als die typischen Patienten im Krankenhaus, nämlich 53 Jahre statt 70. Und sie sind auch gesünder. Bei 60 Prozent der Fälle gab es keine Vorerkrankung, die von einem Arzt hätte behandelt werden müssen. Allerdings war die Krankheit außerhalb eines Hospitals auch nicht so schwer wie die Infektion im Krankenhaus. Es gab keine Fälle, bei denen der Dickdarm entfernt werden musste, und niemand ist daran gestorben."

    Wo die Patienten das Bakterium aufgeschnappt haben, wissen die Forscher noch nicht genau. In vielen Fällen haben auch hier Antibiotika die Krankheit ausgelöst. Ghinwa Dumyati rät deshalb dazu, diese Medikamente nicht leichtfertig einzunehmen – eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

    "In der Mehrheit der Fälle hatten die Betroffenen die Antibiotika gegen Erkrankungen der oberen Atemwege erhalten, also höchstwahrscheinlich gegen eine Infektion mit Viren. Da hätten Antibiotika sowieso nicht geholfen. Besonnen mit diesen Mitteln umgehen, das ist meine Hauptforderung."

    Ein anderes, hochresistentes Bakterium hat seinen Weg aus dem Krankenhaus schon vor über zehn Jahren gefunden: MRSA, also Methicilin resistentes Staphylokokkus aureus. Es kann gefährliche Hautinfektionen und auch Lungenentzündungen auslösen. Die große Mehrzahl der MRSA-Stämme im Krankenhaus gehören zu dem Typus USA100. Außerhalb der Klinik hat sich ein anderer MRSA-Stamm breit gemacht, der hoch ansteckende USA300-Typ. Er könnte nun zu einer besonderen Gefahr werden, weil er mittlerweile aggressiver geworden ist und auch immer häufiger in Kliniken auftaucht. Die Gesundheitswissenschaftlerin Fernanda Lessa von den staatlichen "Centers for Disease Control and Prevention" in Atlanta hat sich einige solcher Fälle näher angeschaut.

    "Wir machen uns große Sorgen wegen der Ansteckungskraft von USA300. Wie würde sich dieser Stamm wohl in einem Krankenhaus verhalten, wo er sehr viel mehr Patienten mit einem schwachen Immunsystem gibt und auch viel mehr ältere Patienten? Unsere Studie hat ergeben, dass bei Patienten mit einer schweren Lungenentzündung eine USA300-Infektion zu Komplikationen bereits im frühen Stadium der Krankheit geführt hat, zum Beispiel zu einem akuten Versagen der Nieren."

    Wie alle anderen MRSA-Erreger kann der Typ USA300 auch über engen Hautkontakt weitergegeben werden. In den Vereinigten Staaten hatte er sich deshalb außerhalb von Kliniken zum Beispiel in Sportmannschaften etablieren können, besonders bei Football-Spielern.