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"Wer kauft schon das Trikot eines Langläufers?"

Eine Fußball-Weltmeisterschaft ist stets auch ein Wettbewerb der Sportartikelkonzerne. Der amerikanische Konzern Nike, im Gesamtgeschäft weltweit die Nummer eins vor Adidas, hat der Firma aus Herzogenaurach gerade zwei WM-Teams abspenstig gemacht: Nike stattet künftig die WM-Skandalnudel Frankreich und Südafrika aus. Insgesamt aber bleibt Adidas im Fußballgeschäft die Nummer eins.

Von Jens Weinreich | 02.07.2010
    Für Adidas läuft es derzeit glänzend. Den verletzungsbedingten Ausfall eines Werbeträgers, Michael Ballack, kompensiert man lässig. Lionel Messi (Argentinien), David Villa oder Bastian Schweinsteiger könnten zum besten Spieler des Turniers gewählt werden; Thomas Müller hat große Chancen auf den Titel des besten jungen Spielers. Statistiker sagen, dass die Hälfte aller Tore in Adidas-Schuhen geschossen wird. Im Viertelfinale ist der Konzern mit vier Teams vertreten und wird, da sie gegeneinander spielen (Deutschland gegen Argentinien, Spanien gegen Paraguay) zwei Mannschaften im Halbfinale haben. Das Halbfinale wird von je einem Team von Nike (Brasilien oder Holland) und Puma (Uruguay oder Ghana) komplettiert.

    Für Adidas sind Fußball-Weltmeisterschaften immer Heimspiele. Die Firma ist seit jeher Sponsor des Weltverbandes FIFA und traditionell auch über Funktionäre wie Joseph Blatter oder Franz Beckenbauer mit der FIFA verbandelt. Adidas stellt den WM-Ball, über den auch diesmal reichlich gespottet und geschimpft wurde, und rüstet die Schiedsrichter aus.

    Auch für Puma, den ungleichen Bruder aus Herzogenaurach, ist das Turnier eine Art Heimspiel. Denn Puma-Chef Jochen Zeitz, der eine Farm in Kenia besitzt, hat die Marketingstrategie seiner Fußballsparte ganz auf Afrika ausgerichtet und sogar das Firmenlogo mit einer Afrikakarte ersetzt. Drei der vier afrikanischen Puma-Teams sind allerdings schon ausgeschieden.

    Eigentlich hatte Nike einen glänzenden WM-Auftakt. Denn der vom Oscar-Preisträger Alejandro González Inárritu produzierte WM-Werbespot "Write the future" wurde geradezu hymnisch gelobt. 18 Millionen Menschen haben das Video bislang auf Youtube gesehen, wogegen den Adidas-Spot, eine bizarre Star-Wars-Adpation, nur vier Millionen klickten. Doch der Erfolg des Dreiminüters relativiert sich nach den ersten WM-Wochen.

    Zu früh wurde über den vermeintlichen Erfolg Nikes im Bereich Social Media und den Segen des Viralen Marketing fabuliert. Denn jetzt, da die WM in die entscheidende Phase geht und sportlich abgerechnet wird, verkehrt sich alles ins Gegenteil. "Write the future"? Nike wird nur noch ausgelacht. Millionen Menschen spotten über die Auftritte der Nike-Ikonen.

    Dumm gelaufen: Sechs Profis lichtete Alejandro González Iñárritu für seinen Spot ab. Einer wurde im letzten Moment aus dem WM-Aufgebot gestrichen (Brasiliens ehemaliger Weltfußballer Ronaldinho). Vier andere erlebten in Südafrika sportliche Desaster: Didier Drogba (Elfenbeinküste) in Maßen, vor allem aber der Italiener Fabio Cannavaro, Titelverteidiger und bester Spieler der WM 2006, der Franzose Franck Ribery und der Engländer Wayne Rooney. Von den Nike-Helden hat es nur der Brasilianer Robinho ins Viertelfinale geschafft.

    Nachdem das Marktforschungsinstitut Nielsen zu WM-Beginn eine Analyse veröffentlichte, wonach Nike im Bereich Social Media doppelt so viel Aufmerksamkeit generiert wie Adidas und auch mehr als alle anderen WM-Sponsoren, konterte Adidas-Chef Herbert Hainer noch während der Vorrunde mit einer optimistischen Umsatzprognose: Statt 1,3 Milliarden Euro im Fußballgeschäft, das etwa ein Siebtel des Konzernumsatzes ausmacht, rechne man für 2010 nun mit 1,5 Milliarden. Adidas wird auch in diesem Jahr im Fußball-Business knapp vor Nike liegen.

    Die Aktienkurse der Konzerne aber können sich dem allgemeinen Trend nicht entziehen und stehen leicht unter Druck. Die Tendenz ist nicht neu. Denn mögen die Umsätze im Fußball-Segment in WM-Jahren auch stets steigen, die Börse reagiert darauf nur mäßig, keinesfalls mit jenen Feuerwerken, die Analysten und Branchendienste stets vorhersagen.

    Dennoch: Fußball trifft Lifestyle. Man zeigt die Trikots auf den Straßen. Davon profitieren alle Konzerne. Allein Adidas hat 2010 mehr als doppelt so viele Replica-Shirts abgesetzt als bei der WM 2006 in Deutschland. Fußball ist noch immer ein Wachstumsmarkt für die Ausstatter, für die es während Olympischer Spiele viel schwerer ist, etwas zu verdienen. Der Grund ist simpel, wie Adidas-Chef Hainer kürzlich erklärte: "Wer kauft schon das Trikot eines Langläufers oder Hammerwerfers?"