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Wenn's am Übergang hakt

Viele Studienanfänger brechen schon in den ersten Semestern ihr Studium ab. Der Grund: Sie wissen entweder zu wenig über das Fach oder sie sind überfordert von den Ansprüchen der Dozenten. Vor allem in den MINT-Fächern, also den Naturwissenschaften liegen die Abbrecherquoten auf hohem Niveau.

Von Susanne Lettenbauer | 19.09.2012
    Jeder dritte Studierende fällt entweder durch die Prüfungen oder entscheidet sich für einen Studiengangswechsel. Das ist viel zu viel meinen nicht nur Bayerns Wirtschaftsverbände, sondern auch der Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch. Sein Vorschlag, ein Semester Generale vor das Studium zu setzen, erregt jetzt die Gymnasialverbände. Die haben einen ganz anderen Vorschlag.

    Max Schmidt, der Präsident des Bayerischen Philologenverbandes ist ein besonnener Mann. Anders als andere Lehrerverbände in Bayern setzt er nicht auf Konfrontation. Doch dass seine Abiturienten immer größere Probleme bekommen mit dem Wechsel an die Hochschulen, ärgert ihn massiv. Den Schwarzen Peter an der Situation könne man nicht den Gymnasien zuschieben. Seine Lehrer seien viel leistungsfähiger, wenn man sie nur ließe:

    "So eine Orientierung auf den Studienbeginn kann man doch am besten mit den Lehrkräften des Gymnasiums umsetzen, die haben Didaktik gelernt, die wissen, wo die Schüler im Moment stehen, die wissen auch, wo die Universitäten bereit sind, die Schüler abzuholen."

    Vorbereitungskurse an den Hochschulen und Universitäten seien ein Weg, gibt Schmidt zu. Aber warum nicht die Abiturienten im gewohnten Umfeld belassen? Warum nicht die Studiengebühren sparen und dafür an der Schule Zeit gewinnen für eine richtige Studienwahl? Für den Mathe/Physik-Gymnasiallehrer Schmidt hieße das:

    "Wenn man einerseits ein wenig später die Orientierung mit einer gewissen Sicherheit abgeschlossen hätte, dann auch noch mal die Chance hätte, auf dem Wissen der Gymnasiallehrer aufbauend eine bestimmte Förderung auf die dann gefallene Entscheidung zu bekommen."

    Mathelehrer könnten dann direkt in die wissenschaftliche Mathematik einsteigen, Lehrer für Wirtschaft dürften dann endlich Themen ansprechen, die direkt im Studium der Wirtschaftswissenschaften behandelt werden. Lehrer müssten dann nicht mehr nur den Lehrplan durchackern, sondern dürften Dozenten auf Zeit sein. Ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt für die Motivation gibt Schmidt zu bedenken. Die sogenannten Unitage an den Gymnasien würden sowieso nur sporadisch wahrgenommen von den Schülern.

    Der verantwortliche Kultusstaatssekretär Bernd Sibler winkt nur ab. Mit den seit drei Jahren laufenden Projekt- und Wirtschaftsseminaren seien die Schüler bestens vorbereitet auf die Unis:

    "Eines darf ich einfach festhalten: Wenn die Abiturprüfungen abgeleistet und die Zeugnisse verteilt wurden, dann werden Sie wenige junge Leute noch mit Begeisterung an den Schulen halten können. Da ist der Drang dann weg. Von daher finde ich es wichtig, dass wir eben in dieser Qualifizierungsphase der elften und zwölften Klasse die P-Seminare und das theoretische Wissen mit den W-Seminaren hier grundgelegt ist, weil sie es in den Abiturprüfungen brauchen."

    Max Schmidt vom Bayerischen Philologenverband hält dagegen:

    "Das ist richtig. In den P-Seminaren wird diese Berufs- und Studienorientierung ja gemacht aber da ist das Angebot uferlos geworden. Also wir erhalten an Bayerns Gymnasien Hinweise auf Studiermöglichkeiten von Holland bis hinunter nach Venedig und von französischen Unis bis zu Wiener Universitäten. Also die jungen Leute werden zugedeckt zu einer Zeit, wo sie noch gar nicht überblicken können, also ein wenig später im Leben ist da mehr."

    Zwar gibt es in Bayern 13 Projekte an vier Universitäten und neun Hochschulen, die Vorkurse anbieten. Vor allem an den Fachhochschulen wurde die Abbrecherquote durch verschiedenste Maßnahmen verringert, ergab eine Studie des Hochschulinformationsdienstes HIS. Doch vor allem Gymnasiasten sind noch immer zu schlecht vorbereitet. Der Vorschlag vom Wissenschaftsministerium: Warum also nicht ein Semester Generale oder ein Semester Naturale für die MINT-Fächer flächenübergreifend einführen, sagt Bayerns Wissenschaftsminister Heubisch:

    "Das ist ein freiwilliges Angebot, ich will ja kein Pflichtsemester ich will ein freiwilliges Angebot, wo wir wissen, da gibt's Probleme und da machen wir uns Gedanken. Und plötzlich ist das kollektiv im Denken drin und genau ist der Anstoß, den ich mir erwarte."

    Das Kultusministerium indes sieht sich trotz der Diskussionen noch immer auf dem richtigen Weg. Die Projektseminare als praktische Vorbereitung aufs Studium erst nach dem Abitur anzubieten und damit dem theoretischen Wissen mehr Raum zu geben, sei undiskutabel so Bernd Sibler:

    "Wir wollen hier nichts ändern, denn der zeitliche Umfang nach dem Abitur wollen die Schüler im Regelfall nichts mehr von der Schule hören, da werden sie ein echtes Motivationsproblem haben."

    Die Schüler aus der Oberstufe sehen das ganz anders. Auf einer Podiumsdiskussion zwischen Kultusministerium und Wissenschaftsministerium konnten sie gestern die Argumente mitverfolgen:

    Schüler: "Also nach dem Abitur endet das so abrupt, man ist dann weg und wird in die große weite Welt geschickt und da wäre es nicht schlecht, so als Übergang zwischen Schule und Uni oder Fachhochschule. Das finde ich eigentlich gar nicht schlecht. Ja, also an der Schule finde ich es fast sinnvoller, als wenn man das an der Uni macht, weil es nach der Schule so abrupt endet, da lernt man nur noch für die Abiturprüfung und direkt auf die Uni wird man überhaupt nicht vorbereitet. Und so finde ich es gut, dass man noch da noch Zeit für sich hat und sich da klar werden kann darüber."